Der Himmel über Stuttgart ist aus Edelstahl – zumindest im Stadtteil Zuffenhausen. Genauer gesagt am Porscheplatz und noch präziser: an der Porsche-Museums-Decke. Oder ist es gar der Porschehimmel selbst, den man in Zuffenhausen sehen kann? Tatsächlich staunen die Museumsbesucher bereits vom ersten Augenblick, an dem sie das futuristische und nur auf drei Säulen ruhende Gebäude erblicken. Fast scheint es, als schwebe das Museum über Schwaben. Eine aus über 15 000 hochglanzpolierten Edelstahlrauten bestehende Decke verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Das akkurate 10 mm breite Fugenbild der 1150 x 600 mm großen Rauten löst sich mit entsprechendem Betrachtungsabstand auf und vermittelt den Eindruck homogener Flächendynamik. Stellenweise kragt der „Edelstahlhimmel“ bis zu 50 m weit aus oder ist bis zu 60 m frei gespannt. Aufgrund dieser Dimensionen muss die Deckenkonstruktion einschließlich der dahinterliegenden, gigantischen Stahlträger in der Lage sein, auftretende Bauwerksbewegungen von bis zu 8 cm unbeschadet aufzunehmen. Gleiches gilt für die auf etwa 6200 m² ausgedehnte Edelstahl-Rautendecke. Darüber hinaus kommt die Rauten-Konstruktion der Realisierung unterschiedlicher Deckenverläufe mit noch unterschiedlicheren Neigungen und Winkeln optimal entgegen.
Rotierende Lasermessung für wiederholbare Ergebnisse
Bei der individuellen Gebäudegestaltung gewinnen zunehmend sogenannte Freiformflächen an Bedeutung. Der konstruktive Aufwand ist sowohl im Bereich der Tragstruktur als auch bei der Fertigung der Bekleidungselemente enorm. Um derartige Freiformen als hochwertige, geschlossene und ebenmäßige Fassaden- oder Deckenflächen entstehen zu lassen ist entsprechendes Know-how unentbehrlich. Ferner sind bei der Fertigung sowie der Montage Hightechsysteme gefordert. In enger Zusammenarbeit mit Porsche, dem Wiener Büro Delugan Meissl Associated Architects und dessen Partner Dipl.-Ing. Martin Josst entwickelte der beauftragte Spenglerfachbetrieb Lummel GmbH & Co. KG aus Karlstadt in Unterfranken die patentierte Drehteller-Montagetechnik des hauseigenen Unterkonstruktionssystems weiter. Ziel war es, die Details der Edelstahl-Decken-Konstruktion sowie deren Anschlusspunkte so exakt wie möglich umzusetzen, wobei das Rautenbild an Anschluss- und Gefälleknickpunkten nicht unterbrochen werden durfte. Um Bautoleranzen auszugleichen und dennoch die 10 bis 50 m weit auseinanderliegenden Referenzpunkte sicher zu „treffen“, arbeiteten die Metallprofis aus Karlstadt mit Rotationslasergeräten. Lummel-Bauleiter Ronny Schmidt: „Unsere Lasermessgeräte befestigten wir mithilfe eines eigens angefertigten Konsolensystems direkt an der Deckenkonstruktion. Wir platzierten die Rotationslaser somit erschütterungsfrei, was bei Arbeiten auf Gerüstpodesten von unschätzbarem Vorteil ist. Zudem waren alle Messergebnisse wiederholbar – eine wichtige Grundvoraussetzung zur exakten Ausrichtung der Rauten und des Fugenbildes“.
Es ist angerichtet – Befestigung per Tellersystem
Als primäre Unterkonstruktion wurden, dem Rautenmaß entsprechend, tellerförmige Befestigungsvorrichtungen auf den Stahlprofilen der Tragstruktur platziert. Die sogenannten Befestigungsteller verfügen über mindestens ein Verriegelungselement, mit welchem die Rautenelemente sicher justiert, gehalten und sogar einzeln wieder gelöst werden können. Ermöglicht wird diese dreifache Funktion über eine, auf dem Gewindebolzen aufgeschraubte Gewindehülse. Eine Konterschraube erlaubt die exakte sowie drehfeste Fixierung in axialer Position, ohne die Gleitlagerintegration des Systems zu beeinträchtigen. Um bei der Platzierung der „Teller“ stets das richtige Rautenraster aufzunehmen, fertigten die Spengler aus Karlstadt lange Metallschablonen an, die das mühselige Einmessen einzelner Punkte überflüssig machten. Durch diesen Trick genügte ein, sich wiederholendes und auf der Unterkonstruktion aufgezeichnetes, Referenzliniensystem zur Orientierung.
Die fertige Edelstahldecke beeindruckt aus Spenglersicht vor allem durch die hohe Präzision. Zu Recht spricht Geschäftsführer Georg Lummel von „Verarbeitungstechnik im Grenzbereich des Machbaren“. Wichtig war jedoch nicht nur die Wiederholgenauigkeit bei der Einteilung des Rautenrasters sowie der Rautenmontage, auch bei der Fertigung der Einzelelemente wurden Maßtoleranzen faktisch auf Null reduziert. Eigens dazu investierte der Fachbetrieb in eine neue Kantpresse sowie eine einsatzoptimierte 2D-Biegehilfe mit Rotationsaufnahme. Nach dem Kantvorgang kam eine speziell für Porsche gefertigte und somit produktspezifische Punktschweißhilfe zum Einsatz. Mit deren Hilfe konnte die Haltekonstruktion direkt auf der Rautenrückseite befestigt werden. Die so im Element integrierte Sekundärkonstruktion sorgt für eine optimale Planlage beziehungsweise Spannungsfreiheit der Rauten-Elemente. Auch die Befestigung der Rauten wurde durch diese Technik erheblich erleichtert. Bevor die Edelstahl-Rauten kommissioniert und zur Montage ausgeliefert wurden, musste deren Finish über ein optimiertes Reinigungs- und Elektrobeizverfahren angeglichen werden.
Ausgepackt
Die mechanisch polierte Materialoberfläche der 1 mmstarken Rauten wurde zum Schutz vor Verschmutzung von einer Folie abgedeckt, welche erst kurz vor der Museumseröffnung am 31. Januar 2009 entfernt wurde. Georg Lummel: „Sogar die Architekten, die unsere Musterdecken ja bereits gesehen hatten, konnten den Zeitpunkt des Auspackens kaum erwarten.“ Allein um die Schutzfolie zu entfernen, waren an 15 Arbeitstagen sechs Hubbühnen und insgesamt bis zu 15 Mitarbeiter im Einsatz. Belohnt wurden sie am Ende mit einer glänzenden Aussicht – nicht nur weil die Edelstahldecke am Porscheplatz deren Fachkompetenz widerspiegelt, sondern auch, weil Spenglertechnik aus Karlstadt einmal mehr mit einer glänzenden Referenz Architekturgeschichte schreibt.
Das Porsche Museum als Kommunikationsplattform
Als neue Unternehmens-Visitenkarte werden im Porsche Museum zukünftig Kunden genauso empfangen wie die vielen Menschen, die zwar selber keinen Porsche fahren, aber dennoch höchst fasziniert von den Sportwagen sind. Während die mutige Architektur des Gebäudes Einzigartigkeit, Selbstbewusstsein und Zukunftsorientierung von Porsche widerspiegelt, hält die Ausstellung, mit etwa 80 jederzeit startbereiten Sportwagen, die Geschichte des Unternehmens am Leben. Das Museum ist jedoch nicht nur Ausstellung, sondern zugleich eine Kommunikationsplattform und somit fester Bestandteil des ständigen Dialoges, den Porsche mit der Öffentlichkeit pflegt. Das erfuhren auch die rund 200 Seminarteilnehmer, welche die vom Stahl-Informations-Zentrum initiierte Vortragsreihe „Dach- und Fassadenelemente aus Stahl – erfolgreich Planen und Konstruieren“ jüngst im neuen Porsche Museum besuchten. Unter den Rednern war auch Projektleiter Dipl.-Ing. Martin Josst von Delugan Meissl Associated Architects, der spannende Einblicke zur Gebäudedynamik des Museums vermittelte. Das Zitat: „Ein Porsche sieht auch im Stehen aus, als würde er fahren“ ist bei der architektonischen Umsetzung der Porschewerte stets spürbar. Der frei schwebende Ausstellungskörper vermittelt Dynamik und wirkt dabei be- und entschleunigend zugleich. Der Baukörper verengt und weitet sich. Genauso wie man in einen Porsche hineingleitet, so gleitet auch der Besucher in das Gebäude hinein, um aus der „tiefergelegten“ Empfangshalle über eine edelstahlrautenbekleidete Rolltreppenröhre in den freien Ausstellungsraum zu „fahren“.
Dynamisch dank Stahl
Stahl spielte bei der Tragwerkskonstruktion, an welche höchste Anforderungen gestellt wurden, die entscheidende Rolle. Der unregelmäßig geformte, monolithische Baukörper symbolisiert für seine Schöpfer Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan Geschwindigkeit und Dynamik des Automobils. Das 140 m lange Gebäude mit seiner polygonen, auf jeden rechten Winkel verzichtende Form, verlangte den Beteiligten Ingenieuren Höchstleistungen ab. „Eine der größten Herausforderungen“, erinnert sich Projektleiter Martin Josst, „bestand in der Entwicklung einer Tragwerkskonstruktion, die den geometrischen Anforderungen unseres Wettbewerbsentwurfes entsprach und die gewünschte räumliche Wirkung umsetzt.“ Die größte Herausforderung: Der schwebende Baukörper mit seinen 35 000 t Eigengewicht und Nutzlast stützt sich auf lediglich drei tragende Kerne, zwei davon in markanter Y-Form. Damit die Stahlbetonstützen das Gewicht überhaupt aufnehmen können, verstärkten die Tragwerksplaner des Stuttgarter Büros Leonhardt, Andrä und Partner die hoch belasteten Lasteinleitungsbereiche in den Pfeilerecken mit dicken Stahlplatten. Zusätzlich erhielt eine besonders flach liegende Y-Stütze eine Vorspannung aus acht daumendicken Stahllitzen, um den Beton nicht reißen zu lassen. Die 22 m langen Stränge sind an Widerlagern befestigt und mussten mit Spezialgerät und einer Zugkraft von 300 t vorgespannt werden.
Auch bei der Konstruktion des Ausstellungstraktes selbst setzte man auf Stahl. Den schwebenden Aufbau hält ein Tragwerk aus 12 500 Stahlelementen zusammen. Die Ober- und Untergurte der gigantischen Fachwerkträger bestehen aus Doppel-T-Trägern mit unterschiedlichen Profilquerschnitten und Größen – letztere von 80 bis 1000 mm. Das umlaufende Fachwerk nimmt die gewaltigen Lasten auf und gibt sie an die Stahlbetonkerne der Unterkonstruktion ab. Die nahezu fensterlose Fassade des Ausstellungsteils ist mit weiß beschichteten Aluminiumelementen bekleidet.
Bild- und Quellnachweis: Lummel GmbH & Co. KG, Stahl-Informations-Zentrum, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, BAUMETALL
Bautafel
Porsche Museum: Die Fakten
Ausstellungsfläche: 5600 m²
Gesamtbaukosten: 100 Mio Euro
Edelstahlrauten: 6200 m² an Deckenfläche und Rolltreppenröhre
Rautengröße: 1150 x 600 x 1,0 mm (Edelstahl: Thyssen Krupp Nirosta, Werkstoffnummer 44.01, foliert)
Drehtellerelemente: Durchmesser 130 mm, über 16 000 Stück
Unterkonstruktionsprofile: Stahl verzinkt
Randanschlußrauten: Gesamtlänge circa 1,4 km
Architektur: Delugan Meissl Associated Architects, Wien
Projektleitung: Dipl.-Ing. Martin Josst
Spenglerfachbetrieb: Lummel GmbH & Co. KG, Karlstadt
Ausstellungskonzeption: Professor HG Merz Architekten, Stuttgart
Öffnungszeiten: täglich, außer montags, von 9:00 bis 18:00 Uhr