Das Motto „Nur Fliegen ist schöner“ hat schon viele erfinderische Handwerker inspiriert. Seit Jahren steht der Bau von Modellflugzeugen hoch im Kurs. Die Pioniere der Lüfte nutzen zur Anfertigung ihrer Kreationen professionelle Maschinen und Techniken der Metallbearbeitung. Nicht nur Flugenthusiasten aus Deutschland teilen die Leidenschaft, sondern auch Österreicher, US-Amerikaner und Menschen auf der ganzen Welt. Es grenzt an Zauberei, wie aus planen Tafeln Segmente geformt und zusammengesetzt werden. Die fertigen Exponate sind zugkräftige Werbeträger für die Konstrukteure, ihren Handwerksberuf und für Fachbetriebe, die den Bau unterstützen.
Der Traum vom Fliegen
Die Spenglerei Reinbold aus Friesach (Österreich) erhielt 2012 für ihre Modellflieger den BAUMETALL-Innovationspreis. Die Faszination findet ihren Ursprung im Kunsthandwerk, das neben den funktionellen Spenglerarbeiten seit Anbeginn zum Unternehmen dazugehört. „Mittlerweile haben wir ca. 50 verschiedene Flugzeugmodelle und -typen aus Zink im Maßstab 1 : 16 gebaut. Hauptsächlich Flugzeuge und Hubschrauber des Österreichischen Bundesheeres“, erklärt Geschäftsleiter und Spenglermeister Friedrich Reinbold. Bei den verschiedenen Flugzeugtypen aus 0,7 bis 1 mm starkem Titanzink wurden die äußere Form und viele Details präzise gestaltet, vom Rotor über die Propeller, die Tragflächen und Triebwerke bis hin zu den Raketen.
Der wohl berühmteste Flaschnermeister und Konstrukteur stammt aus Deutschland und heißt Theodor Friedrich Wilhelm Märklin (1817–1866). Das Spielzeug der Marke erlangte Weltruhm, zweifellos auch das Modellflugzeug Ju 52 und das Luftschiff 11400 D-LZ 130 Graf Zeppelin (beide aus Metall). Nachdem der gelernte Flaschner 1859 seinen Meistertitel erworben hatte, konstruierte er in seiner kleinen Werkstatt im Zentrum von Göppingen Miniaturmodelle. Tausende Kilometer entfernt und im 21. Jahrhundert hat sich auch John Overstreet dem Bau von Flugzeugen verschrieben. In Fayette (Missouri) fertigt der Experte im eigenen Betrieb Core Fabrication erstaunlich große Propellermaschinen, die eine Länge von bis zu 1 m erreichen.
Aufklappen und Abwickeln
Der Bau der Flieger erweist sich als wahre Kunst. Denn sie bestehen aus vielen komplexen geometrischen Körpern mit gewölbten Oberflächen. „Unsere Modelle sind alle nach Originalplänen auf der Basis von Kartonmodellbaubögen gebaut. Haben wir für ein spezielles Modell keine Planunterlagen, konstruieren wir sie selbst“, so Reinbold. Die Technik des Aufklappens, in der Fachsprache Abwickeln genannt, gehört zu den klassischen Verfahren des Handwerks, egal ob es regional nun Spengler, Flaschner, Blechner oder Klempner heißt.
Das Verfahren verwandelt dreidimensionale Körper in die zweidimensionale Ebene einer Zeichnung. Die Zeichnung wiederum lässt sich als Vorlage auf plane Metalltafeln übertragen. Die Skizze auf dem Werkstoff kann anschließend mit einer Blechschere oder maschinell ausgeschnitten werden. Die Herausforderung besteht darin, auch komplexe Körper möglichst effektiv und einfach ohne PC, Handy und ohne Software abzuwickeln. Seit dem Mittelalter gibt jede Handwerksgeneration dieses Berufsgeheimnis an die nächste Generation weiter. Während früher Trichter, Kannen, Flaschen und Pfannen abgewickelt wurden, sind es heute Rinnen, Rohre und Kessel. Oder eben Miniaturen. Flaschner arbeiteten natürlich auch beim Spielzeughersteller Märklin, der um 1900 bereits 350 Mitarbeiter beschäftigte.
Geformt und gefalzt
„Beim Modellbau sind alle Berufsbildpositionen des Spenglers inhaltlich erforderlich. Ein Flugzeug ist somit ein hervorragendes Lern- und Ausbildungsobjekt“, versichert der erfahrene österreichische Spenglermeister, der zugleich als Metallrestaurator und zertifizierter Sachverständiger arbeitet. Aus den vorbereiteten Tafeln können nicht nur mit Rund- und Sickenmaschinen gewölbte Bauteile geformt werden. Gelegentlich treffen auch Hammerschläge auf das Metall, das dann durch Treibtechnik kalt verformt wird. Zwischendurch kann der Werkstoff erwärmt werden, damit er wieder weich wird, um ihn danach erneut zu bearbeiten.
Die Technik des Schweifens, das Material durch Hammerschläge zu strecken, ist dem Handwerk auch seit Jahrhunderten vertraut. Sofern die Bauteile mit Falzzugabe geplant und gefertigt werden, verfügen sie über eine zugfeste Verbindungsmethode. Mit fachgerecht ausgeklinkten und umgelegten Falzen lassen sich benachbarte Segmente ineinanderheften. Die Falze werden danach geschlossen und zusammengedrückt, damit sich die gefalzten Segmente gegenseitig stabilisieren. Diese unsichtbare Befestigungsmethode kommt für viele Werkstoffe infrage. Sie eignet sich für Halbedelmetalle wie Kupfer, aber auch für unedle Metalle wie Aluminium, Eisen oder Blei. Gefalzt werden können außerdem Legierungen von Titanzink bis hin zu Bronze oder Messing.
Nieten aus Metall sind ein Gewinn
Genietete Verbindungen, wie auf den Tragflächen und am Rumpf der Flugzeuge von Core Fabrication, dienen nicht nur der Stabilität. Sie erfüllen auch eine ästhetische Funktion. Denn die kleinen Metallstifte mit ihren flachen Köpfen verleihen den Modellfliegern einen äußerst robusten Charme. Idealerweise sind die Löcher in den Bauteilen bereits vor dem Einsetzen der Nieten vorgebohrt. Der Metallbolzen, der an einem Ende einen flachen Kopf, den Setzkopf, aufweist, wird durch das vorgebohrte Loch geschoben. Der Teil, der auf der anderen Seite übersteht, wird anschließend mit Schlagnietgeräten oder Nietpressen zu einem zweiten Kopf, zum Schließkopf, geformt. Während mit der ersteren Methode Hammerschläge einen Nietkopf bilden, verformt eine Nietpresse die Köpfe durch stetigen Druck. Vor allem überlappte Nähte, bei denen die Kanten der Werkstücke übereinandergelegt und dann verbunden werden, eignen sich für den Modellbau.
Mit heißer Schmelze vollendet
Eine andere Verbindungsmethode bereichert Metalleindeckungen und den Modellbau gleichermaßen. Die Löttechnik heizte auch den Fliegern der Spenglerei Reinbold ein. Denn die Bauteile wurden mit einem Lötkolben und geschmolzenem Metall, dem Lot, zusammengefügt. Beim Weichlöten schmilzt das Bindemittel, eine Legierung aus Blei und Zinn, zwischen 183 °C und 325 °C. Die Schmelztemperatur des Lots liegt dabei unterhalb des Schmelzpunktes der Werkstücke. Zum Weichlöten eignen sich Bauteile aus Zink, verzinntem Eisen und vielen Legierungen. Hartlöten ist angesagt, wenn die Flieger stärkere mechanische Belastung aushalten sollen. Diese Technik verbindet zum Beispiel Werkstücke aus Kupfer miteinander. Das Lötzinn schmilzt erst über 710 °C. Dafür sorgt eine Legierung aus Kupfer, Zink und einer Spur Silizium. Indem die Oberflächen zum Abschluss gebürstet oder poliert werden, verleiht man den Modellen den perfekten Glanz.
Imageträger mit Auftrieb
Große Bedeutung kommt der Präsentation zu. Im 19. Jahrhundert vermarktete die Ehefrau von Flaschnermeister Märklin die Miniaturen auf Handelsreisen. Core Fabrication präsentiert seine Flieger auf Facebook und Instagram. In der Spenglerei Reinbold funktionieren die Kreationen als Imageträger für den Betrieb und den Beruf. Kunden erfassen die Exponate viel schneller als aufwendige, erklärungsbedürftige Bedachungen oder Fassaden. Ein Blick ohne Worte genügt. Der Modellbau eignet sich deshalb gut, um Geschenke herzustellen, Azubis zu finden und den Nachwuchs an die Metallbearbeitung heranzuführen. Einmal zur Zeichnung abgewickelt, kann ein Modell natürlich mehrfach gefertigt werden. Fotos der Flieger auf einer Firmenwebsite oder in den sozialen Netzwerken starten erst recht durch und geben Auftrieb.
So geht Abwickeln
Nicht nur im Modellbau wird klassisches Abwickeln angewandt. Der BAUMETALL-Artikel „Verdrehte Körper“ in Ausgabe 5/2016 beschreibt, wie ein neuneckiger Vasen-Körper mit geneigter Mittelachse abgewickelt wird. Abwickelprofi Joerg Hoyer erklärt dabei, so wie im BAUMETALL-Workshop, wie die neun verschiedenen Mantelflächen aufgeklappt werden. Sein Workshop findet am 14. Dezember 2018 in Karlstadt statt. service@baumetall.de, Tel.: (07 11) 63 67 24 04
Bezugsquelle für Ju-52-Modell
Im Online-Shop von Kunsthandel Michael Lohmann sind Aluminium-Miniaturen wie die abgebildete Ju 52 erhältlich.www.kunsthandel-lohmann.de