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Kommentar

Liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie Herbert Rosendorfers Roman „Briefe in die chinesische Vergangenheit“? Darin unternimmt Kao Tai, ein im China des 10. Jahrhunderts lebender Mandarin, eine Zeitreise, die ihn irrtümlich ins ­„Min-chen“ (München) des 20. Jahrhunderts führt. Verwundert beobachtet er dort das langnasige Volk der „Ba Yan“ (Bayern) sowie deren technische Errungenschaften. Seine Eindrücke schildert er in 37 Briefen, die er aus Min-chen in seine Vergangenheit sendet. Fasziniert beschreibt er fliegende Eisendrachen oder zugtierlose A-Tao-Wagen (Pkw) und stellt beim Anblick schmuckloser Häuserzeilen fest: nach 1000 Jahren ist nichts mehr so, wie es einmal war. Sogar handwerkliche Fähigkeiten sind in Vergessenheit geraten.

Schlimmer noch: Die Menschen von „Min-chen“ folgen einer „seltsamen Lehre“, welche sie von Staatswegen dazu verpflichtet, durch das Ansammeln von Reichtum zum Glück zu finden. All das scheint die „Ba-Yan“ nicht sonderlich zu stören. Der West-Lehre folgend verrichten sie täglich ihre Arbeit und lieben nichts mehr, als sich nach Feierabend in den Biergärten über Politik zu unterhalten.

Obwohl dieser humorvolle Roman bereits 1986 erschien, hat er nichts von seiner Aktualität verloren – im Gegenteil. Die Wirtschaftskrise verdeutlicht, wie schnell Menschen unglücklich werden können, wenn das „Ansammeln von Reichtum“ nicht mehr reibungslos funktioniert. Zudem veranschaulichen Kao Tais Schilderungen, dass fließendes Wasser, Telekommunikation oder rätselhafte A-Tao-Wagen großartige Errungenschaften sind und dass sogar das traditionsreiche Klempnerhandwerk von den technischen Entwicklungen unserer Zeit profitiert. Doppelbiegen, CAD-Produktion oder Vierfach-Rollformer steigern den Profit – scheinbar kleine Neuerungen, wie wartungsfreie und langlebige Lötstücke, erleichtern die tägliche Arbeit ebenfalls. Doch der Hunger nach immer neuen Weiterentwicklungen ist unvorstellbar groß: „Wünsch Dir Deine Wunschmaschine“ heißt das Thema eines namhaften Kollegenforums im Internet, welches durch die aktuelle Diskussion des BAUMETALL-Treffs Aufwind erfährt.

Hintergrund sind, wie sollte es anders sein, die Minimierung der Werkstatt- und Montagezeiten sowie der Ruf nach individuellen Lösungen für Gebäudehüllen aus Metall. Kurzum: Mit der Absicht, die eigene Konkurrenzfähigkeit zu steigern, denken immer mehr Fachbetriebsinhaber über Investitionen nach. Ob das so ist, weil letztendlich nur die „staatlich verordnete Jagd nach Reichtum“ zum Klempnerglück führen kann? Vielleicht.

Verallgemeinern lässt sich diese Entwicklung nicht, jedoch ist eines sicher:

Selbst die ausgefeilteste Technik vermag den Menschen, der seit Jahrhunderten im Mittelpunkt der Klempnertechnik steht, nicht zu ersetzen.

Ergänzende und überaus hoffnungsvolle Nachrichten kommen diesbezüglich von den Ausbildungsstätten. Dort beweisen junge Klempnermeister und Klempnergesellen sprichwörtliche Fingerfertigkeit, die übrigens das höchste Handwerksgut ist und die Grundvoraussetzung für jedes zukunftsfähige Klempnerkonzept bildet. Ich bin sicher, vor allem weil das so ist, wirdHightech in der Klempnertechnik immer wichtiger. Was Kao Tais wehmütige Schilderung anbelangt steht fest: Bei der Besichtigung einer Spenglerwerkstätte hätte er neben modernen Errungenschaften genau die handwerklichen Werte gefunden, die er so sehr vermisst.

Herzlichst Ihr

Klempnermeister Andreas Buck
(Chefredakteur)