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Tradition trifft Moderne

Patio Design

Eigentlich sollten Kupferanwendungen in der Architektur in Südamerika weitverbreitet sein, denn über 40 % der weltweit geförderten Kupfererze kommen aus Südamerika. Doch weit gefehlt. Es gibt keine Kupfertradition, da es hier einerseits keine Hersteller von Kupferwalzmaterial gibt und sich andererseits kein traditionelles Klempnerhandwerk entwickelt hat. Es gibt heutzutage gerade eine Handvoll Betriebe, die überhaupt einen Stehfalz handwerklich herstellen können bzw. die die wenigen Kupferprojekte, vorwiegend in Brasilien, ausgeführt haben. Hierfür wurde das Kupfer meist aus den USA oder China eingeführt.

Allerdings kam es in den letzten zehn Jahren zu einem bauwirtschaftlichen Aufschwung in Südamerika, vor allem in Brasilien für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro 2016 und die Fußballweltmeisterschaft 2014, sowie in den wirtschaftlich aufstrebenden Nationen wie Chile, Peru oder dem kleinen Uruguay, das auch schon als die Schweiz Südamerikas bezeichnet wurde. Deshalb versuchten auch europäische Unternehmen, speziell im Fassadenbereich, einen Fuß in diese Märkte zu bringen.

Wie alles begann

Auf einer Messe in São Paulo informierte sich ein Interessent über die Möglichkeiten von Kupferfassaden. Er arbeite gerade als Consultant an einem größeren außergewöhnlichen Projekt in Santa Cruz in Bolivien und suche hierfür ein neuartiges Bekleidungsmaterial. Die Idee, mit verschiedenen Kupferoberflächen zu bekleiden, bedürfe aber einer Vorstellung der Produkte und Überzeugungsarbeit bei dem Architekten und Investor, der gleichzeitig auch Generalunternehmer sei. Schon von der Kostenseite her schien das ein schwieriges Anliegen zu sein, gehört Bolivien doch zu einem der ärmsten Länder in Lateinamerika. Außer Gas und etwas Gold, was schon 50 % des Exports ausmachen, gibt es kaum Exportprodukte zur wirtschaftlichen Verbesserung. Die politische Instabilität und auch die Binnenlage sind zudem nicht unbedingt hilfreich.

In einem mehrtägigen intensiven Austausch mit am Projekt involvierten Personen in Santa Cruz wurden verschiedene Kupferprodukte und Lösungsmöglichkeiten analysiert. Als Ausgangspunkt diente der architektonische Entwurf einer neuartigen Shoppingmall namens „Patio Design“, die sich um einen Platz (Patio) nach oben hin öffnet – nach außen hin jedoch einen burgähnlichen geschlossenen Komplex darstellt. Die Erschließung der einzelnen Läden und Restaurants für die Eigentümer und Personal erfolgt über breite, seitlich umlaufende Laubengänge, die der späteren Besucher über die innen liegenden offenen Zugänge und Terrassen über dem Patio.

Die Ausführungsvariante

Es mussten verschiedene Rahmenbedingungen wie die Windlasten berücksichtigt werden, die für Santa Cruz bei 100 kN liegen können, sowie das Übertragen auf eine frei zu überspannende Geschosshöhe von 5,60 m und die einzige Befestigungsmöglichkeit in den Deckenspiegel. Außerdem eine ausreichende natürliche Belichtung der Laubengänge über eine zusammenhängende Fassadenbekleidung, in der keine Fensteröffnungen sichtbar sein sollten. Die vorgeschlagene und dann im Detail auszuarbeitende Variante der Hauptfassade vor den Laubengängen sollte aus voroxidiertem Kupfer als Mesh 100 x 54 x 24 x 1,2 mm bestehen, mit 1 m breiter Spiegeldeckung. Für die Bekleidung der vier zur Erschließung dienenden Treppenhäuser entschied man sich für eine Ausführung als Kassette in Form gekanteter Elemente ebenfalls als Mesh 22 x 12 x 8 x 1,0 mm sowie einer Kupfer-Aluminium-Legierung, ebenfalls in Spiegeldeckung in einem 600 mm breiten Rastermaß. Die beiden massiven Hauptzugänge an der Ost- und Westseite sollten mit vorgefertigten Schindeln aus vorpatiniertem Kupfer (430 x 430 mm diagonal verlegt) bekleidet werden.

Der Entscheid

Dem Generalunternehmer lag ein Vorschlag einer perforierten Aluminiumfassade mit unterschiedlich großen Lochungen vor. Der Kostenvoranschlag für die Kupfervariante lag nur geringfügig über der Aluminiumlösung. Einige Argumente konnten den Generalunternehmer überzeugen. Vorteilhaft war die schon im Detail ausgearbeitete Variante, welche seitens des Aluminiumherstellers nicht vorlag. Als bedenklich erwies sich die Erfahrung des Generalunternehmers mit einer ähnlichen perforierten Fassade, bei der bei starken Winden ein lautes „Pfeifen“ in den höher gelegenen Bereichen entstand. Das Risiko, dass ähnliche Effekte bei der Mesh-Lösung auftreten könnten, musste man bewusst eingehen. (Tatsächlich ist in den Jahren nach Fertigstellung keine Lärmbelästigung festgestellt worden.) Getroffen wurde die Zusage, dass die Fassade vom Generalunternehmer selbst montiert werden könne, also ein Baukastensystem „Marke Ikea“ bereitgestellt würde. Dazu gehörte auch die Aussage, dass verschiedene Elemente lokal hergestellt und beschafft werden könnten (Kassetten für die Treppenhäuser, Unterkonstruktionen etc.), jedoch unter der Bedingung, dass während der Bauzeit ein gestellter und ausgebildeter Supervisor für Metalleindeckungen vom Bauherrn finanziell getragen wird.

Den Architekten überzeugten das Konzept sowie die Vielfalt und die damit verbundene Veränderbarkeit der Kupferoberflächen für sein außergewöhnliches und in dieser Ausführung einmaliges Projekt. Außerdem erkannte er die weiteren Vorteile wie Langlebigkeit und die entfallenden späteren Kosten für Fassadenunterhalt.

Über 25 Jahre betreute Herbert Mock internationale Kupferprojekte für KME

Bild: BAUMETALL

Über 25 Jahre betreute Herbert Mock internationale Kupferprojekte für KME

Die Ausführung

KME oblag die gesamte Planung und Herstellung der Fassade. Mit Unterstützung der Firma Systea wurde speziell ein Unterkonstruktionsprofil aus schwarz beschichtetem Aluminium hergestellt, das die Windlasten in über 5,60 m Höhe aufnehmen kann. Insgesamt wurden fast 15 000 lfm Profile mit den dazugehörigen Wandankern geliefert. Systea fertigte auch die dazugehörige Statik und die Positionspläne. Die Verlege- und Detailplanung wurde im Hause von KME durchgeführt. Nach dem Baukastenprinzip wurden über 7000 m² Tafeln für die voroxidierte Meshfassade in lediglich in zwei verschiedenen Längen von 3000 mm und 1500 mm hergestellt. In Längsrichtung (hier von unten nach oben) wurden die Tafeln mit einer Maschenbreite überlappt und mit selbstbohrenden, farblich auf die voroxidierte Oberfläche abgestimmten Schrauben befestigt. Die Montage erfolgte von der Fassadenmitte ausgehend nach links und rechts mit 10-mm-Fuge zur Aufnahme der Toleranzen, welche sich bei der Produktion von Mesh ergeben können. Vor Ort mussten dann lediglich die seitlichen Anschlusselemente an die Treppentürme passend ­geschnitten werden. Die Anschlüsse wurden dann in ein spezielles vorgefertigtes Taschenelement eingeschoben, damit die scharfen Schnittkanten dort keine Verletzungsgefahr für die Personen auf den Laubengängen bergen.

Die Tafeln für die Treppentürme wurden in den Maßen 2400 x 670 mm (resp. 1200 x 670 mm), also ca. 1500 m², geliefert. Diese wurden dann zu 600 mm breiten Kassetten durch einen Metallbaubetrieb (eher eine Schlosserei) in Santa Cruz auf einer etwas in die Jahre gekommenen Presse ziemlich maßgenau gekantet. Auch hier gab es lediglich ein paar wenige Anpassungen auf der Baustelle. Die gekanteten Kassetten wurden vertikal in das Profil resp. Taschenprofil als innerer Abschluss eingelassen. Somit war gewährleistet, dass sich auch hier keine Personen im Treppenaufgang an den scharfen Kanten verletzen und die Maßtoleranzen der Treppentürme ausgeglichen werden können. Die kleinteilige, engmaschige Mesh-Struktur ermöglichte an seitlichen Abkantungen, dass die Kanten optisch nicht zu sehr platt gedrückt wurden.

Als dritte Eindeckungsvariante wurden die beiden Portikus an der West- und Ostseite, welche die Zugänge zum Patio markieren, mit Schindeln in vorpatiniertem Kupfer bekleidet. Die Schindeln wurden durch die Firma Böhme Haustechnik bei Dresden gefertigt und auf einer bauseits erstellten Unterkonstruktion auf Trapezblechen montiert. Hier war dann das ganze Können des Supervisors aus dem Team von Salim Isovski gefordert. Das genaue Einmessen der diagonal zu verlegenden Schindeln und die Anfertigung der Halb- und Passschindeln auf einer mitgelieferten 1-m-Schwenkbiegemaschie erforderten seine Aufmerksamkeit. Er musste mit Personen zusammenarbeiten/auskommen, die vermutlich zum ersten Mal in ihrem Leben ein Kupferblech in der Hand hatten. Aber diese Leute waren nicht untalentiert, lernten schnell und waren bis zum Schluss mit großem Eifer dabei.

Das fertige Projekt

In Santa Cruz war das Projekt in diesem neuen Design und mit dieser Aufmachung sehr schnell stadtbekannt und erregte großes Interesse bei verschiedenen Nutzern. So waren die zur Verfügung stehenden Flächen für die Läden und vorgesehenen Restaurants zur Eröffnung bereits zu 90 % vermietet. Auch in der Bevölkerung wurde das neue „Patio Design“ sehr schnell angenommen und es war „in“, sich im Patio zu treffen.

Nachgang

Es ist immer eine große Herausforderung, ein Fassadenprojekt in fernen Ländern unter erschwerten Voraussetzungen mit lokalen, nicht für die Metallverarbeitung ausgebildeten Leuten zu realisieren. Mit einer sehr guten Vorplanung für die Produktion und der Berücksichtigung eines langen und umständlichen Transportweges, der späteren Verlegung sowie mit glücklichen Umständen, gewillte Arbeiter gefunden zu haben, und last not least der hervorragenden und umgänglichen Zusammenarbeit mit dem Bauherrn/Generalunternehmer und Architekten konnte das Projekt „Patio Design“ zur aller Zufriedenheit vollendet werden.

Auch wenn vieles gut vorgeplant ist, gibt es bei Projekten dieser Größenordnung doch immer wieder kleinere oder größere Überraschungen, die nicht bedacht wurden und nicht unbedingt vorhersehbar waren. Als Beispiel soll hier die Lieferung des Kupferaluminiums Mesh für die Treppentürme erwähnt werden. Die Oberfläche des Mesh muss nach dem Strecken werkseitig passiviert werden. Die Tafeln werden dann in einer Überseeverpackung in eine dampfundurchlässige Folie gepackt. Durch das Passivieren wird eine gewisse Restfeuchte und auch die beim Verpacken herrschende Luftfeuchtigkeit zwischen den Streckmetalltafeln miteingeschlossen.

Der Transport nach Bolivien dauert etwa 10 Wochen und der Container geht bei tropischen Temperaturen durch den Panamakanal. Wer schon einmal bei heißen Temperaturen einen Container entladen musste, kann sich denken, wie sehr sich der ­Container selbst und das Material erhitzt, vor allem wenn das über Wochen geht. Der Container wird in einem Hafen in Nordchile auf einen Lkw verladen, der dann über 4000 m über NN auf Passstraßen mehrere Tage lang über die Anden bei nächtlichen Minustemperaturen transportiert wird.

Die Überraschung ist dann groß, wenn die Kisten am Zielort geöffnet werden und die unteren Tafeln etwa 3 bis 5 cm im Wasser liegen. Was das für eine Kupferoberfläche bedeuten kann, ist hierzulande vielen klar. Aber wie will man das in Bolivien erklären? Schnelles Handeln ist gefragt. Die Tafeln auspacken, aufstellen und mit herkömmlichen Haarföhnen trocknen. Anmerkung: Die Tafeln wurden eingebaut, und bis heute ist nirgendwo erkennbar, dass sie einmal gebadet haben.

 Struktur: Voroxidiertes Streckmetall trifft auf patinierte Rauten

Bild: Cofersa

 Struktur: Voroxidiertes Streckmetall trifft auf patinierte Rauten
Gewaltig: Das burgähnliche, mit Kupfer bekleidete Einkaufszentrum

Bild: Cofersa

Gewaltig: Das burgähnliche, mit Kupfer bekleidete Einkaufszentrum
Detail: Kreuzpunkt der patinierten Rauten

Bild: KME

Detail: Kreuzpunkt der patinierten Rauten
Schönes Trio: KME-Kupfer mit Patina-, Oxid- und Goldoberflächen

Bild: Cofersa

Schönes Trio: KME-Kupfer mit Patina-, Oxid- und Goldoberflächen
Erstellen eines Fassadenmusters zur Abnahme

Bild: Mock für KME

Erstellen eines Fassadenmusters zur Abnahme
Montage von Unterkonstruktion und Fassade aus der Mitte nach außen

Bild: HFS

Montage von Unterkonstruktion und Fassade aus der Mitte nach außen
Kassettenmontage am Treppenhaus

Bild: HFS

Kassettenmontage am Treppenhaus
Diego Chavez, Koordinator KME/Cofersa

Bild: Mock

Diego Chavez, Koordinator KME/Cofersa
Fertiggestellte Fassade an der Nordostseite

Bild: Cofersa

Fertiggestellte Fassade an der Nordostseite
Blick in den Innenhof des Patio Design Center

Bild: Mock

Blick in den Innenhof des Patio Design Center

Info

Bolivien. Kupfer. Tradition

Tradition: Der Kupferabbau in Südamerika reicht weit zurück, bis in präkolumbianische Zeiten. Die indigenen Völker nutzten Kupfer bereits zur Herstellung von Werkzeugen und Schmuck. Diese tiefe Verbindung zur Natur und ihren Ressourcen spiegelt sich auch in der traditionellen Kleidung wider.

Kultur: Im Laufe der Zeit entstand eine vielfältige Mischkultur, in der sich indigene, europäische und afrikanische Einflüsse vermischten. Diese Verschmelzung unterschiedlicher Kulturen ist in den farbenfrohen Trachten der verschiedenen Ethnien Boliviens deutlich sichtbar.

Cholitas*: Die traditionellen Trachten Boliviens, wie beispielsweise die der Cholitas, sind ein lebendiges Zeugnis dieser Geschichte. Die Farbenpracht ihrer Kleidung ist oft von der vielfältigen Natur des Landes inspiriert.

Bild: SL-Photography - stock.adobe.com

Farbenprächtige Trachten sind von der vielfältigen Natur Boliviens inspiriert

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