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Denkmalschutz setzt auf moderne Produktentwicklungen

Zinnplattierte Bleieindeckung

Bleispezialist Ralf Krings kennt den Aachener Dom in- und auswendig, aber vom Blick auf die Kathedrale bekommt er einfach nicht genug. Aus allen Perspektiven sind die Ergebnisse seines handwerklichen Könnens sichtbar. Der Fachbetrieb Krings konzentriert sich seit 1856 auf die Instandsetzung von Sakralbauten und historischen Gebäuden, aber vor einer solchen Herausforderung standen die Fachleute aus Baesweiler noch nie.

Die über 1200 Jahre alte Kathedrale weist besondere Baumerkmale auf, die Dombaumeister Helmut Maintz und den beauftragten Fachbetrieb vor eine schwierige Aufgabe stellten. Auf kaum einer Baustelle sind die Anforderungen so vielfältig und anspruchsvoll wie am Aachener Dom. Ein erhaltenswerter Holzdachstuhl, kräftige Fallwinde und starke Schwitzwasserbildung unter dem Dach stellen höchste Ansprüche an die Werkstoffe und das handwerkliche Können. Das Material sollte kulturhistorisch zum Gebäude passen und technische Anforderungen erfüllen, die zum Zeitpunkt der Erbauung noch unbekannt waren. Gesucht wurde ein Baustoff, der nach außen extrem witterungsbeständig und gleichzeitig nach innen sehr korrosionsresistent ist. Die Wahl fiel nach gezielter Beratung durch die Gütegemeinschaft Bleihalbzeug e.V. auf zinnplattiertes Saturnblei. Damit entschied sich Dombaumeister Maintz für einen Traditionswerkstoff mit Innovationskraft, der eine Brücke zwischen Klassik und Moderne schlägt. Bei zinnplattiertem Saturnblei wird das handelsübliche Saturn-Walzblei nach DIN EN 12588 mit einem Zinnblech aus Reinzinn bewalzt. Bei der Aufwalzung entsteht eine metallische Verbindung analog zum Reibschweißen.

Bekannt für neue Maßstäbe

Die weltbekannte Kathedrale hat schon immer mit innovativen Lösungen geglänzt. Seit über 1200 Jahren schätzen die Dombaumeister den Einsatz zukunftsweisender und dauerhafter Materialien. Bereits beim Bau des Oktogons importierten sie auf Ochsenkarren antike Marmorsäulen aus Rom, Ravenna und Köln nach Aachen. Diese wurden ebenso wie die ursprüngliche Bleieindeckung des über 31 m gewölbten und mehr als 15 m gespannten Kuppeldaches im Jahre 1794 von Napoleons Truppen geplündert. Erst 1803 erfolgte eine Schiefer-Neueindeckung der Kathedrale, doch durch den sogenannten Eifelföhn verursachte Fallwinde, hoben die Dachschindeln immer wieder an und setzten den historischen Holzdachstuhl des Oktogons der Witterung aus. Dieses Problem bekam man bis in die Neuzeit nicht in den Griff.

Die Demontage der erst 1990 auf einer Trennlage verlegten Oktogoneindichtung im Bereich der Laterne, die aus Blei bestand, brachte weißliche Einfärbungen an dem Werkstoff zum Vorschein: ein deutliches Zeichen für Korrosion, verursacht durch langzeitig einwirkendes Wasser, das zwischen Bleieindeckung und Trennlage festgehalten wurde. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein: Niederschlags- oder Schmelzwasser, das durch die Falze eindringt oder Tauwasser durch Diffusionseinwirkung bei starken Temperaturunterschieden. Auch Kondenswasser kommt am Aachener Dom häufig vor. Ursache dafür ist die Innenraumheizung des Gebäudes. Aufgrund der über 1000 m² großen Fensterflächen droht dem Kirchenschiff eine starke Auskühlung. Über die Innenraumheizung wird die Temperatur auch im Winter bei konstanten 13 Grad gehalten.

Korrosionsgefahr

Korrosionsschutz gegen das Schwitzwasser durch eine Patina zu gewährleisten ist nicht möglich, denn die Patina benötigt Regenwasser, um überhaupt entstehen zu können. Kondenswasser, das destilliertem Wasser in Aggressivität gegenüber Baumetallen sehr ähnlich ist, kann das Blei zerstören. Da Blei sehr weich ist, kommt auch die Anwendung einer kapillarbrechenden Trennschicht (strukturierte Trennlage) nicht in Frage, denn das Wirrgelege hinterließe deutlich sichtbare Abdrücke an der Bleioberfläche. Auch die direkte Verlegung auf der Holzeinschalung kam für Dombaumeister Maintz nicht in Frage. Diese Lösung hätte den Werkstoff unmittelbar dem durch die Innenraumheizung verursachten Tauwasser ausgesetzt.

Innovativer Denkmalschutz dank Kirchenblei

Die Innovation Kirchenblei, so der Markenname des mit Zinn plattierten Saturnbleis, steht für eine erhöhte Korrosionsbeständigkeit, effiziente Belüftungsmöglichkeiten und nicht zuletzt kulturhistorische Vertretbarkeit. Die Zinnplattierung auf der Unterseite macht das Walzblei wesentlich beständiger gegen Kondenswasser und Korrosion im Innenraum. Versuchssimulationen für den Zeitraum von 30 Jahren prognostizieren dem Werkstoff diesbezüglich Schadensfreiheit. Eine maximale Sicherheit lässt sich durch eine Verwendung der Zinnplattierung ergänzend zu einer Trennschicht erreichen. Ist die vorhandene Schwitzwasserkorrosion nur minimal, so kann das zinnplattierte Saturnblei kosteneffizient auf der bereits vorhandenen Konstruktion verlegt werden. Die unkomplizierte Verarbeitung und einfache Formbarkeit von Saturnblei garantieren unauffällige, aber effiziente Möglichkeiten der Belüftung des Dachstuhls. So kann die feuchte Luft nach außen transportiert und Schwitzwasserkorrosion weitestgehend vermieden werden. »

Neuer Markt für Traditionswerkstoffe

Gerade für Traditionswerkstoffe eröffnen sich breite Anwendungen im Markt. Denkmalschützer sind auf Produkte angewiesen, die einerseits das historische Erscheinungsbild und den kulturhistorischen Wert eines Baudenkmals erhalten und auf der anderen Seite die technischen Herausforderungen der Gegenwart flexibel meistern können. Ein endgültiges Fazit kann laut Helmut Maintz erst in 30 oder 40 Jahren gezogen werden. Der Dombaumeister: „Wir suchen alle Werkstoffe aufgrund langer Planungszeiträume sehr sorgfältig aus.“ Mittlerweile empfiehlt sich das Kirchenblei schon für einen breiten Praxiseinsatz. Auch der Magdeburger Dom wurde mit dem zukunftstauglichen Werkstoff eingedeckt. Bleispezialist Ralf Krings brachte das Produkt inzwischen auf weiteren historischen Gebäuden zur Anwendung. Er resümiert: „Die Reaktionen sind durchweg positiv“.

Fotos: Gütegemeinschaft Bleihalbzeug e.V. und Philipp Pertermann

Bautafel

Bauherr: Domkapitel Aachen

Leitender Fachplaner: Dombaumeister

Dipl.-Ing. Helmut Maintz

Verarbeiter: Krings Bedachungen, Baesweiler

Material: Zinnplattiertes Walzblei, 2,5 mm

Materialhersteller: Saturnblei, Kontakt über Gütegemeinschaft Bleihalbzeug e.V., Krefeld

Walzblei-Schulungen

Gute Ergebnisse dank klarer Regeln

Für die Einsatzfelder von Walzblei gibt es klare Regeln und Faustformeln, die sich in der Praxis bewährt haben. Gemeinsam mit ZVDH und ZVSHK hat die Gütegemeinschaft Bleihalbzeug e.V. ausführliche Verarbeitungshinweise im Handbuch „Technische Regeln“ dargestellt. Im Rahmen von zweitägigen Walzblei-Schulungen lassen sich Anwendungstechniken gezielt einüben und Erfahrungen mit Gleichgesinnten austauschen. Kleine Kniffe machen häufig einen großen Unterschied. Schon einfache Handgriffe oder Anwendungstipps können das Endergebnis entscheidend verbessern. Vom richtigen Zuschnitt, über die optimale Anschlusstechnik bis hin zur Nachbehandlung mit Patinieröl: Die sichere Verarbeitung von Walzblei ist umfassend geregelt. Obendrein lernen Handwerker, mit dem Traditionswerkstoff noch wirtschaftlicher zu arbeiten.

Ab kommenden Herbst finden wieder Schulungen an renommierten Ausbildungsstätten im ganzen Bundesgebiet statt. Zudem werden auch mobile Schulungen angeboten, die eine praxisgerechte Weiterbildung vor Ort ermöglichen. Interessenten können sich schon jetzt unter https://saturnblei.de für neue Termine vormerken lassen. Ebenfalls online sind die technischen Regeln und weitere Fachliteratur zu bestellen.

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