Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

KUPFERLINEAL

Die Kupferstab-Fassade des Fachbetriebs Pfingst hat es in sich. Seit März 2015 bekleiden offen gekantete und profilierte Stäbe das Dach und die Wandflächen eines Wohnhauses in Konstanz am Bodensee. Weil die Stäbe in Einzelanfertigung entstanden, erforderte ihre Montage am Haus mehrere Speziallösungen. Das Metalldesign verleiht dem Wohnsitz eine neue Identität und verbindet die älteren Gebäudeteile optisch mit den Anbauten.

Wie 1000 Nadelstreifen

„Die Stäbe gibt es so nicht zu kaufen, sondern sind aus walzblankem Kupfer vom Band gefertigt,“ erklärt Klempnermeister Thomas Pfingst seine Entwicklung. Der Fachbetrieb fertigte 10 100 m des 0,6 mm starken, 90 mm breiten Materials. „Die Stäbe haben wir teilweise gekantet, teilweise profiliert und dafür extra einen Rollformer anfertigen lassen.“ Die längsten Stäbe messen 8,80 m und liegen auf der Dachfläche. An der Fassade, am Dachfenster, an der Dachloggia und an den beiden Rauchabzügen waren auch kürzere Stangen zu installieren, sodass die kleinste nur 90 cm misst. Die mit Kupfer bekleidete Fläche beträgt etwa 595 m², davon entfallen ca. 330 m² auf das Satteldach und etwa 250 m² auf die Fassade. Der 32 mm breite Abstand zwischen den vertikal verlegten Stäben verursacht den interessanten Effekt aus glänzenden Streifen und verschatteten bzw. durchsichtigen Zwischenräumen. Weil die Oberfläche des Metalls mit der Zeit verwittert, wechselt die gestreifte Haube langsam ihre Farbe.

Technisch hohe Standards

Das erklärte Ziel des anspruchsvollen Designs lautete: Die Stäbe sollen ohne äußerlich sichtbare Befestigungen auskommen. Diese Vorgabe und das Ausdehnungsverhalten des Werkstoffs Kupfer löste der Fachbetrieb mit einer genialen Idee: „Jeweils elf Stäbe haben wir als Kassetten aus U-Profilen im Betrieb vormontiert,“ erklärt der Klempnermeister. „Die Kassetten auf dem Dach wurden so verlegt, dass sich das Kupfer ausdehnen kann, ohne die Befestigungen zu lockern.“ Hutprofile aus Kupfer, die senkrecht zur Traufe auf der Dachfläche von einem Giebel zum anderen vormontiert wurden, tragen wiederum die Kassetten. Zur Befestigung der Hutprofile auf der Dacheindeckung verwendeten die Mitarbeiter S5-Klemmen.

Den Rost im Griff

An der Fassade stützt eine Unterkonstruktion aus Stahl das Kupferkleid. Die nach außen ragenden Stahlträger sind mit dem Haus verbunden. Zusätzlich stabilisieren im Dach versteckte Versteifungen die Fassade. Alle Stahlträger waren extra vor Korrosion zu schützen, weil die Metalle Stahl und Kupfer in direktem Kontakt miteinander bei feuchter Witterung galvanische Zersetzungsprozesse beschleunigen. Zu ihrem Schutz wurden die Stahlträger feuerverzinkt und gestrichen. Um die Werkstoffe Kupfer und Stahl auf Distanz zu halten, konstruierte der Fachbetrieb Winkelprofile, d. h. Haken und Ösen aus Edelstahl. Die Mitarbeiter hängten die Stabfassade mit den Haken in die Ösen ein, nachdem die Ösen zuvor an den Stahlträgern auf exakter Höhe waagerecht mit festgelegtem horizontalen Abstand verschraubt worden waren.

Kupfer unterm Kupfer

Das Dach erhielt eine neue Eindeckung aus 0,7 mm starken Kupferbahnen in Doppelstehfalztechnik, die auf einer belüfteten Schalung liegen. Gefragt war eine wartungsfreie Eindeckung, weil die Haube darüber wenig Spielraum für Reparaturen am Dach lässt. „Ziegel schieden als Option aus, weil zerbrochene Exemplare schwerlich getauscht werden können“, begründet der Klempnermeister die Entscheidung. Die Eindeckung und Befestigungssysteme mussten genug Stabilität für das Gewicht der Haube bieten. Allein die Stäbe auf dem Dach und an der Fassade wiegen etwa 5 Tonnen – ohne Unterkonstruktion. Die Statik dazu war nicht unproblematisch – dies ging nicht ohne Statiker – und nicht jeder Statiker will das rechnen. Die Stehfalzdeckung passt hervorragend zum Design insgesamt, da die Oberflächen der Kupferbahnen wie die der Stabfassade ihren Farbton langsam ändern.

Klempnertechnik vom Feinsten

Im Sommer 2014 startete das Bauvorhaben, bei dem das Dach auch energetisch saniert wurde. „Der Zimmermann musste die Schalung für die Dacheindeckung um bis zu 4 cm als plane Fläche neu ausrichten“, skizziert der Fachmann die Vorbereitungen, die das Kupferkleid verlangte. Eindeckung und Bekleidung waren im Frühjahr 2015 vollendet. Maximal vier Klempner arbeiteten am Dach und an der Fassade, teilweise verlegten die Mitarbeiter die Stäbe auf dem Dach nur zu dritt. Als schönes Detail verschwand die Ziegelstein-Optik der Rauchabzüge hinter gefalzten Kupferprofilen. Durch Abdeckplatten, die vor Niederschlag schützen, und edle Verblendungen kommen die Schornsteine über ihre pure Funktion hinaus zur Geltung. Passend dazu sind die Anschlüsse und Abdichtungen an der Dachloggia mit Kupferprofilen ausgeführt worden. Praktisch: Um die kastenförmigen Regenrinnen zu verdecken, konstruierte der Fachbetrieb extra kurze Stabprofile, die sich in die langen Metallstäbe hineinschieben lassen. Diese Schiebetechnik ermöglicht eine Wartung der Rinnen und komplettiert das Design an der Traufe.

Blickdicht und transparent

Um das Haus aus den 1970er-Jahren zu sanieren und am straßenseitigen Giebel eine neue Garage mit Terrasse anzufügen, beauftragte der Bauherr seinen Architekten. Durch die neu entstandene gläserne Bedachung über der Terrasse bleiben die Kupferstäbe und Tragprofile von der Terrasse aus sichtbar. Der Wunsch des Bauherrn, dass die Sonne nicht zu extrem auf die Terrasse einstrahlt, aber die Bewohner aus dem Gebäude nach draußen sehen können, führte zu einem Abstand von ca. 2 m bis 2,50 m zwischen Stabfassade und Hauswand. Der interessante Effekt, dass die Fassade je nach Standpunkt durchsichtig oder blickdicht erscheint, schützt gleichzeitig vor Licht und neugierigen Beobachtern. Breite Öffnungen lockern die Stabstruktur auf, während eine schräge Linienführung über der Haustür einen auffälligen Akzent setzt. Der 1962 gegründete Fachbetrieb mit familiärer Klempnertradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, kreierte ein Kupfer-Kunstwerk.

www.pfingst.com

Bautafel

Projekt:Stabfassade und Dacheindeckung anlässlich der Sanierung eines Wohnhauses

Architektur:Bächlemeid Architekten Stadtplaner, Konstanz

Bauleitung:Alexander Herbener

Statik:Hartmut Kiessling Statikbüro, Konstanz, Jan Kiessling

Fachbetrieb:Pfingst GmbH, Blechnerei, Metalldächer, Metallfassaden und Edelstahlflachdächer

Fassade:Kupferstäbe, 0,6 mm, Tragkonstruktion Stahl

Dacheindeckung:Kupfer-Stehfalztechnik, 0,7 mm und Tragkonstruktion aus Kupfer-Hutprofilen mit darüber montierten Kupferstäben, 0,6 mm

Hersteller:Stabfassade: Eigenentwicklung Blechnerfachbetrieb Pfingst

Zeitraum:Sommer 2014 bis Frühjahr 2015

www.pfingst.com

www.baechlemeid.de

Autor

HENRY Rasch

ist Inhaber des Verlags Illustrierte Welten & Informationen in Berlin.

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ BM E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Themenhefte
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen