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Blei-Marathon

Präzisionsarbeit im großen Stil

Die Detailvielfalt der Fassade ist kaum zu überbieten. Formenreiche Ornamente, filigrane Gesimse sowie feingliedrige Vorsprünge und Säulen. Die Gesamtfassade ähnelt im Aufbau dem Inneren einer Kathedrale. Und auch in ihrer Ausschmückung steht die Stirnseite des oberbayerischen Regierungssitzes einem Sakralbau in nichts nach. Eine grundlegende Sanierung des Gebäudes war über Stadt und Region hinaus von großer Bedeutung. Denn das Regierungsgebäude an der Maximilianstraße in München ist nicht nur Verwaltungsgebäude, sondern auch Kulturdenkmal. Die rund 180 m lange und 29 m hohe Schaufront gilt als eine der größten Terrakottafassden weltweit. Zudem ist sie ein Paradebeispiel für den „Maximilianstil“, einen Architekturstil, der sich durch eine lockere Mischung unterschiedlicher Baustile auszeichnet. An der Terrakottafassade finden sich so sowohl gotische als auch romanische Gestaltungselemente.

Schutz für Flächen und Details

Gerade Kulturdenkmäler erfordern einen zuverlässigen Schutz. Die detailreiche Terrakottafassade des Regierungsgebäudes ist besonders anfällig für Witterungsschäden. Viele exponierte Stellen sind direkt Wind und Wetter ausgesetzt. Im Laufe der Jahrzehnte entstand ein erhebliches Schadenbild an den Fassadenelementen aus Terrakotta und Betonstein. Von 1999 bis 2009 wurde die Fassade umfassend saniert. Rund 60000 Terrakottasteine wurden dabei ausgewechselt oder restauriert. Zudem wurde die statische Verankerung erneuert.

Bei der Abdeckung von Gesimsen und Dachflächen griffen die Bauverantwortlichen auf den Werkstoff Walzblei zurück. Gerade bei den kleinteiligen Gesimsen mit vielen Ecken und Kanten war ein anpassungsfähiger und gut zu verarbeitender Baustoff gefragt. „Wir haben eine gute und elegante Anschlussmöglichkeit an die stark geformten Terrakotten gesucht“, sagt Egon Kunz vom beauftragten Büro „Egon Kunz Architekten“. „Der Einsatz von Walzblei bietet im Vergleich zu anderen Metallabdeckungen entscheidende Vorteile.“ Zudem schützt der Traditionswerkstoff Fassaden und Dächer sicher und dauerhaft vor Witterungseinflüssen. Nicht zuletzt spielten auch ästhetische Gesichtspunkte eine Rolle: „Durch die matte, dunkelgraue Oberfläche ist der Alterungsprozess bei Blei praktisch schon mit eingebaut“, betont der verantwortliche Architekt. „In Zusammenhang mit der optischen Erscheinung der Terrakottaoberflächen ergibt dies ein denkmalpflegerisch ansprechendes Erscheinungsbild.“

Die Sanierung vollzog sich in fünf Bauabschnitten. Dabei wurden pro Etappe eine oder mehrere Achsen der Fassade erneuert. An jeder Achse wurden die Gesimse auf drei Ebenen mit Walzblei eingedeckt: am oberen Dachabschluss, an den Akroterien sowie in zwei Reihen unterhalb der Fenster. Daneben erhielten die Dachflächen auf zwei Türmen eine Bleieindeckung. Insgesamt verbauten die Handwerker rund 450 Quadratmeter Walzblei. Wichtige Ausführungen an Dach und Fassade übernahm die Spenglerei Leib aus Moorenweis, westlich von München. Geschäftsführer Hubert Leib und sein Team übernahmen die Sanierung von zwei Gebäudeachsen. „Insgesamt verbrachte unser Team rund 1.500 Stunden auf der Baustelle“, sagt Hubert Leib. Die Sanierung nahm insgesamt einen Zeitraum von einem Jahr in Anspruch.

Turmeindeckung nach Maß

Die Arbeiten begannen am östlichen, sechseckigen Turm, der eine Kupferskulptur auf einem Stahlbetonsockel trägt. Im Bereich der Skulptur ersetzten die Handwerker zunächst die bestehende Nadelholzschalung durch eine 40 Millimeter dicke rohe Fichtenschalung. Darauf wurde eine Trennlage verlegt. Um Unebenheiten auszugleichen und eine Luftschicht unter der Bleidecke zu schaffen, verlegten die Klempner zusätzlich eine Drainmatte. An den Traufen brachten die Handwerker ein rund gekantetes Edelstahlblech an, das als Einhangblech für die folgende Bleideckung diente. Die Rundwulste wurden im Prägebiegeverfahren an einer Abkantmaschine gekantet. Bei diesem Verfahren werden mit jeweils zwei Millimetern Abstand kleine Kantungen in das Blech geprägt, die einen Rundwulst entstehen lassen.

Anschließend deckten die Handwerker die Turmdachfläche von insgesamt 42 Quadratmetern mit Blei ein. Die Verbindungen führten sie als Doppelstehfalze mit einer Höhe von 3,5 Zentimetern aus. Die Bleiplatten wurden vor der Verlegung, nach der Verlegung und nach dem Verfalzen mit Patinieröl bearbeitet. Dadurch konnte eine gleichmäßige Ausbildung der Patina gewährleistet werden. Im Bereich der Skulptur bauten die Klempner ein Labyrinth-Entlüftungssystem ein, das eine Luftzirkulation ermöglicht. Am Gratbereich wurden Holzleisten eingelegt und mit einer Abdeckkappe aus Blei versehen. Den Anschluss an den Sockel der Skulptur verdichteten die Handwerker mit Bleiwolle.

Fassaden-Abdeckung

Eine besondere Herausforderung stellten die Gesimsabdeckungen an der Fassade dar. Die Spenglerei Leib wurde mit der Blei-Einkleidung von drei Gesimsreihen mit einer Länge von jeweils 32,5 Metern beauftragt. Dabei musste mit größter Vorsicht vorgegangen werden. Terrakottasteine sind innen hohl und platzen bei falscher Behandlung schnell. Deshalb wurde für diese sensiblen Arbeiten zusätzlich die Allgäuer Restaurationswerkstatt Dr. Pfanner engagiert. Die Steinmetze bohrten ohne Schlageinstellung der Bohrmaschine vorsichtig Löcher in die Fassade. Dann befestigten sie vorgekantete Edelstahlbleche mit 2-Komponenten-Kleber auf dem restaurierten Untergrund.

Walbzlei-Gesimse

Im nächsten Arbeitsschritt wurden die Klempner tätig. Sie verlegten wiederum als Untergrund eine Trennlage und Drainmatte, um dann am Traufbereich Einhangbleche mit Rundwulsten einzubringen. Anschließend falzten die Klempner die Bleibleche ein. Die Stöße der einzelnen Bleibleche führten sie mit C-Treibschiebern aus, damit das Blei ausreichend Dehnungsspielraum hat. Die Gratstöße der Gesimsabdeckung wurden mit einem feinen Brenner im Bleischweißverfahren verbunden.

Viel Fingerspitzengefühl war auch bei der Abdichtung der Anschlüsse gefragt. Die hohe Empfindlichkeit der Terrakottasteine musste beim Verstemmen der Bleiwolle bedacht werden. „Bleiwolle dehnt sich beim Verstemmen stark aus und übt Druck auf die Terrakotten aus“, erklärt Spengler- und Dachdeckermeister Leib. Daher mussten die Handwerker auch bei den folgenden Schritten sehr behutsam vorgehen. Zunächst legten sie die Bleiwolle lose in die Fuge ein und verstemmten sie leicht mit einer Art Meißel. Nachdem eine Grundfüllung an Bleiwolle in der Fuge war, stemmten sie diese Schicht für Schicht aus, bis die gewünschte Stärke erreicht war. Die fertige Fuge wurde mit einer stark erhitzten Spachtel leicht abgezogen und somit versiegelt. So entstand eine gleichmäßige Optik.

Wenn die Ausnahme zur Regel wird

Charakteristisch für das gesamte Bauprojekt waren die vielen kleinteiligen Anschlüsse, Ecken und Kanten. „Das längste einteilige Gesimsstück war gerade mal 86 Zentimeter lang“, berichtet Hubert Leib. Ein Großteil der insgesamt 5,3 Tonnen Walzblei, den sein Team verarbeitete, bestand demzufolge aus kurzen, individuell zugeschnittenen Blechen. Jedes einzelne Blech wurde an der Vorderkante an einem Rundwulst befestigt. In der Mitte wurden die Bleche mit einer Dehnungsfuge versehen, um eine Ausdehnung des Materials zu gewährleisten. Mit viel Präzision musste auch die zweireihige Taubenabwehr auf den Gesimsen angebracht werden. Hierzu wurden die Halterungen für das Seilsystem an der Unterseite verzinnt und anschließend auf den Bleiblechen aufgelötetet. An den zahlreichen Halterungen montierten sie schließlich den Spezialdraht.

Inzwischen sind die Sanierungsarbeiten am Regierungssitz von Oberbayern komplett abgeschlossen und das rundum erneuerte Gebäude wurde festlich eingeweiht. Durch die Sanierung wirkt das Kulturdenkmal zeitlos schön. Die prachtvolle Front mit ihren vielfältigen Verzierungen ist für die nächsten Jahrzehnte vor schadhaften Einflüssen geschützt. Neben einer gezielten Materialwahl ist dies nicht zuletzt dem fachlichen Geschick der Handwerksunternehmen und Fachbetriebe zu verdanken.

BAUTAFEL

Projekt: Fassadensanierung am Regierungsgebäude in München

Bauherr: Regierung von Oberbayern

Projektsteuerung: Staatliches Bauamt München I

Planungs- und Bauleitung: Egon Kunz Architekten, Neusäß

Muster und Musterachse unter Akroterien: Fachbetrieb Jakobs, Hennef

Material: Walzblei 2,5 mm

Marke: Saturnblei, Krefeld

Ausführender Fachbetrieb: Leib GmbH, Spenglerei und Bedachungen, Moorenweis und andere

Hintergrund

Meisterwerk im Auftrag des Königs

Ein Prachtbau in bester Lage sollte es werden: das Gebäude für die Königliche Regierung von Oberbayern auf der Münchner Maximilianstraße. Durch gezielte Sanierungsmaßnahmen ist das über 150 Jahre alte Bauwerk auch heute noch ein architektonischer Blickfang.

Mitte 19. Jhd. Auftrag an den Architekten Friedrich Bürklein durch König Maximilian II. zum Bau eines neuen, zentralen Gebäudes für die Königliche Regierung von Oberbayern

28.11.1856 Grundsteinlegung am 45. Geburtstag des Königs

1864 Erstbezug des Regierungsgebäudes

1944 Zerstörung des Gebäudes bei Bombenangriffen, Beschädigung der Fassade

1948 Beginn des Wiederaufbaus, Einsatz von Betonsteinen als Ersatz für die zerstörten Terrakotten der Fassade

1953 Abschluss der Wiederaufbauarbeiten

ca. 1980 Feststellung von Schäden an der Fassade aufgrund von Witterungseinflüssen und der ergänzten Betonsteine

ca. 1990 Sanierung einer Musterachse, Entwicklung eines Sanierungskonzepts

1999 Beginn der Sanierungsarbeiten

2009 Abschluss des fünften und letzten Bauabschnitts der Sanierung

Bildquellen: Regierung von Oberbayern (Gesamtansicht) Leib GmbH (alle weiteren Fotos)

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