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17 Düsenjäger aus Titanzink

Für die Workshop-Trainer Friedrich und Thomas Reinbold aus Kärnten sowie die 17 Teilnehmer gibt es keinen Zweifel: Keine andere Örtlichkeit könnte besser zu diesem Workshop-Angebot passen als die Werkhalle der Kaelin Aero Technologies GmbH. Mehr noch: Nirgendwo sonst kommen sich die Welten von Bau- und Flugzeugspenglern näher als in Hochmössingen bei Oberndorf am Neckar. Hier, am Ende der Schwäbischen Alb, beginnt für die Mitarbeiter von Kaelin Aero und für deren Gäste nicht nur der Schwarzwald, sondern auch der Traum vom Fliegen. Ein entsprechendes Statement auf www.kaelin.aero bringt es auf den Punkt: „Kaelin Aero ist Ihr einzigartiger Partner für den Flugzeugstrukturbau. Wir verbinden umfassende Erfahrung mit größtem Einsatz und Herzblut – kurz: Die Faszination Fliegen wird bei uns täglich aufs Neue gelebt.“ Und genau diesen Spirit griffen die aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angereisten Workshop-Gäste auf. Klempner aus Kiel oder dem Spreewald waren folglich ebenso begeistert wie Spengler aus Bayern, Kärnten, Zürich oder Thurgau bzw. Flaschner aus Schwaben oder Blechner aus Baden.

Wichtige Orientierungspunkte werden auf 40 Einzelteile je Bausatz übertragen

Bild: BAUMETALL

Wichtige Orientierungspunkte werden auf 40 Einzelteile je Bausatz übertragen
Frank Preuss beim Ankörnen

Bild: BAUMETALL

Frank Preuss beim Ankörnen

Hangar auf

Unaufhaltsam klettert das Thermometer der 30-Grad-Marke entgegen. Als ich das Werksgelände von Kaelin Aero erreiche, herrscht bereits geschäftiges Treiben. Herzblutflaschner und Flugzeugspengler Frank Preuss ist mit letzten Vorbereitungen beschäftigt – bringt Kühlschrank und Kaffeemaschine in Position und rückt riesige Werkbänke im Workshop-­Hangar zurecht. Einladend ist das Roll­tor der nagelneuen Fabrikationshalle geöffnet. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, an ­einer bedeutsamen Geburtsstätte der Flugzeugkonstruktionskunst gelandet zu sein. Erst bei genauerem Hinschauen entdecke ich verschiedene Flugzeugkomponenten: den Rumpf einer Pilatus PC9, das Chassis einer Yak 3M und die Tragflächen einer Hawker Hurricane zum Beispiel. Und gleich hinter den Workshop-Werkbänken steht der Kaelin-Neuzugang – die Junkers A50 Junior. Das einmotorige Ganzmetall-Leichtflugzeug erhob sich 1929 erstmals in die Lüfte. Und wie es damals für Junkers-Flugzeuge typisch war, besaß auch diese Maschine eine Leichtmetall-Wellblechbeplankung. „Das in der Workshop-Halle geparkte Flugzeug wurde der Fachwelt erst vor wenigen Tagen vorgestellt“, erklärt Frank Preuss. Das zweisitzige Propellerflugzeug ist ein nahezu detailgetreuer Nachbau. Unter der Wellblechstruktur verbirgt sich jedoch topaktuelle Technik. Darüber hinaus erfüllt das Fluggerät mit maximal 600 kg Startgewicht die Bedingungen eines Ultra-Leichtflugzeugs. Was die anwesenden Klempner jedoch am meisten beeindruckt, ist die perfekt ausgeführte Aluminiumhülle der Maschine. „Das Flugzeug wird hier bei Kaelin in reiner Handarbeit gefertigt“, sagt Preuss. Alle Wellbleche werden von den Kaelin-Mitarbeitern einzeln geprägt. Besonders gelungen sind die Abschlüsse der Wellblechsicken, die regelrecht in das glatte Metall einzutauchen scheinen. Allein dieses Detail ist ein Ergebnis unzähliger Tests und Tiefziehversuche.

Michael Knoppan ist voll motiviert

Bild: BAUMETALL

Michael Knoppan ist voll motiviert
Workshop-Trainer Friedrich Reinbold erklärt Meisterausbilder Arno Fell wie die Spanten im Rumpf eingesetzt werden

Bild: BAUMETALL

Workshop-Trainer Friedrich Reinbold erklärt Meisterausbilder Arno Fell wie die Spanten im Rumpf eingesetzt werden

Startfreigabe mit Flugpappe

Die Startaufstellung der Workshop-Teilnehmer an den Werkbänken erinnert mich an ein Formel-1-Rennen. Gebannt warten sie darauf, dass die Startflagge geschwenkt wird und das Spektakel beginnt. Pünktlich um 10 Uhr erteile ich Workshop-Trainer Friedrich Reinbold Startfreigabe. Gut so, denn der Herzblutspengler aus Kärnten in Österreich ist in Eile. Und er ist den 17 Workshop-Teilnehmern einen entscheidenden Schritt voraus: Er weiß, dass der Bau der gut 1 m langen Lockheed F104 in der angesetzten Workshop-Zeit nur von routinierten Spenglern zu schaffen ist. Entsprechend kurz fällt seine Einführung aus. Nachbrenner bzw. Lötbrenner an und los geht’s! Zunächst übertragen wir wichtige Orientierungspunkte auf die wasserstrahlgeschnittenen Titanzink-Bauteile – legen dazu Papierschablonen auf die entsprechenden Spanten, Rumpf- und Flügelteile. Das gleichzeitige Tackern von 17 Ankörnnadeln erinnert mich an das Motorgeräusch der abseits geparkten Junkers Junior.

Aufmerksam beobachten Friedrich und Thomas Reinbold „ihre“ Modellbauer, geben Hilfestellung und erklären, warum die Körner-Doppelpunkte besonders wichtig sind: „Die einzelnen Spanten sind sich sehr ähnlich. Die Markierungen geben Orientierung und helfen dabei, Verwechslungen auszuschließen bzw. die Ober- und Unterseite der Bauteile zu bestimmen.“

Nach Sternen greifen*

Die Lockheed F-104 Starfighter ist ein einstrahliges Kampfflugzeug aus US-amerikanischer Produktion. Hergestellt wurde es ab 1956 durch die Lockheed Corporation in Burbank. Später fertigten auch kanadische und europäische Lizenznehmer das Modell in großer Stückzahl. Die F-104 war als reiner Tag- und Abfangjäger konzipiert, optimiert für hohe Geschwindigkeiten und extreme Steigleistung. Von der United States Air Force bis zum Ende der 1960er-Jahre verwendet, war der Starfighter bei Luftstreitkräften mehrerer Nato-Staaten bis weit in die 1990er-Jahre im Einsatz.

Jochen Müller beim Runden eines konischen Rumpfteils 

Bild: BAUMETALL

Jochen Müller beim Runden eines konischen Rumpfteils 
Geformte Rumpfteile warten darauf, stabilisierende Spanten eingesetzt zu bekommen

Bild: BAUMETALL

Geformte Rumpfteile warten darauf, stabilisierende Spanten eingesetzt zu bekommen
Stephan Muntwyler und Andreas Buck beim Einlöten der Spanten

Bilder: BAUMETALL

Stephan Muntwyler und Andreas Buck beim Einlöten der Spanten
Teilnehmer Urs Fretz mit den Kursleitern Friedrich und Thomas Reinbold

Bild: BAUMETALL

Teilnehmer Urs Fretz mit den Kursleitern Friedrich und Thomas Reinbold

Voll motiviert

Unser Qualitätsanspruch ist hoch, unsere Motivation ist gewaltig und unsere Lötkolben sind heiß. Die Fertigung der Flugzeugmodelle kommt folglich gut voran. Bereits wenige Stunden später sind erste Teile des raketenförmigen Rumpfes zusammengesetzt. Thomas Reinbold erläutert: „Da alle Bauteile lediglich stumpf zusammengelötet werden, ist es wichtig, die Komponenten exakt zu formen.“ Dazu kommen neben verschiedenen Rundbiegemaschinen auch Schwenkbiegemaschinen zum Einsatz, die man bei den Flugzeugspenglern von Kaelin ebenso antrifft wie in jeder anderen Spenglerwerkstatt. Abgesehen von den eingesetzten Metallen sind die Unterschiede bei der Blechbearbeitung in beiden Blechwelten verschwindend gering. Tiefziehen, Kanten, Biegen, Schneiden, Strecken, Stauchen oder Nieten sind Techniken, die im Flugzeugbau ebenso vorkommen wie beim Herstellen von Metallbedachungen oder Fassaden. Lediglich das Löten wird vorzugsweise von Bauspenglern angewandt, denke ich und schaue mich um. Die Teilnehmer sind derart vertieft in ihre Aufgabe, dass sie sich, wenn überhaupt, nur kurze Pausen gönnen. Nahezu ununterbrochen rauschen die Lötgeräte – werden Rumpf- und Tragflächenhälften sowie Triebwerke angeheftet. Und am Nachmittag des ersten Workshop-Tages sind unsere Flugzeuge bereits als solche erkennbar.

Maßstab 1:16

Friedrich und Thomas Reinbold sind zufrieden. Die Arbeiten in der Mini-­Flugzeugwerft kommen gut voran. Während „Co-Pilot Thomas“ beim Zuschneiden, Formen und Anpassen einzelner Bauteile behilflich ist, kümmert sich „Pilot Friedrich“ um den fluchtgerechten Zusammenbau von Rumpf, Flügeln und Leitwerk. Der qualitätsbewusste Workshop-Trainer hat dazu eine gerasterte Unterlage ausgerollt. Mit verschiedenen Winkeln und Lehren überprüft er die Position der von den Teilnehmern gehefteten Bauteile und erteilt schließlich sein Okay zum endgültigen Zusammenbau: „Wenn sich die Achse nur geringfügig dreht oder die Flügel im falschen Winkel angelötet werden, sieht der Flieger einfach nicht gut aus“, sagt der Virtuose und besteht darauf, dass ich eine Tragfläche nochmals vom Rumpf löse. Die Zeit drängt und das erneute Anbringen des Flügels kostet mich fast eine Stunde. Doch der Aufwand lohnt sich und mein Düsenjäger sieht schon fast so aus wie das 16-mal größere Original.

Überhaupt könnte man meinen, der Starfighter würde hier bei Kaelin in Kleinserie montiert. Die auf 17 Stück limitierten Workshop-Flugzeuge hätten in der Originalgröße und dicht hintereinander geparkt eine Gesamtlänge von stolzen 283 m. Doch auch im Maßstab 1:16 ist der Titanzink-Flieger eine stattliche Erscheinung. Seine Spannweite beträgt immerhin 42 cm und an den Flügelspitzen des Modells befinden sich zwei wunderschöne Zusatztanks. Aus zwei Halbschalen zusammengesetzt sind sie mit jeweils vier kleinen Flügeln ausgestattet und verleihen so dem Modell das gewisse Extra.

Der Bau der Tanks hat es in sich. Um kostbare Workshopzeit einzusparen, hat Flugzeugspengler und Tüftler Frank Preuss eine raffinierte Pressvorrichtung angefertigt. Die aus Metall gefräste Form stellte er mit Unterstützung der CAD-Experten von Kaelin her, die ihrerseits tief in die CAD-Trickkiste griffen. Sie berechneten Stempel und Matrize so, dass eine Blechdicke von 0,7 mm exakt dazwischenpasst. Das Ergebnis sind formschöne und sehr passgenaue Tankhälften, die dem filigranen Fluggerät das gewisse Extra verleihen. Dazu Kursleiter Friedrich Reinbold: „Erst mithilfe der gepressten Tankhälften war es möglich, den Titanzink-Starfighter in der knappen Zeit zu bauen. Das herkömmliche Herstellen der filigranen Zusatztanks wäre sehr aufwendig gewesen. Außerdem finde ich, dass der Starfighter ohne Zusatztanks nur halb so gut aussieht.“ Recht hat er, und genau das bestätigten dem flugbegeisterten Workshop­leiter am Nachmittag des zweiten Workshoptages 17 begeisterte Teilnehmer, die stolz ihre Düsenjäger in die Höhe reckten.

Schnurgerade: Erich Moser überprüft Fluchtpunkte per Augenmaß …

Bild: BAUMETALL

Schnurgerade: Erich Moser überprüft Fluchtpunkte per Augenmaß …
… Uwe und Paul Burghardt per Raster und Winkel

Bild: BAUMETALL

… Uwe und Paul Burghardt per Raster und Winkel

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