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Fassade in drei Akten

Knallroter Aluminiumvorhang

Der Neubau der Brechtbühne sorgte in Augsburg und Umgebung für unendlich viel Gesprächsstoff. Dabei hatte es nicht nur um den Standort viele Diskussionen gegeben, sondern auch um die unmittelbar angrenzende alte Spielstätte. Das sanierungsbedürftige Theaterstammhaus musste im Sommer 2010 geschlossen werden, da es die geforderten Sicherheitsstandards nicht mehr erfüllte. In der Folge fanden zahlreiche Aufführungen nur auf provisorischen Bühnen statt. Nach nur siebenmonatiger Bauzeit konnte im Frühjahr 2012 dann ein neuer Spielort eingeweiht werden. Die formschöne Fassade des neuen Theater-Containers Brechtbühne begeistert seither nicht nur die Theaterbesucher, sondern auch zahlreiche Freunde außergewöhnlicher Metall-Gebäudehüllen. Die Fakten rund um den Theaterneubau sowie dessen knallroten Fassadenvorhang sind so dramatisch, dass Namensgeber Bertolt Brecht vielleicht sogar ein Theaterstück in drei Akten daraus konzipiert hätte…

1. Akt

Gut geplant ist halb gebaut. Unter diesem Motto suchte der Augsburger Architekt Gerhard Bestler nach kostengünstigen und in möglichst kurzer Bauzeit umsetzbaren Lösungen – übrigens auch zur Realisierung seiner Fassadenvision. Dabei schwebte dem erfahrenen Baumeister eine Gebäudehülle vor, die zwar wie ein Vorhang aussehen, aber nicht aus Stoff, sondern aus Aluminium bestehen sollte. An der Attika montierte Scheinwerfer könnten diesen Effekt bei Dunkelheit zusätzlich verstärken. Die Idee, einen Bühnenvorhang als Inspirationsquelle zu nutzen, erwies sich als überaus komplex. Auf der Suche nach dem passenden Entwurf erinnerte sich Gerhard Bestler an die Verformungsspezialisten der Krehle GmbH. Vor einigen Jahren erhielt er dort schon einmal Unterstützung bei der Verwirklichung geschwungener Metallbauteile. Kurzerhand besuchte er das Landsberger Unternehmen und stellte sein ungewöhnliches Fassadenkonzept vor. Eine besondere Herausforderung war dabei sein Wunsch, die geschwungenen Aluminiumelemente ohne sichtbare Befestigungspunkte auszuführen. Gemeinsam mit den beiden Krehle-Technikern und Spenglermeistern Patrick Würzinger und Thomas Heumos sowie den Fassadenprofis der Gebler GmbH aus Markt Wald entwickelte er einen rubinroten Aluminiumvorhang mit sensationellem Erscheinungsbild.

2. Akt

Technik, die begeistert, und eine Optik wie ein Theatervorhang – das sind die Anforderungen, die die Fassade der Brechtbühne mit Bravour erfüllt. Sogar der Wunsch des Architekten nach einer unsichtbaren Befestigung der Aluminiumelemente konnte erfüllt werden. Der ausgeklügelte Fassadenentwurf wurde von den Mitarbeitern der Krehle GmbH zur höchsten Zufriedenheit umgesetzt – die Herstellung der Aluminiumelemente sowie der erforderlichen Unterkonstruktion erfolgte ebenfalls in den modernen Fertigungshallen der Landsberger Spezialisten. Dort wurden die Fassadenelemente zunächst gerundet und an zuvor genau definierten Bereichen mit Rückkantungen versehen. Nach der Formgebung wurden an den Elementrückseiten Versteifungen sowie Befestigungsschenkel angeschweißt. An die Kontur des Metallvorhangs angepasst, weisen diese Ausladungen zwischen 50 und 400mm auf. Die Fassadenplatten bestehen aus der Aluminiumlegierung ALMG 3 H22 und sind 3,0mm dick. Ihre Plattengröße variiert zwischen 1500 x 2200 mm und 2000 x 2200 mm. Die vorgefertigten Elemente wurden im RAL-Farbton 3003 pulverbeschichtet und vor Ort in die ebenfalls aufwendig konzipierte Unterkonstruktion eingehängt.

Selbstverständlich erfüllt diese Unterkonstruktion alle Anforderungen der statischen Berechnung sowie der Prüfstatik. Sie besteht aus Aluminium der Legierung ALMG 3 H22 und wurde aus zahlreichen Einzelteilen zusammengeschweißt. Die Befestigung der Aluminiumelemente auf der Unterkonstruktion erfolgte durch ein Z-Profil, das mit punktverschweißten Gewindebolzen (ca. 4000 Stück M8x15) versehen wurde. Beachtlich: Die Schweißqualität jedes einzelnen Gewindebolzens testete die Krehle-Crew mit einem speziell dafür entwickelten Drehmoment-Prüfer. Auch bei der Verschraubung wurde der Faktor Sicherheit groß geschrieben. Sie erfolgte mit Gewindemuttern, wobei jede Gewindemutter mit einem Drehmoment-Schlüssel angezogen und zusätzlich mit Schraubensicherungslack gesichert wurde.

Die Untersicht der Fassade beziehungsweise der Anschluss an die Deckenkonstruktion musste ebenfalls aufwendig an die geschwungene Vorhangkontur angepasst werden. Die Befestigung an den entsprechenden Fassadenelementen erfolgte mit eigens konzipierten Haltewinkeln. Um für eine ausreichende Hinterlüftung der Fassade zu sorgen, wurden zahlreiche Langlöcher in die Abschlussprofile gestanzt. Auch der obere Fassadenabschluss besteht aus einer Aluminiumabdeckung mit einer Deckbreite von ca. 700 mm. Raffiniert: In das geradlinig ausgeführte Attikaprofil wurden Lichtspots zur Ausleuchtung der Fassadenkontur eingelassen.

3. Akt

Ende gut, alles gut? In diesem Falle leider wohl nicht – und das, obwohl die neue Spielstätte in vielerlei Hinsicht einen Mehrwert für den Theaterstandort Augsburg schafft. Einerseits, weil die Brechtbühne so dicht beim Haupthaus steht, dass Einsparungen finanzieller, personeller und zeitlicher Art möglich sind. Andererseits, weil zukünftig durch die im Neubau integrierte Probebühne keine separaten Räumlichkeiten mehr angemietet werden müssen.

Speziell für Freunde hochwertiger Metallarchitektur ist die überaus gelungene Aluminiumfassade zudem eine besondere Attraktion und stellt die Entscheider vor ein zusätzliches Problem. Denn es ist eigentlich unverständlich, dass dieser gelungene und rund 6,5 Millionen Euro teure Theaterneubau in naher Zukunft einem weiteren Neubau weichen soll. Soviel ist jedenfalls sicher: Wäre Bertolt Brecht noch am Leben, hätte er spätestens in zehn oder 15 Jahren, wenn hier vielleicht der letzte Vorhang fällt, ein entsprechend dramatisches Gedicht verfasst.

AUTOR: ANdreas Buck

BAUTAFEL

Architektur: Gerhard Bestler, Ingenieurbüro für das Bauwesen, Augsburg

Fachbetrieb: Gebler GmbH, Dach und Wand, Markt Wald

Fertigung der Fassadenbauteile einschl. Unterkonstruktion: Krehle GmbH, Landsberg am Lech

Plattengröße: 1500 x 2200 mm bzw. 2000 x 2200 mm

Südfassade ca. 200 m2 gerundet ( ca. 64 Stück),

Westfassade ca. 25 m2 gerade

Ostfassade ca. 100 m2 gerade (ca. 40 Stück)

Die Fassadenplatten bestehen aus der Aluminiumlegierung ALMG 3 H22 und sind 3,0mm dick.