Der Architekt Patrick Minder gewann den Architekturwettbewerb für das neue Altersheim in Sainte-Croix, Schweiz. Sein Anspruch, das Bauvolumen perfekt ins Gefüge des Dorfes und des Geländes zu integrieren, und seine Suche nach Harmonie und perfekten Details führten zu dieser gewagten, außergewöhnlichen Fassadenbekleidung mit großformatigen Blechrauten aus blankem Aluminium.
Die Topografie in Sainte-Croix und die visuellen Freiräume sind zwei Elemente, die das Dorfgefüge und die Verkehrswege im Laufe der Jahre strukturiert haben. Dabei fällt auf, dass die größten örtlichen Gebäude öffentliche oder industrielle Bauten sind. So mag es fast paradox erscheinen, dass das existierende Krankenhaus außerhalb des Zentrums zu finden ist. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass es von den zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichteten Sanatorien inspiriert wurde. So rechtfertigt der gewählte Standort ein „Sich-als-Bau-Zurückziehen“, um den Umwelteinwirkungen des Dorfzentrums zu entgehen.
Die Herausforderung bei der Planung des angrenzenden, neuen Altersheims bestand darin, den „großen Maßstab“ eines öffentlichen Gebäudes mit dem „kleinen Maßstab“ des einzelnen Wohnraumes zu verschmelzen, sodass das neue Altersheim in sich „wie ein Dorf mit seinen Straßen, Plätzen, Häusern und Geschäften strukturiert und empfunden wird“, so Architekt Patrick Minder bei der Vorstellung seines Werkes.
Der architektonische Wille war, dem Gebäude einen monolithischen Ausdruck zu verleihen, indem es aus dem Gelände herauswächst, mit dem Effekt, dass Gehwege unmittelbar aus den Stockwerken heraus ins Freie führen.
Gebäudeaufteilung
Das Gebäude umfasst drei Ebenen. Das Erdgeschoss beherbergt die Gesellschaftsräume, im ersten Stockwerk ist die Geriatrie, im zweiten die Alterspsychiatrie untergebracht. Mit ihren 70 Betten ist die Einrichtung in fünf Wohneinheiten mit je zwölf Einzelzimmern und einem Zimmer mit zwei Betten unterteilt. Die Wohneinheiten verteilen sich auf fünf Bauflügel, davon drei für die Alterspsychiatrie, aufgeteilt in zwei Pflegestationen mit insgesamt 42 Betten, und zwei für die Geriatrie mit einer Pflegestation mit insgesamt 28 Betten. Mit dem im Geländehang eingefügten Bauvolumen bietet jedes Stockwerk einen eigenen Ausgang, der zum Spazieren auffordert. Jeder Pfad endet mit einer Sitzbank mit schönem Ausblick.
Das Gebäudeensemble wurde nach dem Schweizer Baustandard Minergie-P Eco für neue und modernisierte Gebäude konzipiert. Dabei wurde unter anderem auf eine möglichst gute und wartungsfreie Gebäudedämmung geachtet. Auch die Wiederverwertbarkeit der verwendeten Materialien spielte eine wichtige Rolle. Die Wahl des Gebäudehüllenmaterials fiel auf Aluminium, das wegen seiner langen Lebensdauer gewählt wurde.
Langlebige Gebäudehülle
Medizinisch-soziale Einrichtungen wie das Altersheim „L’arbre de la vie – der Lebensbaum“ müssen hohe Brandschutzanforderungen erfüllen. Jede Fassadenschicht muss aus nicht brennbarem Material bestehen. Aus diesem Grund sind die Fassaden mit 32-cm-Mineralfaserplatten aus Steinwolle gedämmt. Anstelle von Holzlattungen, die als Träger der Großrauten dienen sollten, wurde ein nicht brennbares, verzinktes Stahlblechprofil verwendet und mit wärmebrückenreduzierten Konsolen befestigt.
Die 8000 großformatigen Blechrauten wurden in der Werkstatt der Spenglerei Claude Favre SA hergestellt. Sie bestehen aus 0,80 mm dickem, blankem Aluminium mit einer Größe von 320 x 570 mm. Aluminium gilt als recycelbarer, langlebiger, wartungsfreier und daher aus Minergie-P-Eco-Sicht wiederverwertbarer Werkstoff. Dieses Material wurde laut den Architekten gewählt, um der Fassade einen Chamäleon-Effekt zu verleihen, indem sich die umgebende Natur und die Farben der verschiedenen Jahreszeiten und des Wetters auf der Fassadenoberfläche widerspiegeln. Die lebhafte Fassade wird so zu einer interessanten, zeitgemäßen Attraktion. Da sich das Projekt 1100 m über dem Meeresspiegel befindet, musste man beim Aufbau und den Konstruktionsdetails ganz besondere Sorgfalt walten lassen. So wurde die Konstruktion von einem Bauphysiker unter Berücksichtigung einer Außentemperatur von –18 °C und einer Innentemperatur von 22 °C geprüft. Die Gefahr von starken Schneefällen wurde bei der Entwicklung der konstruktiven Details ebenfalls berücksichtigt – übrigens auch auf dem Dach, wo die Lichtkuppeln durch Gitterrahmen geschützt sind.
Licht und Privatsphäre
Die öffentlichen Gesundheitsdienste (Services de la santé publique, SSP) bestehen darauf, dass Altersheime trotz des betreuenden Charakters so weit wie möglich allen Bewohnern ein häusliches Ambiente bieten sollen. So wurden die Fenster je nach dem Grad der Privatsphäre der Räume unterschiedlich gestaltet. Die Fenster in den Wohnzimmern wurden mit Holz-Metall-Fenstern mit Lamellenjalousien, die gemeinschaftlichen Esszimmer mit Holz-Metall-Fenstern mit Stoffjalousien und die Gemeinschaftsräume mit Schlosserrahmen mit Verglasung und Stoffjalousien realisiert; die Lichtzufuhr im Restaurant wurde schließlich mit einer VEC-Verglasung versehen. Die etwa 100 Rahmen, mehrheitlich mit einem Lichtmaß von 1800 x 2000 mm, sowie die Dachumrandung wurden mit Kontrast- und Abschlusswirkung aus natürlich eloxiertem Aluminium hergestellt.
Wettbewerbsobjekt
Das Projekt wurde erfolgreich beim VDSS-Wettbewerb „Goldene Spenglerarbeit“ eingereicht. Dabei überzeugten die gewagte Materialwahl aus reflektierendem blankem Aluminium in der Fläche und mattem Aluminium bei den Umrandungen. Der vielseitige, wechselnde Ausdruck des Oberflächenbildes und die beim Gehen wahrnehmbaren wechselnden farblichen Ausstrahlungen zogen die Betrachter in einen besonderen Bann. Die Fassadenbekleidung ist dabei perfekt geplant und handwerklich fehlerfrei ausgeführt worden. Die Linienführung der Einhängefalze, alle An- und Abschlüsse am Fassadenfuß, an Fensterrahmen und Accessoires wie die Sonnenjalousien sowie die Detailpunkte am Dach sind wie im Lehrbuch meisterhaft ausgeführt. Dieser Bau geht zwar nicht als Sieger hervor, er erhält aber emotional und gefühlsmäßig den rhetorischen „Coup de coeur du Jury“, den „Herzenspreis der Jury“. Ein außergewöhnliches Objekt, das zeigt, dass Zweckmäßigkeit ein besonderes Design nicht ausschließt.
Bautafel
Projekt: EMS Etablissement Médico-Social, 1450 Sainte-Croix
Architektur: Patrick Minder, Architectes Sàrl. und Dolci Architectes Atelier d’architecture et d’urbanisme,
Fachbetrieb: Claude Favre SA
Werkstoff: Aluminiumrauten, walzblank 0,8 mm