Um es vorwegzunehmen: Flaschnermeister Wolfgang Huber kuratiert keineswegs „nur“ in eigener Sache. Vielmehr sensibilisiert er die Ausstellungsbesucher mit von Restaurationsaufträgen stammenden Exponaten für die Wichtigkeit ästhetischer Denkmalpflege. Sein Ziel ist es, traditionelle Baukunst mit teilweise über Jahrhunderte bewitterten Materialien zu erhalten. „Hierzu ist wirklich kein Aufwand zu hoch“, so Huber, der sich seit jeher dafür einsetzt, für jede Herausforderung eine praktikable Lösung zu finden. Seine jahrzehntelange Erfahrung und Expertise nutzt er, wo immer möglich, um alte Dächer im Sinne der Vorfahren zu restaurieren. Dazu nutzt er mit Vorliebe historische Bleche aus Zweitverwertung – manche davon stammen sogar noch aus der Blütezeit der Hammerschmieden. Mit dem Ziel, nach der Sanierung keinen Unterschied zwischen Alt und Neu erkennen zu lassen, minimiert Huber den Einsatz gewalzter Tafeln und Bänder, so gut es eben geht.
Willkommen in Flaschners Paradies
Schon von Weitem beeindruckt Hubers Gebäudekomplex mit einer individuellen, selbst entworfenen und angefertigten Metallbekleidung. Im Erdgeschoss befindet sich Hubers historische Flaschnerwerkstatt, die jedes Baumetaller-Herz höherschlagen lässt. Eine stählerne Außentreppe führt in die beiden darüber liegenden, großzügigen und lichtdurchfluteten Ausstellungsräume „Schauraum“ und „Kabinett“. Dort präsentiert Huber sein Lebenswerk, setzt die über viele Jahre seiner Tätigkeit in der Denkmalpflege zusammengetragenen Raritäten in Szene und zeigt einen Querschnitt der „Blechschäden“, die er beheben durfte. Immer im Mittelpunkt: die Schönheit des Materials mit entsprechender Patina. Die Kunstfertigkeit der Verfalzung. Die Befestigung. Besonders interessant ist es, durch Wind und Wetter verursachte, teils spektakuläre Schäden oder von kriegerischen Auseinandersetzungen stammende Einschüsse und deren Notsicherungen zu entdecken.
Jeder Besucher kann sich entlang der Exponate, bestehend aus nicht mehr verwendbaren, beschädigten Blechteilen mit Falzen und Nieten sowie Kirchturmkugeln und -spitzen und vielem mehr, die stets den einzelnen Bauwerken zugeordnet sind, ein eigenes Bild von den Herausforderungen der Sanierungsarbeiten ganz aus der Nähe machen. Dabei hat Wolfgang Huber mit seinen zumeist selbst aufgenommenen, ansprechenden Fotos die Bauwerke und den Prozess der Instandsetzung eindrucksvoll dokumentiert. Digitale Bilderrahmen zeigen zu den Exponaten passende Fotostrecken einzelner Baustellen und machen Flaschnertechnik aus ganz neuer Perspektive hautnah erlebbar.
Ausstellung mit Aha-Effekt
Nicht nur die größeren Exponate begeistern: In stilvoll mit alter Handschrift versehenen Einmachgläsern präsentiert der Hausherr auch eine beachtliche Sammlung verschiedenartiger, nicht wiederverwertbarer Hafte und Nieten. Dem Kupfer-Rollniet widmet Huber durch das Aufzeigen der Anfertigungsschritte sowie eine Reihe historischer Bleche mit ebendieser Verbindungstechnik besondere Aufmerksamkeit. Auch die zahlreichen unterschiedlichen, von diversen Bauwerken stammenden Hafte beeindrucken mit ihrer reinen Vielfalt.
Nicht minder beeindruckend ist ein 1807 von Hubers Ururgroßvater kunstvoll aus Blech erschaffenes Grabkreuz. Anfang des Jahres wurde es von Huber aus über 300 Kupfer-Einzelteilen nachgebaut und als Replik am Familiengrab auf dem Friedhof Kißlegg wieder aufgerichtet.
Handwerk, das begeistert
Der kunstvolle Umgang mit und die Liebe zum Metall haben sich seit über fünf Generationen in Hubers Familienbetrieb fortgesetzt. Genau das strahlt Wolfgang Huber aus. Mehr noch: Wer den Kurator und Flaschnermeister näher kennt, weiß dessen bescheidene Art zu schätzen. Mit spannenden und dennoch stets fachlichen Erzählungen gelingt es ihm, die Sichtweise und Perspektive auf einzelne Ausstellungsstücke neu zu fokussieren und Ausstellungsbesucher in eine magisch anmutende Flaschnerwelt zu entführen. Zahlreiche Aha-Momente sind die unweigerliche Folge – die Außenwirkung für die gesamte Berufsgruppe ist von unschätzbarem Wert! Hubers Flaschner-Kunst-Ausstellung ist folglich ein Muss für alle Baumetaller, die sich für den historischen Ursprung ihres Handwerks und den Erhalt historischer Metalldächer interessieren. Aber auch der Handwerksnachwuchs sowie Nicht-Handwerker, die sich für die Schönheit von Material und Form interessieren, kommen in dieser Ausstellung auf ihre Kosten. Das Flaschnerhandwerk ist eben doch so viel mehr als nur Rinne, Ablauf und Wasserklappe …
Info
Kunstausstellung „In eigener Sache“
Ausstellung verpasst? Das BAUMETALL-Extra zu diesem Beitrag zeigt weitere Bilder und gewährt spannende Einblicke in die historische Flaschnerwerkstatt des Gastgebers und Kurators Wolfgang Huber.