Bei einer Supernova explodiert ein massereicher Stern und dehnt sich in unvorstellbarer Geschwindigkeit aus. Dabei erstrahlt er heller als eine ganz Galaxie. Den Bezug zur Astronomie und zu diesem grandiosen Vorgang wollten die Architekten vom Darmstädter Büro Bernhardt + Partner in ihrem Entwurf erkennbar machen. Daher ist die komplexe Geometrie der ESO Supernova einem Doppelsternsystem nachempfunden. Das markante Design besteht aus zwei Gebäudeteilen, die für die Explosion einer Supernova stehen, bei der Masse von einem Stern auf einen anderen übertragen wird. Ebenso hell sollte das Besucherzentrum ESO Supernova erstrahlen. Für das außergewöhnliche Projekt mussten alle beteiligten Firmen an die Grenzen des derzeit Machbaren gehen.
Die Gebäudehülle aus gekrümmten Aluminiumtafeln mit einem 233 m2 großen Sternendach wurde vom Fassadenbauunternehmen Frener & Reifer geplant, gefertigt und montiert. Die geschwungene, geometrisch komplexe Fassadenform war technisch sehr anspruchsvoll und stellte sowohl bei der Planung als auch bei der Fertigung und Montage der Gebäudehülle eine große Herausforderung dar.
Jedes „Blech“ ein Unikat
Nicht nur die Realisierung der teilweise dreisinnig gekrümmten Aluminiumfassade, sondern auch die Entwicklung der facettierten Glasfassaden war schwierig. Letztere bestehen aus 213 Scheiben, die jeweils in unterschiedlichen Winkeln aufeinandertreffen. Um die hohen geometrischen Anforderungen überhaupt bewältigen zu können, musste die Gebäudehülle vollständig parametrisch geplant werden.
Insgesamt war eine Fassadenfläche von 4107 m² zu bekleiden. Für die 3200 m² große vorgehängte, hinterlüftete, frei geformte Systemfassade wurden rund 1400 Fassadentafeln aus Aluminium aneinandergefügt. Ihre Oberfläche ist mit einem quarzgrauen, fein strukturierten, hochwetterfesten Pulverlack beschichtet. Jede der zweisinnig, zum Teil auch dreisinnig gekrümmten Tafeln ist ein Unikat. Befestigt wurden sie auf rund 9000 wärmetechnisch optimierten Alukonsolen sowie einer vertikal ausgerichteten Profilunterkonstruktion. Dazu wurden die 4 mm starken Fassadenplatten in der Unterkonstruktion eingehängt und mechanisch fixiert. Die gesamte Fassadenkonstruktion besteht aus ca. 10 000 Einzelteilen.
Vollautomatische Fertigung in einem einzigen Prozess
Für die frei geformte Konstruktionsart der Gebäudehülle, bei der alle Teile unterschiedlich sind, ist eine parametrische Planung ideal. Ein Rhino-3D-Modell vom Architekten bildete die Basis für die geometrischen Daten, die dann von Frener & Reifer in die 3D-Software (SolidWorks) integriert wurden. Durch den parametrischen Planungsprozess waren viele Grundlagen bereits vorhanden. Sowohl die Biegung als auch die Schnittkontur der Fassadentafeln (Abwicklung) konnten aus dem parametrischen Modell abgeleitet und an ein Bearbeitungszentrum übermittelt werden. Dort konnten die Elemente in einem einzigen Fertigungsprozess, der eigens für dieses Bauvorhaben entwickelt worden war, vollautomatisch hergestellt werden.
Neben der Aluminiumfassade waren auch die Planung und Realisierung der Glasfassaden sehr anspruchsvoll. Sowohl bei den 550 m2 großen Foyer-Fassaden als auch bei den zwölf Stahl-Pfosten-Riegel-Splitterfassaden trifft jede einzelne Scheibe in einem anderen Winkel auf die nächste. So mussten alle Scheiben, Pfosten und Riegel sowie deren Anschlüsse individuell geplant, gefertigt und montiert werden. Auch hier kam erneut der parametrische Planungsprozess zur Anwendung. Um den ZIE-Nachweis (Zustimmung im Einzelfall) für die Scheiben erbringen zu können, wurden eigene Testmuster erstellt. An den Mustern wurde die Fassadenlast, Luftdurchlässigkeit, Schlagregendichtigkeit und die Widerstandsfähigkeit gegen die Windlast im Einzelfall genauestens geprüft.
Das Universum in der Dachkuppel
Zu einer weiteren zentralen Herausforderung bei diesem Bauwerk gehörte die technische Entwicklung, Konstruktion und Fertigung der verglasten Dachkuppel. Es handelt sich um eine 25 t schwere Stahlkonstruktion mit einem Durchmesser von 17 m, die von einem vorgespannten Randträger aus hochlegiertem Stahl zusammengehalten wird. Sie hat 138 Knotenpunkte, die mit LED-Lichtern versehen sind, damit im sogenannten „Welt-Raum“ die Sternenbilder des südlichen Himmels dargestellt werden können. Die vollständige, 233 m2 große Stahlstruktur, inklusive des eigens entwickelten Dichtungssystems, das auf die Stahlträger aufgeschraubt worden ist, wurde in einem Stück in der Produktionshalle der Schlosserei von Frener & Reifer in Brixen vorgefertigt.
Für den Transport musste die Konstruktion in mehrere Baugruppen zerlegt und in Garching am Boden erneut zusammengesetzt werden. Um die Dachkonstruktion in einem Hub präzise in die richtige Position auf das Dach heben zu können, musste die Drehung des Mobilkrans vorab genau berechnet und die Ausrichtung des Daches bereits bei der Montage am Boden exakt festgelegt werden. Nach dem erfolgreichen Dachhub der Stahlstruktur mussten die 263 unterschiedlichen dreieckigen Isoliergläser an das Stahltragwerk montiert und mit Aluhalterungen punktuell befestigt werden. Die Fugen zwischen den Gläsern wurden mit einem speziellen Silikon abgedichtet.
Projekt der Superlative
Um vollständige Sicherheit vor möglichen Wassereinbrüchen zu gewährleisten, wurde oberhalb der T-Stahlstruktur im Bereich der Fugen zusätzlich eine sekundäre Entwässerungsrinne angebracht. Diese besteht aus speziell geformten Edelstahlprofilen. Durch das Gewicht der 8 t schweren Gläser musste die Unterkonstruktion 50 mm überhöht konstruiert werden. Auch die vollständige verglaste Sternendachkonstruktion wurde von der Planung und Vermessung über die Ausführungsplanung bis hin zur Montage parametrisch entwickelt.
Um dieses außergewöhnliche Projekt realisieren zu können, wurden insgesamt ca. 1000 t Stahl und 5000 m3 Beton verbaut. Das Besucherzentrum ESO Supernova befindet sich auf dem Gelände der Europäischen Südsternwarte und beherbergt neben dem Planetarium auch eine interaktive Ausstellung zum Thema „Leben im Universum“. Die Realisierung wurde u. a. durch eine Schenkung der Klaus Tschira Stiftung möglich. Deren Vision, auf diese Weise der Öffentlichkeit das Universum näherzubringen, es erlebbarer und spürbarer zu machen, ist gelungen! Einen ergänzenden visuellen Eindruck zu diesem besonderen Bauvorhaben vermitteln gleich mehrere Fotostrecken sowie entsprechende Videos. Die Fotos und Bewegtbilder sind im Internet (siehe Infokasten) abrufbar.
Mehr zum Projekt
Wie die Stahlkonstruktion für die Kuppel per Kran auf das Dach kam, zeigt ein Video auf YouTube.
Ein Projektfilm mit beeindruckenden Daten ist zu sehen auf der Internetseite von Frener & Reifer.
Bautafel
Projekt: Astronomie-Besucherzentrum, Garching
Architektur: Bernhardt + Partner, Darmstadt
Fachbetrieb: Frener & Reifer GmbH, Brixen
Leistungsumfang Fassade:
3200 m2 hinterlüftete, mit 4-mm-Aluminiumtafeln beplankte Systemfassade; 550 m2 Stahlpfosten-Riegel-Fassade im Eingangsbereich; 360 m2 Alu-Pfostenriegel-Fassade für den Seminarraum
Alutafelformate: Maximal 4 x 2 m (zweisinnig gekrümmt)