Mit einem Fuß im Gestern
Slogans wie „Bei uns ist alles gut bedacht“ oder „Ihr Dach in guten Händen“ könnten durchaus als Werbebanner die Zufahrt zu dem schmucken Spengler-Anwesen vor Friesachs Toren flankieren. Und während viele Friesacher stolz auf die noch wasserführenden spätmittelalterlichen Wassergräben vor den gut erhaltenen Wehrmauern sind, freuen sich Inhaber und Mitarbeiter der Dachdeckerei und Spenglerei Reinbold über das exakte Gegenteil: Die über 100 Jahre zurückreichende Tradition gründet unter anderem darauf, dass in handwerklicher Arbeit die genannten Gewerke fachgerecht und optisch ansprechend derart tätig werden, dass eben kein Wasser stehen bleibt. Wären die handwerklichen Vorfahren weiblich gewesen, dann hätten Friedrich und Thomas Reinbold die Arbeitstechniken mit der Muttermilch aufgesogen. So führte ihr Weg jeweils nicht selten direkt nach der Schule in den elterlichen Betrieb, wo sie zunächst für einfache Arbeiten eingesetzt wurden. Schon früh erfuhr auch Thomas Reinbold, dass er mit seiner Hände Arbeit Geld verdienen kann. Aus heutiger Sicht waren es Groschen- oder Pfennig-Artikel, die er in solchen Stückzahlen fertigte, wie es für die Monteure des Vaters auf der Baustelle elementar wichtig war. So ging alles Hand in Hand und das hat auch die Mitarbeiter geprägt. Allerdings ist die Arbeit durchgängiger organisiert als früher. Während es damals „die da drinnen“ in der Werkstatt gab und „die anderen“ überwiegend oder sogar ausschließlich „draußen“ unterwegs waren, misst mittlerweile jeder das selber auf, was vor Ort beim Kunden montiert werden soll. Dadurch reduzierten sich Schuldzuweisungen und damit Reibungsverluste. Nach dem Motto „Geht nicht? Gibt’s nicht“ ist „dem Reinbold und seinem Monteur nichts zu schwör“.
Die Werkstatt an sich ist zergliedert in Räumlichkeiten, denen über die Jahre teilweise spezifische Aufgaben zugeteilt worden sind. Dabei wurde stets Wert darauf gelegt, dass die althergebrachten Maschinen dem Arbeitsfluss nicht entzogen werden, sondern erhalten bleiben. Hinzu kommt, dass ältere Maschinen Eigenschaften haben, die moderne konstruktiv nicht mehr vorweisen. So lässt sich beispielsweise an einer älteren Abkantpresse eine Begrenzung entfernen und so auch Bleche sequenziell biegen, welche die Maschine in der Länge überragen. Und so hat dort alles einen Platz. Gut: All das braucht stete Anstrengung und Antrieb, doch es funktioniert.
Und noch etwas ist erwähnenswert: Bei Reinbold ist es keine Frage, dass sich Lehrlinge auch am Wochenende auf die Messe nach Klagenfurt begeben und dort am Stand der Handwerkskammer ein Modell bearbeiten. Stephan Grabner ist einer von ihnen. Dass er schon in jungen Jahren ein Profi seines Faches ist, entgeht auch nicht der Reporterin des Österreichischen Fernsehens ORF, und zack ist der Reinbold-Nachwuchs im Fokus der Kameras und Blitzlichter. Wenn das nicht motiviert!
Friesach in Küchentisch-Größe: Das haben wir viermal gemacht!
Die Liebe zu seiner Heimatstadt ist Friedrich Reinbold in die Wiege gelegt worden. Sie ist für ihn Heimat und Heimstatt zugleich und so macht er sich immer wieder Gedanken, wie er diese Zuneigung zum Ausdruck bringen kann. Doch muss er sich aktiv keine Gedanken machen – es sprudelt quasi aus ihm heraus wie auch seine anderen Ideen. So fing er irgendwann damit an, einzelne bedeutende Gebäude aus Rinnenblech als Modell nachzubauen. Was als Spielerei in seiner Entwicklungsstube anfing, wuchs und wuchs, und irgendwann war die Idee geboren: Um Gästen der Stadt die Zusammenhänge der Lage von Gebäuden zueinander und die Entfernungen voneinander verdeutlichen zu können, könnte es doch ein Modell der ganzen Stadt geben, mit Bergen aus doppelt gefalzten Blechen und gebogenen Dächern.
Als das Modell auf dem Hauptplatz der ältesten Stadt Kärntens aufgebaut war, wurde allerdings versäumt, es mit einer Scheibe abzudecken oder auf andere Art zu schützen. Im Winter war dann alles eine große, schneebedeckte Fläche, die von Feiernden an Silvester als Bühne genutzt wurde – mit fatalen Folgen für die Modellhäuser. „Abreißen oder erneuern?“ war die Frage und wo andere kapituliert hätten, legten sich die Reinbolds ins Zeug: unglaubliche vier Mal, bis alles gegen Vandalismus abgeschirmt war.
Tradition und individuelle Werte
Ganz anders im Büro des Spengler-Fachbetriebs. Dass es dort etwas zu holen gibt, erwarteten auch Diebe, die mehrfach ins Gebäude eindrangen, jedoch zum Glück nicht in den Tresor gelangten. Denn dort lagern die wahren Schätze: die während der vergangenen Jahre spröde gewordenen Papierprospekte von historischen Blechbearbeitungsmaschinen, die einst der Großvater erwarb. Eigenhändig markierte dieser die gekauften Exemplare im Prospekt. Gerade so, als ob der Bestellkatalog ein Sammelalbum wäre, das sich Stück für Stück füllt in dem Bestreben, alle feilgebotenen Maschinen und Werkzeuge eines Tages zu besitzen. Wer weiß? Vielleicht hat ja Meister Friedrich Reinbold das Bedürfnis zu vollenden, was der Großvater einst begann. Und so finden sich in der zergliederten Werkstatt, aber davon berichtete ich bereits …