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Eine Stunde das Interview, fünf Stunden das Gespräch

Metall bekommt Flügel

Flugreise ins Glück Was kann den Beruf des Handwerkers besser präsentieren als die Flug- bzw. Lebensreise eines jungen Mannes ins berufliche Glück? Der junge japanische Klempnermeister So Iwamato passt so ganz und gar nicht zu den immer noch in den Köpfen verankerten und überholten Vorstellungen eines Handwerkers. Seine Geschichte kann andere junge Menschen ermutigen, die international vielfältigen Chancen des Handwerks zu nutzen – trotz Hürden wie mangelnde Sprachkenntnisse, bürokratische Genehmigungen, kulturelle Unterschiede und soziale Akzeptanz. Sein Vorbild kann den längst überfälligen Imagewandel vorantreiben, der zurecht von dem neu gegründeten iib (Internationaler Interessenbund Baumetalle) gefordert wird.

Suche nach dem Besonderen Aufgewachsen ist Iwamoto eher ungewöhnlich im traditionellen Yokohama, Japan. Seine Mutter ist berufstätig, der Vater bei den Kindern daheim. Genau dieser Umstand prägt ihn positiv, lässt ihn früh flügge werden, erzählt der Klempnermeister stolz. Iwamoto träumt davon, Fußballprofi zu werden. 1992 breitet er als 18-jähriger seine Flügel aus und landet in Deutschland – ohne Sprachkenntnisse wohlgemerkt, nur „Fußball im Kopf“ und „auf der Suche nach dem Besonderen“. Einen Traum zu haben reicht allerdings nicht aus. „Es gehört auch ein starker Wille und viel Glück dazu“, ergänzt Iwamoto augenzwinkernd.

Weiche Landung im Handwerk Mit japanischer Gelassenheit bewertet Iwamoto rückblickend dieses erste Jahr in Deutschland als „gute Flugübung“. Die Realität hatte ihn längst eingeholt: Seine Aufenthaltsgenehmigung läuft aus, sein japanisches Abitur wird nicht anerkannt und mit dem Schussglück im Fußball hat es sich zwischenzeitlich ausgeträumt. Was tun? Iwamatos verzweifelter Blick schweift beim Arbeitsamt kurz aus dem Fenster. Er erkundigt sich neugierig, wer „die Leute mit den schwarzen Cordhosen“ auf dem gegenüber liegenden Dach eigentlich sind? Die Antwort des Berufsberaters (ein eingefleischter Japan-Fan!) beim Arbeitsamt verhindert in letzter Minute die berufliche Bruchlandung und löst seine Probleme: „Das sind Dachdecker und Dächer über dem Kopf brauchen die Menschen immer.“ Die Ausbildungsstelle ist mit unkomplizierter Unterstützung glücklicherweise schnell gefunden. Zum Einstellungsgespräch erscheint und überzeugt Iwamoto im feinen Anzug und das begehrte Visum ist gesichert. So gelingt Iwamoto schließlich eine weiche Landung im Handwerk, ohne Akzeptanz- und Integrationsprobleme, in Köln und Stuttgart. Hier findet er das gesuchte „Besondere“ und verkraftet seine „japanisch-deutsche Einzigartigkeit“, wie er lächelnd zugibt, mit „viel Humor“.

Der Kopf ist nicht zum Fliegen da Ein Problem, ins Handwerk zu wechseln – trotz Abitur – hat Iwamoto nicht. Im Handwerk, so Iwamoto, stellt man sich ohnehin jeden Tag die Frage: Was habe ich geleistet? „Im Handwerk ist sogar für jedermann sichtbar, was man täglich leistet.“ Die japanische Betrachtungsweise und Einstellung dazu ist anders, erläutert Iwamoto. Viele Gewerke gehören dort zu den schönen Künsten. Man begegnet Handwerkern allgemein mit Respekt und Anerkennung und bewundert ihr Können. Die dreijährige Ausbildung vergeht nun „wie im Fluge“. Bald erkennt der Auszubildende Iwamoto, dass es trotz Bedarf an Dächern genügend arbeitslose Dachdecker gibt. Er erinnert sich an einen Satz, den er während seiner nicht ganz traditionellen Erziehung verinnerlicht hat: „Der Kopf ist nicht zum Fliegen, sondern zum Lernen da!“ Deshalb erwirbt er 2007 nicht nur den Meistertitel, sondern auch den Klempnermeister dazu.

Glückskönig der Lüfte Beim Design seines Meisterstücks lässt sich Iwamoto selbstbewusst von seinen japanischen Wurzeln inspirieren. „Das Identifikationsmerkmal ist von hoher Bedeutung, auch nach einer 10-jährigen Gesellenzeit in Deutschland“, sagt Iwamoto. Er wählt das Friedensdenkmal (auch Atombombenkuppel genannt) in Hiroshima und entwirft einen drehbaren Friedenskranich. Den Glückskönig der Lüfte stellt er aus nur einem Stück 0,3-mm-Kupfer her, der über eine Stange mit einem achteckigen Plateau perfekt fixiert ist. Von BAUMETALL-Lesern wird Iwamotos Arbeit zu den neun besten Meisterstücken des Jahres 2009 gewählt – im Rahmen der jährlichen Aktion „Meisterstück des Jahres gesucht“. Mit seinem Können und der Objektschilderung überzeugt Iwamoto anschließend mühelos die fünf Juroren und gewinnt den ersten Preis in der Kategorie Bestes Design (Baumetall 2/10)

Metall bekommt Flügel Im März 2011, unmittelbar nach der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe und dem Atom-Desaster um Fukushima rufen Berthold Zürn (Technischer Außendienst, KME Deutschland AG & Co. KG ) und So Iwamoto (Fachbetrieb Hessel) eine bewundernswerte öffentliche Aktion ins Leben – eben etwas Besonderes, ganz nach dem Geschmack Iwamotos. 1000 Kraniche aus Metall sollen gefaltet und verkauft werden, um anschließend mit dem Erlös bedürftigen Kindern in betroffenen Gebieten zu helfen (Baumetall 2/11). Wer schon einmal versucht hat, ein Origami aus Papier zu falten, weiß zwar die Schönheit der Kunst zu schätzen, aber auch um die Komplexität . Beim XXL-Treffen auf der „Lindau“ am Bodensee im Juli 2011 hat Iwamoto nochmals eine Gelegenheit, den aus 0,2/0,3-mm-Kupferblech gefertigten Kranich vorzustellen. Der Firma Trumpf aus Ditzingen ist es zu verdanken, dass das Metall beim Falten auch wirklich Flügel bekommt. Sie erklärt sich bereit, vorgefräste Vordruckplatten mit Linienführung zu liefern, die das Falten vereinfachen. Zürn und Iwamoto rufen die Teilnehmer auf, bei der Aktion mitzuwirken und diese nach Kräften zu unterstützen. Sie weisen auf den alten japanischen Brauch hin, einen Kranich bei besonderen Anlässen zu verschenken, und reichen ein mitgebrachtes Exemplar des Symbols für Glück und Langlebigkeit herum. Der filigrane Metallkranich beflügelt die XXL-Gäste, die beiden Meister in höchsten Tönen für das Können und ihr Projekt zu loben, und sichert weitere Unterstützung. Die öffentlichen Vorführungen werden dazu beitragen, jungen Menschen den Berufsstand näherzubringen.

Glücklicher Rückflug in die Heimat Gerührt sind beim XXL-Treffen in Friedrichshafen viele Anwesende auch von der Geschichte der japanischen Schülerin Sadako Sasaki (1943-1955), einem Atombombenopfer, die weit über 1000 Kraniche gegen ihre Leukämie-Erkrankung gefaltet hat. Dadurch wird der Vogel zum Symbol der Friedensbewegung und des Widerstandes gegen Atomwaffen und hat einen tragischen Bezug zu den zu erwartenden Folgen der Fukushima-Katastrophe. Japan erlebt seine schwerste Krise seit dem Ende des Krieges. Verständlich, dass es den einzigen Japaner mit Meistertitel in Deutschland gerade jetzt in seine Heimat zieht. Ein Blindflug ist das nicht. Das hohe Risiko ist Iwamoto bewusst, dennoch freut sich Iwamoto gelassen auf den Rückflug und die neue Herausforderung. Spätestens seit Goethe wissen wir: „Und über Flächen, über Seen, der Kranich nach der Heimat strebt“ (Faust).

Viel Glück und weiterhin guten Flug!

AUTORin: andrea eder

Hintergund

1000 Kupferkraniche für Japan

In Japan heißt es: „Falte 1000 Kraniche und ein Wunsch geht in ­Erfüllung.“ Diesem Gedanken folgend initiierten die Herzblut­klempner Berthold Zürn von KME und So Iwamoto vom Fachbetrieb Hessel in Stuttgart eine groß angelegte Aktion. Zwischenstand: Seit dem erstmaligen Aufruf in BAUMETALL-Ausgabe 3/2011 lösen Berthold Zürn und So Iwamoto gemeinsam mit einem Team von Fachleuten technische Details. Schließlich ist die Aufgabe, 1000 Kupfer­kraniche in kurzer Zeit zu falten, eine große Herausforderung, die entsprechend vorbereitet werden muss. Erste Helfer haben sich ­inzwischen gemeldet, um das ehrgeizige Projekt gemeinsam mit Klempnerkollegen aus dem deutschsprachigen Europa zu unter­stützen. Auch die Materialfrage rund um die Herstellung und Lieferung extradünner und faltbarer Metalle wurde inzwischen geklärt. Wer sich an der Aktion aktiv oder logistisch beteiligen möchte, melde sich bitte zeitnah bei: Berthold.Zuern@KME.com oder redaktion@baumetall.de

Falten und Herstellung durch Klempner

Die Kraniche werden aus Aluminium, Kupfer und Zink gefaltet. Folgende Unternehmen unterstützen die Aktion „1000 Kraniche für Japan“ bereits:

  • Forstner
  • KME
  • Nedzink
  • Novelis
  • Prefa
  • Trumpf
  • VM-Zinc

Online-Extra

Faltanleitung/Folding-Instruction: https://www.baumetall.de/


English Version

So Iwamoto flies high

Imagine boarding a plane in Japan at the tender age of eighteen, lifting off in the direction of Germany, with no knowledge of the language or of bureaucratic difficulties, and little more than a vague dream of becoming a professional football player! In 1992, So Iwamoto from Yokohama, did just that and made the most of unexpected chances the trade held in store.

Something special

So Iwamoto considers his untraditional upbringing in Japan as positive. His mother worked, his father stayed at home with the children. He reflects his “independence at a very early age”. Nevertheless, Iwamoto craved to find “something special” in life and left home. Towards the end of his first year in Germany, he realised that it was going to be harder than expected, though he had adapted easily. The situation was desperate. His visa was about to expire, his Japanese A-Levels were not accepted, and to top it all, he was unsuccessful as a football player. “It is not enough to have a dream. One needs a strong will and a lot of luck”, admits Iwamoto. Unwilling to give up, he luckily happened to look out of the window at the job agency soon after. There, he watched “men in black cord trousers” on a roof-top and asked what they were doing. The answer changed his life. He was told they were roofers and people always needed roofs.

Don’t fly! Learn!

Despite the fact he had A-Levels, Iwamoto didn’t consider it a problem to start an apprenticeship. “What have I achieved today?” is the question he asks daily. “A craftsman sees what he does”, explains So Iwamoto proudly. In his opinion, workmanship is definitely “something special”. Three years later he had qualified, but realised jobs were hard to find. His Japanese upbringing helped him at this point. Iwamoto remembered learning in Japan: “Don’t let your thoughts fly, learn instead!” Being strong-willed, he therefore not only qualified as a senior roofer in 2007, but also as a plumber in 2009. The Hiroshima Peace Memorial (Atomic Bomb Dome) in Japan inspired him whilst designing his masterpiece - a revolving peace crane. The bird is made from a single 0,3 mm copper plate and perfectly fixed with a pole to an octagonal plateau. In 2009, BAUMETALL-readers chose this masterpiece as one of the nine best. The jury praised his design knowledge and description. Iwamoto subsequently won the first prize for BEST DESIGN (BAUMETALL 2/10).

Public folding for a good cause

Shortly after the Japanese earthquake and tsunami on 11 March, Berthold Zürn (KME Dutschland AG & Co.KG, Stuttgart) and So Iwamoto (Hessel, Stuttgart) decided to initiate public events in order to help children in stricken areas around Fukushima. They intend to publically fold and sell 1000 origami cranes made from single 0,2 mm -0,3 mm copper plates to raise money for the good cause. It is commonly said that folding 1000 cranes makes a person’s wish come true. They are, therefore, also the perfect gift! In June 2011, both craftsmen displayed an origami metal crane at the BAUMETALL XXL-Meeting in Friedrichshafen, Germany. Those who have tried folding an origami paper crane know how difficult this is. The German company Trump/Ditzingen has made sure the metal wings will fold. Milled plates with lines are ordered to simplify folding. Zürn and Iwamoto called upon the XXL-participants to support the cause in whatever way they can. They both pointed out that public events are a wonderful opportunity to demonstrate the trade to young people. XXL-participants also heard the sad story of Sadako Sasaki, a Japanese girl and victim of the Hiroshima bombing in World War II. As a result of radiation, she had leukemia and folded cranes against her illness. After her death in 1955, the Thousand Origami Cranes became a symbol of world peace.

Cranes lead international lives

Almost all cranes lead “international lives” and know no boundaries. In the light of the Fukushima disaster, it is not surprising that Iwamoto has returned home to Japan in the meantime. He is well aware of the risk involved at present, yet regards his very own “Japanese-German mix” as an advantage with many chances. It now enables him to work for a German company in Japan. The story of the only Japanese plumber with German certificates hopefully motivates young people to make the most of the many international chances the trade has to offer. Iwamoto also serves as a positive example for the new image the recently founded iib (international metalworking association) is demanding and which the trade deserves.

1000 copper cranes for Japan

In Japan they say: „Fold 1000 cranes and your wish will come true.” Berthold Zürn (KME) and So Iwamoto (Hessel), two plumbers who put their whole hearts into the job, initiated a large-scale public project based on this thought. Since first being presented and inviting support in BAUMETALL 3/2011,Berthold Zürn and So Iwamoto have managed to solve technical details together with a team of specialists. It is, after all, a huge challenge to fold 1000 copper cranes in such a short time and this needs appropriate preparation in advance. In the meantime, fellow plumbers have agreed to support the ambitious challenge together with colleagues from other German-speaking countries in Europe. The production and supply issue of extra thin and foldable metal has also been solved. If you are interested in assisting the project actively or logistically, please contact (as soon as possible): Berthold.Zuern@KME.com or redaktion@baumetall.de

Following companies already support the ­project: “1000 cranes for Japan”:

  • Forstner
  • KME
  • Nedzink
  • Novelis
  • Prefa
  • Trumpf
  • VM-Zinc

Autorin

Andrea Eder M.A.:

ist Zeitungswissenschaftlerin und freie Journalistin

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