Das Hotel Strand am Königshafen in List auf Sylt verfügt nicht nur über exklusive Suiten und Doppelzimmer, sondern es bietet auch einen unvergesslichen Blick auf das Wattenmeer und den Strand. Die Gäste empfängt ein U-förmiger, scheinbar eingeschossiger Gebäuderiegel. Sein gestaltprägendes viertelkreisförmiges Tonnendach wurde mit Titanzink eingedeckt. Die Lage ist spitze – das Hotel Strand ist nach eigenen Angaben das nördlichste Hotel Garni Deutschlands und es ist eingebettet in eine weitläufige Strand- und Dünenlandschaft. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich lediglich zwei, allerdings dominante Gebäude: das Erlebniszentrum Naturgewalten und das Alfred-Wegener-Institut, Niederlassung Sylt. Aus dem überwiegenden Teil der Suiten kann der Gast über das Wattenmeer auf den Sylter Ellenbogen, die berühmte nördlichste Landzunge der Insel, und auf die Lister Bucht blicken. Die beste Fernsicht hat er sicher von der oberen Ebene der zweigeschossigen Suiten, immerhin aus der Höhe einer zweiten Etage.
Mit List zum dreigeschossigen Baukörper
Um dem Hotelneubau zwischen den beiden recht großen Nachbargebäuden zum einen eine maximale architektonische Eigenständigkeit zu verleihen und zum anderen der gemäß Landesbauordnung vorgeschriebenen eingeschossigen Gebäudeform gerecht zu werden, wandte der planende Architekt, Dipl.-Ing. Ulrich Huber der IGA Haus GmbH & Co. KG in Flensburg, einen Kunstgriff an: Optisch schuf er einen dreigeschossigen Baukörper, bei dem das Erdgeschoss als das Vollgeschoss gilt: „Das darüber liegende Staffelgeschoss ist rechnerisch nicht als Hauptgeschoss zu berücksichtigen und das wiederum darüber liegende Galeriegeschoss ist baulich soweit reduziert, dass es nicht in die Geschossigkeit eingerechnet werden muss.“ Die nach außen, zur Nordsee hin orientierten Fassaden geben also von drei Stockwerken den Blick frei. Auf der nach innen gerichteten Seite nimmt der ankommende Gast ein etwa 6m hoch aufragendes Tonnendach wahr, hinter dem sich die zweigeschossigen Suiten verbergen – damit gelangte der Architekt sozusagen mit List in List zum genehmigungsfähigen Bauvolumen. Huber resümiert: „Es bot sich die Tonnendachform als ideale Lösung an, die zudem dem Gebäude die prägende Note gibt.“
Tonnendächer mit Titanzink
Das Dach ist rund – um genau zu sein, bestehen die äußeren Tonnendächer des symmetrischen Gebäudes annähernd aus einem Viertelkreisausschnitt mit einem Radius von 5,80m, während das innere Tonnendach aus einem weitaus größeren Radius von knapp 18,30m resultiert und damit nur einen flacheren Kreisbogen beschreibt. Sämtliche Tonnendächer wurden mit dem Material Pre-Patina blaugrau von Rheinzink ausgeführt. Bei der Dacheindeckung, so begründet Architekt Huber, „sollte eine Materialität gewählt werden, die eine gewisse Leichtigkeit und Eleganz ausstrahlt und optisch zum Element Wasser/Nordsee passt.“ Und weiter, nach dem Zeitpunkt seiner Entwurfsentscheidung gefragt: „Alternative Eindeckungsarten wurden gleich in der Planungsphase verworfen. Es wurde zielstrebig auf das Titanzink-Stehfalzdach hingearbeitet.“
Zur Umsetzung des Entwurfs trugen wesentlich die Höft Bau Sylt GmbH & Co. KG, die das Objekt schlüsselfertig abwickelte, und der Fachbetrieb Hans Andritter GmbH aus dem nordfriesischen Bredstedt bei. Dabei kam dem Projekt speziell bei der „nicht alltäglichen Dachkonstruktion“, wie Bauleiter Dipl.-Ing. Frank Meinert mit typisch norddeutschem Understatement konstatiert, die gemeinsame Erarbeitung von Konstruktionsprinzip und Anschlussdetails zugute.
Fasskonstruktion
Die Bauunternehmung führte das Tonnendach ähnlich einer Fasskonstruktion (nur ohne bauchige Ausformung) aus. Die Giebelwände wurden halbrund aufgemauert und mit einem entsprechenden Ringbalken versehen. In sie wurden die Balkenschuhe radial verteilt angeschraubt, um die Pfetten von einer Giebelseite zur anderen parallel zur Traufe befestigen zu können. Der klassische Dachaufbau mit Lattung und Konterlattung und der durchgehenden Schalung wurde so ausgeführt, dass er die gewünschte tonnenartig gewölbte Form bildete. Auf einer wie bei normalen Steildächern angebrachten Trennlage wurde das hinterlüftete Dachsystem mit Titanzink eingedeckt. Die eigentliche Dämmung erfolgte von innen.
Scharenweise runde Bleche
Zur Ausführung kamen ca. 750 m2 Titanzink in Doppelstehfalztechnik. Die Länge der 0,8-mm-Titanzink-Scharen beträgt für die äußeren Tonnendächer 9,25 m. Die Scharen der inneren Dächer sind sogar 15m lang. Der Transport des benötigten Materials erfolgte in einer einzigen Lieferung per Fähre über Dänemark. Dabei waren die Scharen für die äußeren Dächer schon als profilierte, gerundete Profile vorgefertigt: Der Transport auf die Baustelle und auf die Dachfläche musste mit Vorsicht erfolgen, damit die profilierten Scharen ihre vorgefertigte Form nicht verloren, wie Handwerksmeister Andree Thomsen zu berichten weiß. Diese konnten nur auf der Seite gekippt ohne Unterstützung getragen werden. Die Titanzink-Profile für das mittlere Dach mit dem etwas kleineren Radius fertigten die Dachprofis mit ihrer eigenen Profiliermaschine vor Ort.
Handarbeit und Erfindergeist
Zahlreiche Detailpunkte erforderten besonderes Geschick bei der Ausführung: Beispielsweise wurden alle Querfalze mit einem eingelöteten Haftstreifen ausgestattet, um den besonderen Witterungseinflüssen des Standorts Rechnung zu tragen. Auch die Kehlprofile wurden per Hand als 1-m-Stücke vor Ort eingepasst. Dies war erforderlich, da die beiden unterschiedlichen Radien zusammengefügt werden mussten. „Der Anschluss an das fast waagerechte Pult war besonders schwierig“, sagt Thomsen, als er von den besonderen Anforderungen zur Ausführung der Tonnendächer berichtet. Daher sorgen Dichtungsbänder in kritischen Bereichen unter 10° Dachneigung für Sicherheit. Ebenfalls anspruchsvoll gestaltete sich das Einarbeiten zahlreicher Be- und Entlüftungsrohre in das gebogene Falzdach sowie die dabei zu berücksichtigende Längenausdehnung der Scharen. Da sich ein Leiterlifter wegen der gerundeten Bauform nicht einsetzen ließ, wurde eine spezielle Verladebrücke geschweißt. Zudem kamen in der Seefahrt übliche Lotsenleitern zum Einsatz. Im Gegensatz zu herkömmlichen Dachleitern sorgen diese mit ihren tiefen Trittstufen für sicheren Stand während der Montage.
Patina von Anfang an
Diese innovativen Maßnahmen hätten den Gründern von Rheinzink sicher sehr gefallen. Schließlich hatten sie vor über 45 Jahren Neuerungen wie das Vorbewitterungsverfahren, auf dem auch die Ausführungsvariante Pre-Patina blaugrau des Sylter Luxushotels basiert, erfunden. Hierbei hat die Dachhaut vom ersten Tag die klassische zinktypische Blaugrau-Färbung (Schiefergrau wäre ebenso möglich), die sich sonst durch eine natürliche Bewitterung erst im Lauf der Jahre einstellen würde. Außerdem stellt der Werkstoff mit seiner beispielhaften Ökobilanz einen langlebigen nachhaltigen Baustoff dar.
Auch die Titanzinkdächer am Wattenmeerstrand von Sylt profitieren von diesen Vorteilen. Darüber hinaus fügen sich die blaugrauen Dächer einzigartig in das Landschaftsbild ein und sind somit gleich aus mehreren Gründen eine runde Sache an der Spitze Deutschlands.
BAUTAFEL
Architektur: Dipl.-Ing. Ulrich Huber, IGA Haus GmbH & Co. KG, Flensburg
Fachbetrieb: Hans Andritter GmbH, Bredstedt
Dacheindeckung: 0,8-mm-Titanzink der Marke Rheinzink Vorbewitterte Oberfläche Pre-Patina blaugrau 750 m2 Doppelstehfalztechnik
Fotos: Rheinzink GmbH