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High-Tech trifft Low-Tech

Weißt Du, wer ich bin?

Die internationale Messe Metalcon gehört für Metallverarbeitende Bau-Profis zu den wichtigsten Ausstellungen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Auch Marco Cappello legt größten Wert darauf, diesen Termin auf keinen Fall zu verpassen. In seiner Funktion als Geschäftsleiter der Schweizer Thalmann AG lässt er es sich nicht nehmen, die Langabkantmaschinen und Doppelbieger aus Frauenfeld auch auf der Metalcon zu präsentieren. Metalroofer sind dort unter den interessierten Messebesuchern ebenso zu finden wie Produzenten unterschiedlich gearteter Bau- und Industrieprofile. Folglich ist das Interesse an den modernen Thalmann-Doppelbiegern groß und überraschend zugleich.

Thalmann meets the Amish

Als Marco Cappello auf der US-Messe Matalcon die Steuerung des neuen Doppelbiegers vorstellte tippte ihm jemand auf die Schulter und sagte: „Weißt Du, wer ich bin?“ In diesem Augenblick ahnte noch niemand der Thalmann-Crew, zahlungskräftigen Kunden gegenüber zu stehen – im Gegenteil. Marco Cappello erinnert sich: „Als ich mich umdrehte, stand ich zahlreichen traditionell gekleideten Amischen gegenüber. Sie alle waren begeistert von den technischen Möglichkeiten unserer Top-Maschine und zu meinem Erstaunen kannten sie sich perfekt aus.“ Letztgenannter Punkt irritierte Marco Cappello umso mehr, da Amische für gewöhnlich ein stark im Agrarbereich verwurzeltes Leben führen. Sie sind dafür bekannt, technischen Fortschritt nahezu ausnahmslos abzulehnen. Neuerungen akzeptieren sie, wenn überhaupt, nur nach sorgfältiger Überlegung, und genau dieser Prozess hatte bei den Messebesuchern offensichtlich bereits stattgefunden. Als Marco Cappello begann über die Vorteile des Thalmann-Doppelbiegers zu sprechen, stellte er fest, bestens informierten Fachleuten gegenüber zu stehen. Die Amischen wussten nicht nur über die technischen Raffinessen des Doppelbiegers Bescheid. Ihnen war auch bekannt, dass die Profilgestaltung konisch verlaufender Trapezprofile auf der ausgestellten Maschine ebenso einfach zu realisieren sei wie filigran geformte Steckpaneele oder andere Profilspezialitäten. Die einzig interessante Frage der Amischen lautete: „Wie wird die Maschine vom Bahnhof zu unserer Werkstatt transportiert, denn mit einem unserer Dachwägle ist dies unmöglich.“

Mit dem Pferdewagen in Richtung Zukunft unterwegs

Amische leben in einer strengen Glaubensgemeinschaft und legen großen Wert auf Familienstrukturen mit klar vorgegebener Rollenverteilung. Ihre religiösen und sprachlichen Wurzeln führen zurück nach Mitteleuropa. Noch immer sprechen sie einen als Pennsylvaniadeutsch bezeichneten Dialekt. In den USA trifft man die überwiegend von Südwestdeutschen oder Deutschschweizern abstammenden Amischen oft in ländlichen Gebieten an, wo sie in abgeschiedenen Gemeinschaften leben. Sie fahren vorwiegend mit Pferdekutschen auf gummilosen Stahlrädern und erlauben den Einsatz motorbetriebener Fahrzeuge nur in seltenen Ausnahmefällen. Überraschenderweise variiert die Akzeptanz von technischen Errungenschaften von Gruppe zu Gruppe stark. Wenn man bedenkt, dass sogar Fernsehgeräte einem Verbot unterliegen, überrascht das Interesse der Amischen an den Thalmann-Langabkantmaschinen umso mehr. Dabei kam die Kaufentscheidung nicht über Nacht. Die Entscheidung für die Nutzung des Doppelbiegers wurde erst nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes sowie nach einstimmigem Gemeindebeschluss offiziell getroffen. Ob dafür „der Himmel auf Erden“ zuerst verdient werden musste, ist nicht bekannt. Amische sagen: „Mir misse unser Glaawe ausschaffe“ und meinen damit, dass erst die Einhaltung von Gesetzen und Lebensmaximen den Eingang in den Himmel versprechen.

Neue Chance im Kerzenschein

Für Andersdenkende gibt es durchaus nachvollziehbare Überlegungen zu amischen Ver- und Geboten sowie zu deren Maxime: Gruppenerhalt und Gruppenleben gehen vor individueller Verwirklichung. Amische stehen dem Einfluss moderner Technik auf das Fami­lien- und Gruppenleben überaus kritisch gegenüber. Umso erstaunlicher ist die Akzeptanz des inzwischen ausgelieferten und in Betrieb genommenen Doppelbiegers der Marke Thalmann, der dafür sorgt, dass Trapezbleche einschließlich aller erforderlichen Anschlussprofile einfach und perfekt selbst angefertigt werden können. Benötigt werden die Profile vorwiegend an landwirtschaftlich genutzten Gebäuden wie Ställen oder Scheunen. Das Erstaunliche dabei ist, dass die Profilprofis der Amischen die neue Thalmann-Technik überaus kreativ einsetzen und neben zahlreichen Anschluss- und Standardformen auch sehr komplex gestaltete Sonderprofile herstellen.

Während die Wohnzimmer der meisten Glaubensbrüder und -schwestern noch immer mit Gas- oder Petroleumlampen erleuchtet werden, verdeutlicht der Einsatz eines fortschrittlichen Maschinenparks, dass auch bei Amischen die Zukunft längst begonnen hat. Die modernen Biegemaschinen aus dem Hause Thalmann spielen in diesem Zusammenhang einen wesentlichen Beitrag. Das ist kein Zufall, denn gemäß der amischen Lebensphilosophie wird jede moderne Anschaffung nur dann akzeptiert, wenn sie auch in puncto Qualität und Langlebigkeit sinnvoll erscheint.

Die Meinung des Soziologen Donald B. Kraybill, dass der zunehmende Wohlstand der Amischen zugleich auch deren größte Herausforderung darstellt, erscheint in diesem Zusammenhang in neuem Licht. Nach seiner Einschätzung bleibt abzuwarten, wie sich dieser Wandel einer amischen Geschäftsleuteschicht auf die Gemeinderegeln auswirkt. Gerade jene neigen vermehrt zur Liberalität im eigenen geschäftlichen Bereich, beispielsweise durch den Einsatz moderner Doppelbiegertechnik aus der Schweiz.

INFO

Hintergrund Amische*

Männer tragen einen Vollbart ohne Schnurrbart und einen Strohhut, während Frauen ein Häubchen aus filigranem Organzastoff benutzen. Amische Kleidung ist zumeist einfach, jedoch qualitativ hochwertig gehalten. Ihre Kleidung nähen Amische selbst, wobei Hemden auch in Läden gekauft und Mäntel von besonders fähigen Näherinnen bezogen werden dürfen. Und obwohl es nicht gestattet ist, Knöpfe an Mänteln anzubringen, wird das Vernähen synthetischer Stoffe geduldet, da es zeitaufwendiges Bügeln reduziert.

Amische Haushalte besitzen keinen Anschluss an das Elektrizitätsnetz. Stattdessen nutzen sie gasbetriebene Lampen oder erzeugen für einige Geräte eigene Elektrizität. Batterien sind ebenso wie hydraulische Antriebe teilweise erlaubt. Entgegen sich hartnäckig haltenden Behauptungen ist Amischen das Fotografiertwerden nicht untersagt. Dennoch vermeiden sie, einzelne Individuen herauszustellen sowie damit verbundenes Posieren. Aus diesem Grund erfüllen nicht alle der hier gezeigten Fotos den gewohnten Qualitätsanspruch.

Ein weiteres Verbot betrifft die Nutzung von Kraftfahrzeugen. Es gilt, seit sich mit der Markteinführung des relativ preiswerten Ford T-Modells zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr und mehr Menschen ein Auto anschaffen konnten. Amische alter Ordnung lehnten das Auto aufgrund seiner automatischen Mobilität ab, weil es dem Einzelnen erlaubte, einfach wegzufahren und außerhalb des Kontroll- und Sichtbereiches der Gemeinde zu verweilen. Zudem wurde das Auto als unnötiges Statussymbol und weltliches, schnelles Element angesehen und verboten. Anders verhält es sich bei der Nutzung, die bis heute zwar ungern gesehen, aber in Notfällen möglich ist.

*Quelle: Donald B. Kraybill in „Das Rätsel der Amish“ und Wikipedia

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