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Die Wiederentdeckung von Fural

Reißverschluss-Dach

Die Stadt Zürich nahm schulische Umstrukturierungen zum Anlass, die Schulanlagen „Untermoos“ und „Chriesiweg“ instandzusetzen. Vorrangiges Ziel dabei war es, eine kostengünstige Sanierung der Bausubstanz zu erreichen und die Gebäude für eine weitere Nutzungsperiode von mindestens 25 Jahren bereitzustellen. Neben der energetischen Sanierung der gesamten Gebäudehülle, waren auch Arbeiten im Bereich Statik sowie Eingriffe im Innenbereich vorgesehen. Zu beachten war, dass beide Schulanlagen in den 1950er-Jahren aus Architektur-Wettbewerben hervorgegangen waren. Die durch einzelne Gebäudeteile und Innenhöfe geprägte Bauweise galt damals als besonders wegweisend und modern. Heute sind beide Schulanlagen im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte der Stadt Zürich. Das Äußerliche der Gebäude tritt mit Putzflächen, Sichtbeton und Sichtmauerwerk aus rotem Döttinger-Stein markant in Erscheinung.

Der erste Kontakt mit diesen Sanierungsobjekten kam durch eine Anfrage zustande. Der Bauherr wollte wissen, ob uns das Aluminium-Dachsystem Fural bekannt sei und wir dieses möglicherweise wieder herstellen können. In der Tat kannten wir Fural und hatten sogar noch alte Originalrollen für Reparaturen am Lager. Wir sahen uns die Dächer an und prüften den Aufbau anhand einer Probeöffnung vor Ort. Nach einigen Besprechungen mit einem Formenbauer sowie einem Maschinenhersteller sagten wir „Ja“ zur Wiederherstellung von Fural obwohl wir nicht genau wussten, was noch alles kommen würde…

Was ist Fural?

Um den Planern möglichst rasch genauere Angaben zu Fural machen zu können, suchten wir zunächst alle verfügbaren Fakten über das System. Das Fural-Dach ist eine von zahlreichen Erfindungen des Urner Architekten Josef Furrer. Es ist ein im Abstand von 143 mm profiliertes 0,7-mm-Alumanband welches parallel zur Traufe in vormontierte Halter eingerollt wird. Die Profilrippen sind auf einer Seite des Blechbandes auf 70 mm um die Materialdicke verjüngt. Diese Verjüngung hält das Furalband im Klemmhalter auf dem Dach oder der Fassade an Ort und Stelle. Zudem liegt damit die nächste Furalbahn satt und dicht auf. Minimales Kapillarwasser kann eindringen, gelangt jedoch nicht auf die Rückseite des Bleches, sondern trocknet wieder aus. Die Breite des Furalbandes beträgt maximal 570 mm. Im Bedarfsfall kann es (etwa am Firstanschluss) einfach schmaler geschnitten werden. Bei der Bandbreite dienen 70 mm zur Überlappung. Der bekleidete Bereich misst somit 500 mm. Dieses Maß entspricht auch dem Standardabstand der Systemlattung aus 30 x 50 mm Holzlatten.

Die Bezeichnung „Reißverschlussdach“ bezieht sich auf den Einrollvorgang des Blechbandes in den Halter. Die Besonderheit von Fural-Dächern oder -Fassaden besteht in ihrer Montage ohne Verschraubung. Das profilierte Band verkrallt sich durch blosses Abrollen mit der identisch profilierten Unterkonstruktion, sodass keine Bohrlöcher die Dachhaut verletzen und sich die Bahnen in alle Richtungen frei bewegen können.

Vorgehensweise

Je länger wir uns gemeinsam mit den Planern über die Eigenschaften des Fural-Systems austauschten, desto klarer wurde die Absicht, die zu sanierenden Dächer wirklich wieder mit Fural zu bekleiden. Das System war so einfach und logisch – jedenfalls auf dem Papier. Aber wie stellen wir die Dachbahnen, den Halter und die Anschlussbleche in der Praxis wieder her? Parallel zu den Vorbesprechungen wurden Ausschreibungstexte entwickelt und entsprechende Details festgelegt. Verlangt wurden unter anderem eine Beschreibung zur Wiederherstellung von Fural, ein Terminprogramm, Referenzen „alter“ Fural-Objekte, ein Projekt-Organigramm und weitere Daten. Im Vorfeld erhielten wir eine gute Bewertung und wurden schliesslich mit weiteren Firmen zur Angebotsabgabe zugelassen. Doch wie füllt man Angebotsunterlagen aus, wenn man noch nicht genau weiss, wie und vor allem zu welchem Preis man das gesamte Fural-System herstellen kann? Wir trieben die Planungen also unter großem Zeitdruck weiter und gaben schliesslich unser „bestes“ Angebot ab. Glücklicherweise wurde für das notwendige Fural-Werkzeug sowie die Fachplanung ein gesondertes Angebot verlangt. Dies half uns sehr. So konnten wir zusätzliche – nur für diesen Auftrag anfallende – Kosten separat ausweisen und mussten diese nicht auf die Einheitspreise umlegen.

Wir erhielten den Zuschlag für beide Schulanlagen. Damit war der Startschuss für die Reproduktion von Fural und somit für die Fachplanung, die Werkzeug- und Maschinenbeschaffung gegeben. Alle bestehenden Details beider Schulanlagen wurden vermessen und fotografiert. In Absprache mit der Denkmalpflege, dem Heimatschutz, den Planern und dem Bauphysiker wurde der neue Dachaufbau festgelegt. Für jede Schulanlage erstellten wir dann ein Planungsheft mit Details und verglichen diese mit den Originalen aus den 1950er-Jahren. Natürlich mussten diverse Details (besonders umlaufende Blenden) bemustert werden. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Erst nach der Bewilligung aller Details durfte mit dem Abbruch begonnen werden. Erwähnenswert ist an dieser Stelle die stets gute und kooperative Zusammenarbeit mit den Behörden, im Besonderen den Vertretern der Denkmalpflege und des Heimatschutzes.

Wie konnte Fural wieder hergestellt werden?

An dieser Stelle sei erwähnt, dass an der Sanierung das Original-Fural-System und nicht das Fural-New eingesetzt wurde. Letztgenanntes System verfügt über höhere Profilrippen und die Befestigung erfolgt mittels Kunststoffhalter, welche versprödeten und brachen. Fural-New hat sich nie wirklich bewährt und so mussten wir das gesamte System wieder herstellen. Aber wie? Der Terminplan war sehr sportlich. Spärliche Informationen erhielten wir aus unseren Akten und dem Staatsarchiv des Kantons Uri, wo der Nachlass von Josef Furrer liegt. Wenige Fotos und einige Handskizzen waren alles. Wir beschlossen deshalb, das System auf eigene Faust mit einem Formwerkzeug auf einer Presse wieder herzustellen. Vor allem die geforderte Präzision und der Werkstoff Alu machten uns dabei anfänglich schwer zu schaffen. Schliesslich hatten wir das Presswerkzeug, eine neue, computergesteuerte Presse und die notwendige Peripherie, welche tatsächlich ein brauchbares „Fural“ in einem Arbeitsprozess ausspuckte. Wir produzierten Tag und Nacht, um die Termine halten zu können.

Fural-Dachaufbau

Zuerst erfolgte der Abbruch. Fural lässt sich wirklich ganz einfach wieder einrollen. Sind die Randbleche einmal entfernt, geht alles sehr schnell. Dieser Rückbau hat zudem den Vorteil, dass alle Schichten gesondert und artrein entsorgt werden können. Wir brachen alle Schichten bis auf die Betondecke ab. Erstaunlich war für mich, dass bei den x-tausend Quadratmetern nur ganz wenige Stellen nass waren. Meist lagen diese Punkte in der Nähe verstopfter Abläufe. Kapillarprobleme oder andere Undichtigkeiten waren nirgends zu erkennen.

Da die Bauten rasch wieder dicht werden sollten, verlegten wir nach gründlicher Reinigung und Voranstrich des Untergrundes eine selbstklebende Dampfsperre als Bauzeitabdichtung. Als Wärmedämmung verwendeten wir Polyurethan mit Alukaschierung. Das Material hat den Vorteil, dass aufgrund der hohen Festigkeit auf weitere Holzteile als Stützen oder Halter verzichtet werden kann. Ein fugenloses Unterdach bildete zusammen mit der Konterlattung eine weitere Bauetappe. Eine besondere Herausforderung war das mehrdimensionale Schiften der Konter- und Systemlattung. Die Systemlattung ist einer der Punkte, die wir mit der Sanierung verbessert haben. Wir haben das alte Original-Achsmass von 50 cm auf 25 cm halbiert. Jede Zwischenlatte erhielt einen sogenannten Stützhalter. Dieser verhindert, dass die Furalbahnen bei geringer Neigung bzw. grosser Last einknicken. Dieser Fall erfolgt zum Beispiel bei extrem großen Schneelasten oder beim unsachgemässen Begehen. Die Systemlattung muss bei einem Fural-Dach absolut rechtwinklig zur Traufe bzw. zum First verlaufen. Ist die Lattung und somit der Systemhalter erst einmal genau montiert, geht das Einrollen des Daches ganz schnell.

Kehlen und Aufbordungen haben wir – ähnlich wie früher beim Blechdach – ausgefalzt und umgelegt bzw. aufgestellt. Da die Bahnen nur schmal sind, kann die Ausdehnung auch bei An- und Abschlüssen immer noch einwandfrei funktionieren. Für die Anschlüsse stanzten wir die Fural-Profilform aus und kanteten die Bleche entsprechend ihrer Verwendung zu First- oder Brustblechen. So haben wir auch alle Einbauten und Einfassungen ausgebildet. Als Schneefang verwendeten wir ein Alu-T-Profil und konstruierten einen speziellen Klemmhalter. Dies war früher ebenfalls auf diese Weise gelöst worden.

Architektur-Oscar für unser Dach

Wir sind stolz, dass die Wiederentdeckung und die Reproduktion von Fural so gut verlaufen sind. Die Sanierung der Schulanlagen konnte erfolgreich, pünktlich und im Kostenrahmen abgeschlossen werden. Die Sanierung der Schulanlage „Untermoos“ wurden diesen Januar an einer Galaveranstaltung während der „Bau München“ prämiert. Aus 420 Wettbewerbseingaben aus 30 Nationen wurden nur drei Objekte zur Preisverleihung nominiert. Schlussendlich belegten wir bei diesem Preisausschreiben der Architekturzeitschrift „Detail“ den zweiten Rang. Dieser Preis wird oft mit dem „Oscar“ der Architektur verglichen. Dass Fural so gut abgeschnitten hat, erfüllt uns mit Freude und Zuversicht, dass wir noch viele schöne Objekte mit dem Reißverschlussdach realisieren werden.

AUTOR: Stephan muntwyler

BAUTAFEL

Projekt: Instandsetzung der Schulanlagen „Untermoos“ und „Chriesiweg“ in Zürch, Schweiz

Bauherr: Stadt Zürich

Fachbetrieb: Soba Inter AG, Baden-Dättwil, Schweiz

Dachsystem: Fural

Material: Aluminium

Autor

Stephan Muntwyler

Dipl. Techniker TS/HF, Bereichs­leiter Soba Inter AG, Baden-Dättwil

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