Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Eine klassische Bleihülle

Überzeugend einfach

Ein mutiger Bauherr und dessen Münchner Architekt Martin Junk beschäftigten sich lange und intensiv mit genau diesen Fragen. Erstaunlicherweise wuchs der Wunsch den Werkstoff Blei einzusetzen mit jedem Tag, an dem sie sich über das weiche und graue Metall informierten. Und das, obwohl nur die wenigsten Bleidächer und Bleifassaden mit flächigen und glatten Scharenstrukturen überzeugen. Im Gegenteil: Zahlreiche Negativbeispiele und andere bleischwere Gegenargumente erschwerten die Entscheidungsfindung zusehends. Dennoch führte der besondere Reiz den das Baumetall Blei ausstrahlt, letztendlich dazu, den Wohnhausneubau mit einer bleiernen Hülle zu umspannen – Abdeckungen und Gaubenbekleidungen eingeschlossen.

Die Aufgabe

Ein Wunsch, ein Einfamilienhaus mit Blei zu bekleiden, wirkt zunächst eher ungewöhnlich. Vielleicht lässt sich auch deshalb die Anzahl bleibekleideter Wohngebäude in Deutschland an einer Hand abzählen. Zudem liegt die Bausumme für die arbeitsintensive Herstellung bleierner Gebäudehüllen deutlich über dem Kostenrahmen anderer Metallbekleidungen – erst Recht wenn neben der Fertigung auf höchstem handwerklichem Niveau absolut glatte Oberflächenstrukturen gefordert werden. Zur Erinnerung: Ein traditionelles und klassisches Bleidach entsteht bis auf wenige Ausnahmen in reiner Handarbeit. Dabei kommen nur Handwerkzeuge, wie Treibhämmer und Setz- oder Treibhölzer zum Einsatz. Es liegt also auf der Hand, dass zur Herstellung glatter Walzblei-Oberflächen nicht nur Know-How, sondern auch viel Erfahrung im Umgang mit dem weichen Baumetall erforderlich ist.

Der Musterbau

Die beauftragten Fachbetriebe, das Holzbauunternehmen Moser OHG aus Freiberg und der Bleidach-Spezialist Jakobs aus Hennef/Sieg, arbeiteten von Anfang an sehr eng mit dem Architekten Martin Junk zusammen. So entstanden zahlreiche CAD-Animationen und maßstabsgetreue Detailpläne. Die angefertigten Zeichnungen gipfelten schließlich in einem entsprechenden „Muster-Aufbau“ des gesamten Hauses. Das in der großzügigen Montagehalle der Moser OHG als Vollholzkonstruktion erstellte Muster ermöglichte einerseits die Begutachtung der späteren Bauausführung, andererseits konnten wichtige Anschlussdetails, etwa die außergewöhnliche Trauf- und Ortgangausbildung, festgelegt werden.

Die Ausführung

Die Dachflächen sowie die verschachtelte Dachgaube samt Abdeckungen wurden in original englischer Leistendeckung mit Holzkernwulst ausgeführt. Dabei kam ausschließlich Blei als Tafelware der Marke Saturnblei vom Bleiwerk Anton Schneider und Söhne aus Mönchengladbach zum Einsatz. Die Bleieindeckung erfolgte auf einer diffusionsoffenen Trennlage (Dörken Delta Foxx). Das Dach- und die Gaubenfläche wurden als doppelschalige und belüftete Konstruktion ausgebildet. Die Lüftungsebene des Daches verläuft von Traufe zu Traufe. Dabei wird der Luftstrom durch die Gaubenflächen bis zur Fensterfront geleitet und der Hochpunkt als Entlüftung genutzt. Die Aufdoppelung der aus zwei Ebenen bestehenden doppelschaligen Konstruktion gewährleistet die thermisch perfekte Belüftung der gesamten Bleihülle.

Die Fassade

Die ebenfalls belüftete Fassadenfläche wurde mit einem einfachen Liegefalz als versetzte Spiegeldeckung im Längsbandformat bekleidet. Um zu verhindern, dass die Fassadenelemente durch das hohe Eigengewicht abrutschen, wurden durchgängige Edelstahl-Einhangstreifen verwendet. Die aus 2,5-mm-Blei bestehenden Fassadenelemente liegen vollkommen plan auf der exakt gefertigten Holzschalung auf. In den Falzen wurden Liegehaften eingebaut – einerseits um den Festpunktbereich mit der einhergehenden Abrutschsicherung zu versehen, andererseits um die Ausdehnung zu gewährleisten. Bei Bleifassaden ist das Einhalten von Achsmaßen in Bezug auf die Scharenlängen und auf die Lage sowie die Windsoglasten zu beachten, wozu über die Fachregel hinausgehend viel Erfahrung und eine gute Portion Bauchgefühl nötig ist. Alle Nagelbefestigungen erfolgten mit Breitkopfstiften (28/30) mit gerautem Edelstahl-Schaft (Werkstoff Nr. 1.4301). Auch Profile wie Standrinnen, Lüfterstreifen und aus einem Zuschnitt gekantete Lüfter-Einhangelemente bestehen aus Edelstahl.

Der Baukörper

Der moderne Neubau entstand in einem alten Villenviertel am Dresdner Elbhang unweit des „Blauen Wunders“. In seinem eher traditionellen Umfeld erscheint der Baukörper nicht nur wie ein Sonderling, sondern ist auch durch den großflächigen Einsatz von Blei ein Unikat. Die lebendige Gebäudehülle aus 2,5 bis 3,00 mm starkem Blei strahlt genau die Tiefe aus, welche Bauherrn und Architekten gleichermaßen am Herzen lag.

Darüber hinaus verstärkt der natürliche Patinierungsprozess die lebendige und massige Wirkung des grauen Werkstoffes und hebt so die gewünschte Tiefe hervor. Im Laufe der Zeit wird sich die gräuliche Bleihülle in einen besonders reizvollen weiß-grauen Panzer verwandeln und das Gebäude über viele Jahrzehnte vor Witterungseinflüssen schützen.

Der Hintergrund

Trotz perfekter Planung und sorgfältiger praktischer Umsetzung bleiben drei entscheidende Fragen offen:

  • Was bewegt einen Bauherrn dazu, für eine Bleibekleidung ein Mehr­faches auszugeben?
  • Was bewegt einen Architekten dazu, den Handwerker tief in die Planung einzubeziehen?
  • Was bewegt einen Handwerker dazu, bei der Realisierung stets die beste Lösung zu finden?

Die Antwort ist denkbar einfach: Gegenseitige Toleranz und die damit verbundene Freiheit bei der Umsetzung. Alle am Bau beteiligten brachten ihre Erfahrung ein und tauschten sich weit über die fachliche Ebene aus. Der entstandene kreative Freiraum, erstreckte sich von der individuellen Gestaltung bei der Umsetzung bis hin zu den Bereichen Zeit- und Finanzplanung. Das vorgestellte Beispiel verdeutlicht, dass eine verhältnismäßig teure und aufwendige Bleihülle auch für Einfamilienhäuser geeignet ist. Wichtig ist jedoch die Bauherrschaft lückenlos zu informieren. Nur dann kann glaubhaft vermittelt werden, welchem Wert eine handwerkliche Leistung, wie sie zur Erstellung einer Blei-Gebäudehülle nötig ist, entspricht. Die fertiggestellte Blei­hülle des Dresdener Wohnhauses am Elbhang überzeugt Bauherren und Architekt gleichermaßen. Sie veranschaulicht eindrucksvoll, wie über dem Standard liegende Klempnerarbeiten aussehen können.

Die Zugabe

Eine ebenfalls über dem Standard liegende besondere Begebenheit ereignete sich während der Abrechnungsphase. Mit der Schlussrechnung war wie üblich eine 5%ige Sicherheitsleistung fällig. Wie immer fügte der beauftragte Klempner-Fachbetrieb Jakobs der Schlussrechnung eine Normbürgschaftsurkunde bei. Kurze Zeit später erhielt der Bleispezialist aus Hennef nicht nur die volle Schlussrechnungssumme, sondern auch einen außergewöhnlichen Brief von einem offensichtlich sehr glücklichen Bauherrn. Darin heißt es unter anderem:

„… auch Dank Ihres persönlichen Einsatzes konnten wir eine meisterhafte mängelfreie Bleibekleidung für unseren Neubau erhalten. Ihre Arbeit ist werthaltiger als jede, der Vertrauensbildung dienende Bürgschaft. Weil dafür die Begründung entfällt, gebe ich die Bürgschaft sofort an Sie zurück. Sie kennen es besser: Das Überzeugende ist einfach!…“

BAUTAFEL

Bauherr: Ludwig Seebauer, Dresden

Architektur: Martin Junk, München

Verarbeiter: Jakobs, Hennef/Sieg

Material: Saturnblei als Tafelware 2,50 mm und 3,00 mm

Werk: Anton Schneider + Söhne, Mönchengladbach

Menge/Fläche: cirka 14 t Saturnblei für etwa 200 m2 zu bekleidende Fläche

Hinweise zum Werkstoff Blei und zu entsprechenden Schulungen: Gütegemeinschaft Blei-Halbzeuge e.V. Düsseldorf Bleiwerk Anton Schneider & Söhne Mönchengladbach

Praxis-Tipp

Solide geplante und konsequent umgesetzte belüftete Konstruktionen sind zur Vermeidung von Unterseitenkorrosion unerlässlich. Außerdem ist der Einsatz aufwendig hergestellter, kostspieliger Sonderprodukte, wie beispielsweise unterseitig zinnplattiertes Walzblei, bei einer funktionierenden Be- und Entlüftung nicht notwendig. Überhaupt macht die Beachtung bauphysikalischer Gesetzte jedes Kaschieren fehlerhafter handwerklicher Umsetzung überflüssig.

AUTOR

CHRISTOPH JAKOBS

ist Spengler- und Dachdeckermeister. Nebenberuflich bietet er fachgerechte Beratungen rund um das Thema Bleiverarbeitung an.

Er spendet sein Autoren­honorar an das Deutsche Klempner- und Kupfer­schmiedemuseum in Karlstadt. BAUMETALL bedankt sich dafür.

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ BM E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Themenhefte
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen

Tags