Auf dem Weg vom Wiener Flughafen ins österreichische Burgenland gleite ich mit 100 Stundenkilometern über die Autobahn. Eine knappe Stunde später erreiche ich das Wirtschaftszentrum Mattersburg. Mehr als 300 Betriebe stellen dort insgesamt über 3400 Arbeitsplätze zur Verfügung – zahlreiche davon der Fachbetrieb des Kollegen und Spenglermeisters Ernst Zimmermann*. Als ich das Firmengelände der Zimmermann GmbH erreiche, traue ich meinen Augen kaum. Das 2017 eingeweihte Firmendomizil der Gebäudehüllenprofis erinnert eher an ein Speditionsgelände als an eine Spenglerwerkstatt. Hinter dem großzügig dimensionierten, automatisch öffnenden Einfahrtstor befinden sich glatt asphaltierte Hofflächen und Zufahrtswege, die den 7500 m² großen Komplex von allen Seiten aus erreichbar machen. Direkt am Haupteingang entdecke ich ein interessantes Dachmodell. Neben perfekt ausgeführten Stehfalzscharen werden dort Sicherheits- und Schneestoppsysteme samt Eishaltern und Haften präsentiert. Besonders raffiniert ist die Gratleistenkonstruktion mit integriertem Einzelanschlagspunkt. Welches Potenzial sich sonst noch in diesem Veranschaulichungsobjekt verbirgt, werde ich bestimmt später erfahren, denke ich und gehe weiter.
Durch eine sich automatisch öffnende Glasschiebetüre gelange ich in den Bürobereich der Zimmermänner und -frauen. Lichtdurchflutet und modern eingerichtet, erstreckt sich der Gebäudeteil über drei Etagen. Die schiere Größe des Verwaltungskomplexes lässt eine entsprechende Personalstärke vermuten und tatsächlich: Dachdecker- und Spenglermeister Michael Zimmermann beantwortet meine dahingehende Frage mit einer runden Zahl: 100! Sichtlich beeindruckt vom bis dahin Gesehenen, kann ich es kaum erwarten, in das Herzstück des Unternehmens zu gelangen. Aber daraus wird vorerst nichts. Michael Zimmermann schaut auf die Uhr und mahnt zur Eile: „Wir müssen los, die Sitzung beginnt in Kürze.“
3D-Druck und viel Spenglertechnik
Rund 30 Minuten später erreichen wir das Weingut Schaflerhof in der Gemeinde Deutschkreutz. Hier versammeln sich in diesem Jahr die Fachgruppen-Mitglieder der „Wirtschaftskammer Burgenland, Dachdecker, Glaser und Spengler, Landesinnung“. Zugegeben: Die Bezeichnung ist etwas sperrig. Das Tagungsprogramm ist es nicht! Knackige Fachvorträge und Showeinlagen dominieren die Veranstaltung. Mein Vortragsthema über Fassaden aus dem 3D-Drucker verblüfft die Kollegen ebenso wie die Illusionen des aus dem Fernsehen bekannten Zauberkünstlers Christoph Kulmer. Aber auch die von Günther Braitner fachkundig präsentierten Informationen zu überarbeiteten Normen für Dachdecker, Spengler und Bauwerksabdichter begeistern. Braitner ist Inhaber eines technischen Büros. Zu seinen Leistungs- und Beratungsschwerpunkten gehört beispielsweise die professionelle Hilfestellung zur Planung, Ausarbeitung und Umsetzung von Dachlösungen, Dachentwässerungskonzepten, Windlastberechnungen oder Schneeschutzanlagen. Bei den österreichischen Kollegen ist Braitner ein angesehener Fachmann. Der Spezialist für Berechnungen, Überprüfungen, Ausschreibungen und Kostenschätzungen rund um anspruchsvolle Spenglerdetails hat sich als Dienstleister entsprechend etabliert.
Seit 168 Jahren in Mattersburg
Am nächsten Morgen empfängt mich Ernst Zimmermann, um mir seine Spenglerwelt zu zeigen. Ich bin gespannt, denn schon mein erster Eindruck hat Lust auf mehr gemacht. Dennoch muss ich mich noch etwas gedulden, weil wir zunächst den Verwaltungstrakt des 1851 gegründeten Fachbetriebs besichtigen. Hier sind die modern eingerichteten Arbeitsplätze der Techniker, Bauleiter, Buchhalter und Sekretärinnen untergebracht. Besonders stolz ist Ernst Zimmermann darauf, dass auch seine beiden Söhne im Unternehmen tätig sind: Spengler- und Dachdeckermeister Michael als geschäftsführender Bauleiter der Abteilungen Bedachung und Spenglertechnik – Martin als geschäftsführender Spengler- und Holzbaumeister sowie als Bauleiter der Holzbauabteilung. Die Brüder leiten das traditionsreiche Handwerksunternehmen in sechster Generation. Am neuen Standort und gemeinsam mit dem 100-köpfigen Team möchten sie die Zimmermann GmbH in eine erfolgreiche Zukunft führen.
Achtung, Rutschgefahr!
Dann ist es so weit: Zu viert betreten wir die Spenglerwerkstatt, in der gerade eine Mitarbeiterin auf einer Scheuersaugmaschine sitzend Bahnen zieht. „Das ist das Samstagsritual im Hause Zimmermann“, sagt Ernst Zimmermann und fügt an: „Wir legen großen Wert auf Sauberkeit – nicht nur in unseren Gebäuden, sondern auch bei der Ausführung unserer Arbeit.“ Und genau mit diesem Satz sind wir mitten drin im Fachgespräch – unterhalten uns über die Wichtigkeit von Staubbindung bei der Blechbearbeitung – über Verunreinigungen, die Biegeprozesse negativ beeinträchtigen, und über fremdkörperverursachtes Knirschen bei Profilherstellung und Coilverarbeitung. Noch während ich den Argumenten der drei Zimmermänner zustimme, richtet sich mein Blick automatisch nach links. Wie inszeniert verleihen grelles Streiflicht und die Restfeuchtigkeit auf dem frisch gereinigten Werkstattboden einer – nein, gleich vier Coilbearbeitungsstationen besondere Eleganz. Die in Reih und Glied stehenden Forstner-Anlagen vermitteln eine Vorstellung davon, wie viel Material in der Zimmermann GmbH täglich bearbeitet wird. Und weil ein derart hoher Materialdurchsatz auch weiterverarbeitet werden muss, stehen den vier Abcoilstationen gleich vier Langabkantmaschinen gegenüber. Selbstredend befinden sich in der lichtdurchfluteten Werkhalle auch Bereiche zur Rollprofilierung von Scharen und Paneelen unterschiedlicher Art sowie zur Herstellung kürzerer Kantprofile. Eine Überraschung erwartet mich in einer Nische auf der gegenüberliegenden Werkstattseite. Es ist eine rein mechanisch betriebene 6-m-Langabkantmaschine aus dem Hause Thalmann, die noch immer im Einsatz ist. „Zur Herstellung von Musterprofilen oder wenn es zwischendurch einfach einmal sehr schnell gehen muss, ist unsere Thalmann aus dem Jahr 1965 einfach unschlagbar“, versichert Ernst Zimmermann und legt nach: „Eine Maschine für echte Männer und echte Handarbeit eben.“
Alles griffbereit
Über einen breiten Durchgang gelangen wir in den überdachten Logistikbereich. Hier werden Fahrzeuge mit all dem beladen, was zur reibungslosen Montage erforderlich ist. Immer griffbereit sind neben Hand- und Elektrowerkzeugen unter anderem auch Kleinmaterialien, Trennlagen, Dämmstoffe und anderes Zubehör. In der sich anschließenden Halle ist die Holzbearbeitung samt stationären Sägen und entsprechenden Absaugvorrichtungen untergebracht. Der Bereich für die Dachbaustoffe befindet sich im Außenlager, wo neben Abdichtungsmaterialien auch Dämmstoffe oder Dachziegel lagern. Weitere Einrichtungen wie ein Lager für lösemittelhaltige Lacke, Kleber und Chemikalien oder die firmeneigene Tankstelle optimieren die Performance der Zimmermann GmbH zusätzlich.
Hauptsache, es hält!
2014 wurde die Firma SBZ Dachtechnik gegründet. Eigentümer und Geschäftsführer sind Othmar Berner und Ernst Zimmermann. SBZ beschäftigt sich mit Befestigungstechnik auf dem Dach und speziell mit Befestigungselementen für das Doppelstehfalzdach. Ein weiterer Produktschwerpunkt befasst sich mit Angeboten für das Steil- und Flachdach. Das SBZ-Leitprodukt ist das Kombisystem x4, bestehend aus Fest- und Schiebehaften, Dachsicherheit, Solar- und Photovoltaikbefestigung sowie Schneerechensystemen. Alle Produkte sind aufeinander abgestimmt. Entsprechende Auszugs- und Schubwerte sind hervorragend. So haben zum Beispiel die Hafte den bis zu zehnfachen Auszugswert gegenüber üblichen Systemen. „SBZ-Hafte schnitten im Vergleich beim Forschungsvorhaben ‚Tragverhalten von Haften in Doppelstehfälzdächern‘ an der Fachhochschule Rosenheim eindeutig am besten ab“, versichert Ernst Zimmermann, der aufgrund seines Engagements in der Dachs-Gruppe tiefe Einblicke in die Thematik vorweisen kann. Und auch beim Thema Dachsicherheit gibt es bei SBZ Speziallösungen – etwa Seilsicherungssysteme, die direkt am Grat oder First angebracht werden können. Darüber hinaus punktet SBZ mit speziellen Schneerechen, deren Konstruktion erstaunliche Gitterhöhen bis zu 70 cm ermöglichen. „Alles in allem sind SBZ-Produkte vom Spengler für solche Spengler gemacht, die ihren Kunden die beste Qualität liefern wollen“, versichert Zimmermann.
Wiener Spenglerlösungen für Dach und Fassade
Ein Bauwerk benötigt eine Gebäudehülle, die sowohl bauphysikalische als auch technische und gestalterische Anforderungen erfüllt. „Die Gewerke Holzbau, Spenglerei, Dachdeckerei und Abdichtungen sind beim Bau eines soliden Gebäudemantels unverzichtbar“, so Ernst Zimmermann, der als verantwortungsvoller Handwerker gemeinsam mit seinem schlagkräftigen Team am liebsten moderne Gebäudehüllen realisiert. Unter Berücksichtigung aktueller technischer Richtlinien trägt die Zimmermann GmbH mit viel Erfahrung und Know-how maßgeblich zur erfolgreichen und nachhaltigen Umsetzung entsprechender Architekturvisionen bei. Einige davon stellt mir Ernst Zimmermann bei einer exklusiven Spengler-Tour um und durch Wien vor.
Unser erster Stopp ist das Veranstaltungszentrum „Bruno“ in Brunn am Gebirge. Der modern gestaltete Gebäudekomplex besticht mit seiner aus großformatigen Tecu-Gold-Rauten hergestellten Fassade, die sich teilweise vom Dachrand bis zum Gebäudesockel erstreckt. Die nächste Station ist ein mit Rheinzink bekleideter Wohnkomplex im 10. Bezirk der österreichischen Metropole. Die über 1600 m² große und bogenförmig angeordnete Titanzinkfassade verleiht dem Gebäudeensemble ein zeitloses und zugleich modernes Erscheinungsbild bei maximaler Wartungsfreiheit.
Ein weiteres Spenglerjuwel präsentiert Ernst Zimmermann im Stadtteil 15, wo sein Team Dach- und Fassadenflächen einer Gebäudeaufstockung mit Aluminiumschindeln der Marke Prefa bekleidet hat. Auf einer Fläche von 1300 m² schmiegen sich die grauen Metallschindeln wie eine strukturierte Aluminiumhaut um den Baukörper. Verschneidungen und zahlreiche Einschnitte in den geneigten Fassadenflächen lockern den modern gestalteten Baukörper auf. Eine weitere Besonderheit ist: Die großflächige Gebäudehülle der Aufstockung verbindet darunterliegende vier- bis fünfstöckige Bestandsbauten aus unterschiedlichen Epochen und trägt so zur Harmonisierung des Stadtteils bei.
100 Dank
Ernst Zimmermann, den ich als ruhigen und eher zurückhaltenden, aber sehr fachkundigen Kollegen seit Jahren schätze, hat mich überrascht. Derart bewanderte und zugleich risikofreudige Unternehmerkollegen sind selten und ich wünschte, in der Spengler- und Klempnerbranche gäbe es mehr davon. Mit zahlreichen Fotos im Gepäck steige ich in den Flieger nach Stuttgart. Noch während des Fluges notiere ich, welche Kollegen Ernst Zimmermann unbedingt kennenlernen sollte, um zum Beispiel Erfahrungen in den Bereichen Logistik, Mitarbeiterführung, Digitalisierung oder Maschinenvernetzung auszutauschen, denn: Nichts ist wertvoller als das Zusammenbringen gleichgesinnter „Baumetaller“. Engagierte BAUMETALL-Leser unterstütze ich folglich aktiv oder mit attraktiven Angeboten wie dem BAUMETALL-Austauschformat „Unser Betrieb/ Euer Betrieb“. Und wer weiß: Vielleicht formiert sich um Ernst Zimmermann ja schon bald ein „Unser Betrieb/Euer Betrieb“-Trio, das über Ländergrenzen hinweg aktiv wird.
Fast hätte ich es vergessen: Natürlich bedanke ich mich bei meinem Gastgeber und dessen 100-köpfigem Team für die spannenden Eindrücke. Es waren garantiert mehr als 100!
Info
* Zur Person
Ernst Josef Zimmermann (Bild oben) ist stellvertretender Bundesinnungsmeister der in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) organisierten Bundesinnung Dachdecker, Glaser und Spengler. Dem Mattersburger Spenglermeister wurde für sein Engagement als „Angehöriger des Wirtschaftslebens“ bzw. weil er sich in seinem langjährig ausgeübten Beruf Verdienste um die Republik Österreich erworben hat, ehrenhalber der Berufstitel Kommerzialrat verliehen.