Das passt, Alter Neulich im Jeans-Laden: Gedankenverloren stehe ich an einem Kleiderständer und sehe verschiedene Hosen an. Den Herrn neben mir nehme ich erst als Verkäufer wahr, als er mich mit einem „Nur umsehen? Lass Dich nicht stören, Alter!“ anspricht. Unmöglich, denke ich, er kann nicht mich gemeint haben. Da streckt mir der über 20 Jahre jüngere Herr bereits eine Jeans entgegen, die zu meiner Überraschung auf Anhieb passt. Noch lange denke ich über die Szene nach. Ich wundere mich über die respektlose Redewendung und darüber, dass das Wort „Alter“ immer öfter im Sprachgebrauch der Jugendlichen Einzug hält. Zugegeben – seinen Job hat der Jeans-Verkäufer gut gemacht. Warum ich ihn dafür nicht gelobt habe? Ich weiß es nicht.
Nix g‘sagt isch g‘lobt g‘nug* Liebe Ausbilder, stellen Sie sich bitte folgende Szene vor: Unmittelbar nach den ersten Lötversuchen Ihres Lehrlings bemerken Sie: Der Neue ist ein Naturtalent! Obwohl er seine Hose auf Halbmast und seine Mütze falsch herum trägt, schafft er eine perfekte Steignaht. Besser noch: Ausgerechnet der „Kerl ohne Manieren“, dem des Öfteren ein „Kein Problem, Alter“ über die Lippen huscht, zeigt den Gesellen, wo der Hammer hängt. Skandalös? Keineswegs! Akzeptieren Sie einfach, dass Talent nichts mit dem Erscheinungsbild oder den Manieren eines Menschen zu tun hat. Motivieren Sie den jungen Mann stattdessen, indem Sie ihn für seine Leistung loben. Ihr Lehrling kann noch nicht löten, obwohl die anderen Eigenschaften auf ihn zutreffen? Macht nichts! Loben Sie ihn für die Dinge, die er bereits gelernt hat, auch wenn diese noch so selbstverständlich erscheinen mögen, denn bekanntlich sind es die kleinen Dinge, die unseren Alltag schöner machen. Ein kleines Lob kann da nicht schaden, oder?
War früher sogar die Zukunft besser? Sollten Sie den Glauben an Ihren Auszubildenden bereits verloren haben, tröstet Sie vielleicht, dass Sie nicht der einzige enttäuschte Lehrherr sind. Ob im Einzelhandel oder auf dem Dach – immer mehr Ausbilder kommen zum Schluss, dass mit der Jugend von heute kein Blumentopf zu gewinnen sei. Die Erkenntnis ist erschreckend und obendrein nicht neu. Bereits Aristoteles wusste, dass unsere Jugend unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen ist. Und Sokrates war sich sicher: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität und schwatzt, wo sie arbeiten soll.“ Es scheint, als hätte jeder in seinem Leben bereits Dinge unternommen, die von Älteren nicht verstanden wurden. Prominente sind davon ebensowenig ausgenommen wie die Galionsfiguren der Klempnerbranche. Dennoch ist aus allen etwas geworden – mehr noch: Besonders letztgenannte Vorbilder verdienen größten Respekt. Ganz gleich ob es um den Studiengang, die länderübergreifende Annäherung oder die Pionierarbeit zur Verbesserung des Branchenimages geht – den Ehrenamtsträgern und Idealisten möchte ich an dieser Stelle ein großes Lob für ihre Arbeit aussprechen! Ohne sie gäbe es keine Zukunft für unsere Branche. So gesehen bin ich sicher, dass auch Ihr Lehrling eines Tages einen Gürtel tragen und Sie mit Ihrem Namen ansprechen wird.
Herzlichst Ihr
Klempnermeister Andreas Buck (Chefredakteur)
* Nichts gesagt ist auch gelobt (Schwäbische Redensart)