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Sicheres Sonnendach zum Auftanken

Es ist Donnerstag, der 7. Juni – früh rücken wir aus nach Backnang, um bei strahlender Sonne die knapp 100 m2 Dachfläche eines Solar-Carports mit farbbeschichtetem Aluminium in Grau einzudecken. Da die Sonne mit 1370 W/m2 (auch die Solarkonstante genannt) brutzelt, wird uns sonnenklar vor Augen geführt, dass man diese Energie wohl durchaus auch zum Autofahren nutzen kann. An den beiden Tage zuvor hatten die Technikerschüler der Robert-Mayer-Schule die Stahlkonstruktion samt Holzschalung erstellt. Nun sind wir Klempner dran. Freundlicherweise warten die dicken Gewitterwolken am Himmel, bis wir den letzten Falz geschlossen haben, bevor sie sich entladen.

In Summe benötigen wir also drei Tage für eine 100 m2 große, seitlich offene Halle – nicht schlecht und nur bei guter Baustellenvorbereitung möglich. Manche sprechen ja gern von der „chinesischen Arbeitsweise“: 100 Arbeiter und 10 Hämmer, aber so war es bei uns nun wirklich nicht. Jeder wusste, wo er anpacken musste, und der Einsatz der angehenden Meister- und Technikerschüler war enorm trotz drohendem Sonnenbrand – will man doch auch seinen Kollegen zeigen, was man so draufhat. Das gelang auch dank der sorgfältigen Vorarbeit.

Zuvor hatten sich 24 Stahlbau-Technikerschüler und 12 angehende Klempnermeister zusammengeschlossen und das Schulprojekt zu Hause gut vorbereitet. Es galt, die Statik, die 3D-Konstruktion, 2D-Werkpläne und etliche Materiallisten anzufertigen. Betreut wurden sie dabei von Ausbilder Hans-Peter Rösch, der beide Schularten an der Robert-Mayer-Schule leitet. Die Metallbaulehrlinge schweißten die Konstruktion unter Aufsicht der Stahlbau-Meisterschüler zusammen, die Klempner entwarfen die topmodernen Details und kümmerten sich um Profimat, Kantbank und den Materialtransport. Eine Solarfirma bewerkstelligte den Rest – aber auch das wäre für einen Klempner kein Hexenwerk.

Wertvolle Unterstützung leistete die ortsansässige Firma Klempnerei Sälzle, deren Sohn derzeit die Meisterschule besucht und die alle Maschinen kostenfrei zur Verfügung stellte. Die Firma Haushaut spendete fünf Rollen Aluminium, und die anderen Materialien wurden über die Klempnerei Sälzle besorgt und dann mit der Schule abgerechnet. Um Getränke und Essen kümmerte sich die Gewerbliche Schule Backnang. „Runterkommen – wir tauschen wieder Fleischkäse gegen Aluminium“ wurde ein geflügeltes Wort.

Warum und für wen haben sich alle so ins Zeug gelegt? Der Carport ist natürlich kein Selbstzweck, sondern gehört zu den Einrichtungen der Gewerblichen Schule Backnang. Diese hatte sich um die Ausbildung der neuen Hochvolt-Kfz-Mechatroniker zur Reparatur und Wartung der E-Autos beworben und den Zuschlag erhalten. Dafür erhielt sie mithilfe des Landes Baden-Württemberg zwei E-Autos: einen Plug-in-Hybrid und einen reinen E-Antriebler, bezuschusst vom europäischen Erasmus-Projekt EMOR (Electromobility on the Road). Für die Ausbildungsklasse wollte die Schule einen trockenen Schrauberplatz samt Elektrotankstelle schaffen. 600 V und Wasser vertragen sich nämlich nicht so gut und dass E-Autos dann Strom aus fossilen Brennstoffen tanken, passt nun ganz und gar nicht in das Konzept. Unter dem schützenden Dach soll die Energie gespeichert werden und außerdem nachts ein LED-Schauspiel mit Farbwechseln von Rot auf Grün die beiden Wunderautos im Showroom in Szene setzen. Hinzu kommt eine Reihe Steckdosen, die kostenlosen Strom zum Laden von E-Bikes liefern.

Die Stadt Stuttgart hat schon weitere 20 kleinere mobile Anlagen angefragt, die mit Transportanhängern versetzt werden könnten. Damit soll getestet werden, wo genau in Stuttgarts Kessellage Interesse an E-Bike-Strom besteht. Bergab kommt man bekanntlich immer, aber falls es nach Hause wieder nach oben geht, wäre eine kleine Stromnachfüllung ein Segen – vor allem bei extremen Sommertemperaturen, wo jeder den Strom lieber im Akku anstatt auf der Haut zu spüren bekommt.

Neben dem Nutzen für E-Bike-Fahrer und Interessenten für E-Mobilität hat so ein Schulprojekt aber auch einen weiteren Effekt. Zum einen sammeln die beteiligten Schüler praktische Erfahrung, indem sie ein Bauvorhaben eigenverantwortlich durchführen. Und zum anderen wird damit auch eine Breitenwirkung erzielt, denn die Baustelle zieht Neugierige an. Nicht wenige Schüler des Backnanger Schulzentrums kamen, um zu fragen, was denn da abgeht – und erfuhren dabei ganz anschaulich, was Metallbauer und Klempner so tun. Hand in Hand könnten die beiden Gewerke Klempnerei und Stahlbautechnik die Errichtung ähnlicher Solarstationen und privater Solar-Carports als zukunftsträchtiges Modell anbieten und sich eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen.

Autor: Hans-Peter Rösch

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