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Dachsanierung der Mennonitenkirche in Norden

Geschwungene Bleihaube für Ostfriesland

Alle können stolz sein: Stadt, Denkmalamt, Bauherr, Architekt und ausführender Fachbetrieb. Die erfolgreiche Sanierung der Mennonitenkirche im ostfriesischen Norden setzt Zeichen weit über die Region hinweg. Das kunstvolle Bauwerk mit seiner sehenswerten Rokoko-Deckenmalerei ist Wahrzeichen und religiöse Begegnungsstätte in einem. Der herausragenden Bedeutung des Gebäudes wurde bei der Auswahl der Baustoffe für die umfangreiche Sanierung Rechnung getragen: Eichenholz, Blattgold und Blei lassen das Gebäude heute wieder in altem Glanz erstrahlen. Besonders der Einsatz von Saturnblei hat dazu beigetragen, dass das Gesamtergebnis höchsten funktionalen und ästhetischen Ansprüchen gerecht wird.

Die Mennonitenkirche blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Der dreiflügelige Bau am Nordener Marktplatz wurde 1662 als Privathaus erbaut. Im Jahre 1796 erwarb die Mennonitengemeinde das lang gestreckte palaisartige Wohnhaus im niederländischen Stil. Man verkaufte die Bleideckung des Tonnendaches, um mit dem Erlös das Wohnhaus um zwei seitliche Flügel und einen gartenseitigen Anbau zu erweitern. In seiner Funktion als Kirchenraum wurde er 1901 mit einer für Mennonitengemeinden unüblichen Schablonenmalerei verziert, die dem Gebäude seinen besonderen Seltenheitswert verleiht. Im Laufe der Jahrzehnte machte sich das Fehlen der ursprünglichen Bleieindeckung zunehmend bemerkbar. Zahlreiche Lecks an Anschlusspunkten und in schwer zugänglichen Bereichen ließen sich durch Reparaturarbeiten nicht mehr effektiv schließen. Dadurch kam es im Dachbereich zu fortschreitendem Zerfall. Ein Gutachten des Monumentendienstes bescheinigte schließlich Moderfäule und Wurmbefall an tragenden Balken und Krömmern. Eine Erhaltung der historischen Bausubstanz war nur im Rahmen einer umfassenden Dachsanierung möglich. Unverzügliches Handeln war geboten.

Lösungen mit Weitblick

Dachdeckermeisterin Petra Schnell war sofort Feuer und Flamme, als sie die erste Anfrage für das Projekt erreichte. Schließlich gilt die Mennonitenkirche als einer der bedeutendsten Sakralbauten im Nordwesten Deutschlands. Schon in jungen Jahren entdeckte die Emdenerin ihre Vorliebe für alte Kirchenhäuser. Bereits mit 21 Jahren stand sie auf den Spitzen des Kölner Doms und wirkte als erste Frau in der 750-jährigen Geschichte der Kathedrale bei Bleidacharbeiten mit. Heute ist sie Geschäftsführerin eines mittelständischen Familienunternehmens in Emden und hat sich auf Denkmalpflege spezialisiert. „Der besondere Reiz im Denkmalschutz liegt in der Vielfalt der Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten“, sagt Petra Schnell aus Überzeugung. „Gerade Bleiarbeiten machen besonders viel Spaß, weil der Werkstoff universell einsetzbar und extrem haltbar ist.“

Durch seine gute Verformbarkeit ist Walzblei bei Handwerkern im Allgemeinen sehr beliebt. Dadurch lassen sich selbst komplizierte Anschlüsse und anspruchsvolle Details objektgerecht gestalten. Sein hohes Eigengewicht verleiht dem Metall zudem hohe Sturmsicherheit. Dies schützt Eindeckungen vor Fallwinden und heftigen Wetterkapriolen. Die Summe dieser Vorteile überzeugte schließlich auch die Mennonitengemeinde in Norden: Im Rahmen der Sanierung sollte die ursprüngliche Bleieindeckung neu entstehen.

Aus Teilen wird ein Ganzes

Der Ablauf des Bauprojektes wurde detailliert und straff geplant. In enger Zusammenarbeit mit Denkmalschutzbehörde und Monumentendienst sanierte das Team von Dachdeckermeisterin Petra Schnell zunächst die hölzerne Dachkonstruktion. Die Spezialisten waren besonders bemüht, die historische Substanz so weit wie möglich zu erhalten. Neue Krömmer aus Eichenholz wurden in den Niederlanden beschafft und in aufwendiger Maßarbeit eingepasst. Anschließend wurde die Vollholzschalung aus Nadelholz gründlich überholt und eine atmungsaktive Schalungsbahn aufgebracht. Mithilfe dieser Trennlage wurden optimale dachklimatische Verhältnisse geschaffen. Unterdessen rollte tonnenweise Saturnblei per Laster in Richtung Emden. Den größten Anteil davon bildeten Bleitafeln, so genannte Schare, mit einem maximalen Zuschnitt von 1600 x 700 mm. Rund fünf Tonnen waren für den oberen Teil des Daches als beständige Außenhaut bestimmt. Etwa eine weitere Tonne Blei wurde für größere Zuschnitte an Schornstein und Schornsteinhaube und als Bleiwolle eingesetzt.

Klempnerabteilung für traditionelle Klempnertechnik

Nach Abschluss der Zimmerarbeiten wurden die 2,5 mm starken Schare Stück für Stück auf der Vollholzschalung über der Trennlage befestigt. Sie wurden dabei längsseitig 80 mm beziehungsweise 100 mm gegeneinander aufgekantet und als einfacher Stehfalz mit Kupferhaften ausgebildet. Anschließend legten die Klempner von Schnell den Stehfalz als Hohlwulst mit zirka 40 mm um. Die Querfalze wurden mit einer Überlappung von etwa 150 mm gearbeitet, und das obere Ende zweireihig mit Kupferbreitkopfnägeln befestigt. Im nächsten Arbeitsschritt wurde ein Z-förmig gekanteter Kupferhaft aufgebracht und die nächste Schar mit einer Abkantung als einfacher Liegefalz eingehängt. Schließlich wurden die Verwahrungen an Grat und First auf gerundeten Holzleisten aus Lärchenholz umgelegt. Die Gestaltung des Tonnendaches mit Hohl- und Holzwulst gewährleistet eine Optik, die in Anlehnung an historische Vorbilder ästhetische Strenge und großzügige Ruhe kombiniert.

Schlag um Schlag zum Ziel

Die größte Herausforderung für die Blei-Spezialisten war die fachgerechte Gestaltung der Hohlwülste. Bei der Bearbeitung des leicht biegbaren Walzbleis war Feingefühl gefragt, um eine einheitliche Formgebung zu erzielen. Gerade an Knickstellen darf das Material nicht zu dünn werden, da sich ansonsten Risse bilden können. „Grundlage für ein optimales Ergebnis ist ein gezielter und gleichmäßiger Schlag“, weiß Petra Schnell. Um das Risiko von Rissbildungen zu minimieren, verwendet die Handwerkerin schon seit Jahren ausschließlich hochwertiges Walzblei mit dem Gütesiegel „Saturnblei“. Da sich Walzblei am besten in handwarmem Zustand verformen lässt, bedienten sich die Spezialisten eines altbewährten Tricks: Die Falzarbeiten wurden jeweils in den Bereichen vorgenommen, auf denen gerade die Sonne stand.

Besonders anspruchsvoll gestaltete sich die Verwahrung der Holzstützen am Dachreiter. Dabei wurde die Überhangleiste in die Stützen eingefräst und die Nut so mit Bleiwolle verdichtet, dass kein Wasser in die Konstruktion eindringen kann. Da sich die tonnenschwere Konstruktion aus Holz und Blei naturgemäß nach einiger Zeit etwas setzte, mussten die Hohlwülste nach Abschluss der Eindeckarbeiten sorgfältig nachgezogen werden. Das Ergebnis: Ein formschönes Bleidach mit einer ästhetischen Prägung in Material, Struktur und Farbe, das dem ehrwürdigen Gesamteindruck der Mennonitenkirche besonders gut gerecht wird.

Fazit

Im Denkmalschutz finden Handwerker häufig unsachgemäße Ausführungen vor. An Dach und Fassade zeigen sich viele Folgeerscheinungen erst nach Jahren, dafür aber umso schwerwiegender. Die Sanierung der Mennonitenkirche in Norden belegt, dass bewährte Traditionsprodukte wie Walzblei nach wie vor erste Wahl sind. Zu traditionellen Werkstoffen bieten sich auch unter modernen Gesichtspunkten kaum Alternativen. Walzblei gewährleistet durch seine besonderen Eigenschaften hohe Funktionalität und ansprechende Optik in ganz unterschiedlichen Anwendungen. Dies garantiert eine hochwertige Gesamtlösung von hoher Beständigkeit.

Bautafel

Bauherr: Mennonitengemeinde, Norden

Leitender Planer: Dipl.-Ing. Detlef Böttcher, Hinte-Loppersum

Fachbetrieb: Dächer von Schnell GmbH, Emden. Dem 1972 gründeten Dachdeckerfachbetrieb wurde 1991 eine Bauklempner-Fachabteilung angegliedert. Geschäftsführerin und Dachdeckermeisterin Petra Schnell ist gelernte Klempnerin sowie Landessiegerin der Handwerksjugend im Klempnerhandwerk.

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