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Hüttensanierung in den Alpen

Edle Hülle in edler Landschaft

Die Ansbacher Hütte liegt auf 1200 m Seehöhe in den Lechtaler Alpen in malerischer Umgebung. Die Aussicht am Südosthang der Samspitze ist grandios. Nur leicht zu erreichen ist das 1906 errichtete Bauwerk nicht. Für die 1100 Höhenmeter ist ein mindestens dreistündiger Fußmarsch in Kauf zu nehmen. Die Hütte gehört der Sektion Ansbach des Deutschen Alpenvereins. Im Verein bin ich seit Kindertagen Mitglied.

Beim ersten Vor-Ort-Termin mit Vorstand und Architekten sowie einem Vertreter des DAV aus München (zuständig für Neu- und Zubauten) wurden im Juli 2021 die Arbeiten besprochen. Dabei ergab sich, dass wir auch den Abriss des alten Daches, den kompletten Neuaufbau sowie die Gerüststellung planen und organisieren sollten. Das alles in einem knappen Zeitfenster von sechs Wochen. Als Termin des Saisonendes und der damit verbundenen Hüttenschließung wurde der 19. Oktober 2021 genannt. Die erneute Öffnung sollte für Anfang Juni 2022 geplant werden.

Auftrag erteilt!

Wir wurden beauftragt, ein neues Metalldach aufzubringen. Nach umfangreicher Planung sollte die alte Schindeldeckung aus Lärchenholz einer neuen Dacheindeckung aus 0,5-mm-Edelstahl der Marke Fino-Tex weichen. Das von der Rimex Metals (Deutschland) GmbH aus Weinstadt vertriebene Material ist ein dünn gewalzter Edelstahl, der sich ideal für Stehfalzdächer, Anschlüsse und Bekleidungen in Winkelstehfalz- und Doppelstehfalzqualität eignet. Vorgesehen war die Ausführung eines Doppelstehfalzdaches mit einer Scharbreite von 400 mm.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung hatte ich keinerlei Ahnung und Erfahrung mit der Planung, Organisation und Ausführung im Gebirge. Dennoch habe ich zugesagt, die komplette Bauleitung zu übernehmen. Im Rahmen der Vorplanung galt es, folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie ist die Konstruktion des Dachaufbaus?
  • Welche Materialien sind verfügbar?
  • Welche Normen/DIN-Vorschriften sind einzuhalten?
  • Was ist im Bezug auf Wind- und Schneelasten (13,42 kN/m²) zu ­beachten?
  • Welche Scharbreiten und Haftabstände sind geeignet?
  • Wie wird die PV-Anlage befestigt?
  • Wie werden Dachrinnen und Lüfterfirst ausgebildet?
  • Wie funktioniert ein Hubschraubertransport und wie viel Gewicht ist pro Flug zulässig?
  • Was muss bei der Bestimmung von Bauteilgrößen und -längen ­beachtet werden?
  • Wie viele Flüge sind erforderlich?
  • Wie wird das Material zur 361 km entfernten Baustelle transportiert?
  • Wie viele Personen werden wie lange benötigt?
  • Was umfasst eine Erste-Hilfe-Ausrüstung (Gefahr von Schnitt­verletzungen an Edelstahlblechen)?
  • Weitere Punkte auf meiner Arbeitsliste waren die Konzepterstellung, die Preisermittlung, die Freigabe durch den Vorstand und schließlich die Beauftragung.

    Die Organisation war folglich sehr komplex. Am meisten forderten mich die Berechnungen der Gewichte für Material und Werkzeug sowie die Abstimmung der entsprechenden Flüge. Dann wurden der Personentransport per Helikopter und der Einsatz ehrenamtlicher Helfer geplant. Dabei musste berücksichtigt werden, wer in welchem Team arbeitet und wessen Qualifikationen bestmöglich eingesetzt werden konnten. Auch der Rückflug des Abbruchmaterials ins Tal sowie die entsprechende Entsorgung mussten organisiert werden.

    Schlaflose Nächte

    Was machen wir, wenn das Wetter für Heliflüge und Dacharbeiten nicht mitspielt? Es ist durchaus normal, dass zu dieser Jahreszeit in der Höhe auch mal Schnee fällt. Und, und, und …

    Mir als Praktiker half nur eins: Ich musste alles packen, was benötigt würde. Aber nicht zu viel. Und dabei nichts zu vergessen war spannend. „Auf 2380 m kannst du nicht mal schnell in die Werkstatt oder in den Baumarkt fahren und besorgen, was du vergessen hast“, hielt ich mir immerzu vor Augen. Mehrere Stunden Fußmarsch wären die Folge, und eine getroffene Entscheidung hätte eine Tragweite über Wochen hinweg.

    Rückschau und herzlichen Dank

    Letztendlich hat alles geklappt: Alle 31 Helikopterflüge konnten im Vorfeld geplant und termingerecht durchgeführt werden. Insgesamt wurden ca. 8 t Material plus Personen rauf- und runtergeflogen. Die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern der DAV-Mitglieder (viele kannte ich nicht) war einwandfrei. Zusätzliche Unterstützung bekam ich von der freien Spenglermeister-Vereinigung Bayern (SMV). Hier unterstützten mich Werner Fünfer aus Ingolstadt und Sebastian Heinzlmeier aus Schrobenhausen mit Spengler-Power. Außerdem war Jens Scheu (jns.s.filmknipserei) aus Michelbach a. d. Lücke eine tolle Hilfe – die gelungenen Fotos, Luftaufnahmen und Videos wurden inzwischen in den sozialen Medien verbreitet. Und damit bei der Arbeit auch die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden konnten, stellte das M.A.S.C.-­Team von Martin Fischer zahlreiche Schutzhelme zur Verfügung.

    Dach und Technik

    Die Holzschindeln waren über 60 Jahre alt und mit Tausenden von Nägeln befestigt. Die meisten davon waren nur noch 6 mm und weniger stark. Im Laufe der Zeit haben sich mehrere Löcher im Dach gebildet – das Eindringen von Schmelz- und Regenwasser war die Folge. Der alte Dachstuhl bestand aus 30 Sparren, die mit insgesamt 90 Nägeln befestigt waren. Irgendwie hat die Konstruktion bis zur Sanierung gehalten. Zur Optimierung haben wir die alten Sparren zusätzlich mit Tellerkopf-Spax-­Schrauben befestigt. Für die Befestigung der Konterlatten auf den Sparren wurden laut Statik 800 Tellerkopfschrauben errechnet und verarbeitet. Durch die exponierte Lage der Hütte ist sie nur drei Monate im Sommer bewirtschaftet. Der durchschnittliche Schneefall liegt bei ca. 455 cm. Mitunter kommt es zu Orkanen mit bis zu 180 km/h. Das Dach bzw. die vorhandene Holzschalung wurde daher mit folgendem Dachaufbau konstruiert:

  • Dampfsperre
  • Aufdachdämmung PIR 80 mm
  • Unterdachbahn (wasserdicht)
  • Konterlattung mit Nageldichtband unterlegt
  • 40 mm hohe Hinterlüftungsebene
  • Holzschalung gespundet, 30 mm dick
  • Edelstahl-Doppelstehfalzdach 32 mm Falzhöhe und 150 mm Haftenabstand
  • Jede Menge Zusatzarbeit

    Wie immer, wenn die Handwerker schon einmal vor Ort sind, kommt es auch auf einer Schutzhütte zu zusätzlichen Arbeiten. Wir kümmerten uns um den Einbau von zwei Dachflächenfenstern im Lager 9 des Haupthauses. Natürlich waren damit alle innen und außen erforderlichen Anschlussarbeiten sowie der Auf- und Abbau einer Absturzsicherung samt Dachgerüst verbunden. Und auch die Abdichtung der Bodenplatte für den Zubau, der 2022 errichtet wurde, fiel in unseren Arbeitsbereich. Des Weiteren haben wir zwei Kellertüren winterfest gemacht, damit kein Schnee und Wasser eindringen kann. Schutzgeländer? Kein Problem! Die haben wir wunschgemäß auf der Kellerdecke des Zubaus angebracht. Und auch um die Reparatur an der Treppe der Terrasse sowie um den Einbau einer Revisionsöffnung, um in den Aufbau der Terrasse zu kommen, haben wir uns gekümmert. Habe ich etwas vergessen? Ja: die Abdichtung des Schornsteins und eines Sanitär-Lüftungsrohrs auf dem Hauptdach.

    Zeitsprung

    Im August 2022 war es wieder so weit. Zubehör und jede Menge Flüssigkunststoff organisieren. Werkzeuge, Maschinen und Edelstahlschindeln bzw. Scharen einpacken. Material in hubschraubergerechte Portionen aufteilen. Und so weiter und so weiter. Auch dieses Mal halfen Spengler den Spenglern, und zwar aus Deutschland, Luxemburg und der Schweiz:

  • Spenglermeister-Vereinigung Bayern e. V.
  • Spenglermeisterbetrieb Werner Fünfer und Xaver Stark
  • GSP Dachtechnik GmbH & Co. KG: Gerhard und Felix
  • Ferisol S.à r.l. vertreten durch Stanislav und David
  • iib vertreten durch Waga Spenglertechnik AG: Manuel
  • Vor Ort beschäftigten wir uns mit der Montage des Edelstahl-Stehfalzdaches und mit der Dämmung der 120-mm-Brettsperrholzwand bzw. der 100-mm-Pavatexplatten bis 1,25 m über Grund. Zur Sockelabdichtung der neu errichteten Pächterwohnung kamen Bitumenschweißbahnen und Flüssigkunststoff von Enke zum Einsatz. Weil die Schneehöhe bisweilen locker den ersten Stock erreicht, hatten wir besondere Schutzmaßnahmen vorgesehen. So wurden die Fenster als vormontierte Rahmen ausgebildet und sorgfältig mit Enke Flüssigkunststoff eingedichtet. Ebenso die zahlreichen über die Außenwand gelegten Elektro-Leerrohre, die Plattenstöße und die Schraubenköpfe.

    Nach entsprechender Vorbereitung wurden rund 1000 Edelstahlschindeln montiert. Die aus 0,5-mm-Fino-Tex-Edelstahl gefertigten Schindeln weisen eine Größe von 520 × 260 mm und umlaufende Falze auf. Die letzte Schindel am Zubau wurde am 10. September verbaut und am Tag darauf fiel der erste Schnee.

    Spenglerarbeiten im Winter

    Einen Wintertraum habe ich mir immer anders vorgestellt. Mit dem Neuschnee war auch der Flugverkehr eingefroren und das für eine ganze Woche. Der Abstieg ins Tal erfolgte notgedrungen zu Fuß. Der Schnee lag teilweise hüfthoch. Im Oktober erfolgten Restarbeiten wie Blitzschutz, Laibungsblech-Montage oder der Gerüstabbau. Ferner musste Baumaterial, das vor zwei Wochen noch unter Schnee lag, zusammengepackt und flugfertig gemacht werden. Anschließend wurde das Material für das nächste Jahr aufgemessen, die Baustelle winterfest gemacht, Fenster wurden mit OSB-Platten verschlossen und provisorische Wasserabläufe angebracht. Zum Zeitpunkt der Abreise zählte ich 206 rotierende Helikopterflüge mit 41,2-stündiger Flugzeit für Spengler und Holzbauarbeiten und eine Gesamtarbeitszeit von 1340 Stunden.

    Fortsetzung 2023 und 2024

    Wieder hieß es Material packen und flugfertig machen. Unter anderem waren dieses Mal ein selbst gebauter Gaskasten für die Propangasflaschen sowie eine Außentreppe und eine Innentreppe aus Stahl im Gepäck. Die Ankunft auf dem Berg erfolgte Anfang April, doch von der Hütte fehlte zunächst jede Spur. Nach ausgiebigem Schneeschippen konnten die Restarbeiten an der Sockelverblechung starten. Und auch der Innenausbau – etwa die Entkernung und der Wiederaufbau der Küche einschließlich Bodenabdichtung und Estrich – gehörte dieses Mal zu unseren Aufgaben. Stromverteilung, Ertüchtigung der Brandschutzeinrichtung, Innenausbau und Einrichtung des Zubaus mit Pächterwohnung, Anbau des Winterraums, Erneuerung der Gasleitung, Austausch aller Matratzen, Gestaltung der Außenanlagen, Aufräumen des Baufelds, Abflug …

    … und in diesem Jahr? Geplant ist, dass wir am Winterraum einen Windfang anbauen, der wiederum mit einem Doppelstehfalzdach und Schindeln aus Edelstahl bekleidet wird. Auch die Fenster- und Türläden am Zubau und am Winterraum werden wir in Eigenanfertigung herstellen und montieren. Dazu verwenden wir pulverbeschichtete Aluminium-Kassetten. Diesjähriger Hüttenstart ist am 22. Juni 2024. Ich denke, die Arbeit wird uns nicht ausgehen, und genau darauf freue ich mich sehr. Schon jetzt planen wir für 2025. Dann werden wir uns um das Metalldach am Haupthaus kümmern – es abschleifen und neu streichen.

    Bleibende Erinnerung

    Ich kann nur für mich sprechen: Wenn ich sage, dass ich mich sehr gerne an die Arbeiten an der Ansbacher Hütte erinnere, ist das sicherlich untertrieben. Das Arbeiten in den Bergen, das Erleben zahlloser Sonnenauf- und -untergänge und das Meistern durchaus fordernder Situationen in einer unwirtlichen Landschaft erfüllen mich nach wie vor mit Stolz und Ehrfurcht. Die Spenglerkollegen, die mit vor Ort waren, werden mir hier sicher zustimmen. Und noch etwas werde ich wohl nie vergessen: Die Verpflegung auf der Hütte war nicht zu übertreffen. Herzlichen Dank nochmals an das Team des Hüttenwirts und an alle Helfer und Unterstützer. Das war klasse! 

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