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Froschkönig

Ernst Gaßmann ist 86 Jahre alt. Vor 72 Jahren begann er eine Ausbildung zum Lüftungsklempner bei der Firma Freudenberg in Weinheim. Vor 51 Jahren gründete er seinen Klempner-Fachbetrieb im badischen Laudenbach und vor einem Jahr kontaktierte er die BAUMETALL-Redaktion mit der Bitte, ein Porträt seiner Firma zu veröffentlichen. Endlich ist der passende Termin gefunden und ich steche in See. Mein Ziel: Ernst Gaßmanns Skulpturengarten und natürlich seine Klempnerwerkstatt.

Land in Sicht

Hier muss es sein. Direkt vor mir entdecke ich einen Kreisverkehr, auf dessen Insel Gaßmanns Froschkapelle ein Begrüßungsständchen spielt. Auf dem Seitenstreifen gehe ich vor Anker, schnappe Fotoapparat und Stativ und setze zur Froschinsel am Laudenbacher Ortseingang über. Am Strand begrüßt mich ein etwa 130 cm hoher Eisenfrosch in feinem Frack. Den Taktstock in die Höhe gestreckt, scheint es, als spiele er sein Dirigentensolo nur für mich, während Schlagzeugfrosch, Bassist und Saxophonist geduldig auf ihren Einsatz warten. Keiner der aus Eisenblech getriebenen Froschleiber gleicht dem anderen. Die Froschmäuler sind mit Sicken-Stift geschminkt. An den Froschschenkeln tropfen Schweißpunkte zu Boden, gerade so als seien die grünen Musikanten eben erst dem nahe gelegenen Weiher entsprungen – herrlich!

Die Fahrt geht weiter und wie es sich für einen Klempner gehört, suche ich die Dachlandschaft nach relevanten Orientierungspunkten ab. Ich werde fündig – entdecke Max und Moritz, die ohne Gerüst oder sonstige Vorsichtsmaßnahmen an einem Schornstein nach knusprigem Hühnerbraten angeln. Instinktiv biege ich ab, überquere eine kleine Brücke, an welcher mir ein Angelfrosch die Richtung weist. Als ich das Industriegebiet erreiche, begegnen mir erneut Max und Moritz. Dieses Mal stehen die Lausbuben mit einer Leiter auf einem Flachdach und ich frage mich, welchen Streich sie nun schon wieder aushecken. Die Skulpturendichte nimmt deutlich zu und so lege ich punktgenau an Gaßmanns Skulpturengarten an.

Wo sich Feuerdrachen, Meerjungfrauen und Indianer gute Nacht sagen

Staunend gehe ich am mit Klempnerrosen und Klempnerweinreben verzierten Zaun entlang. Hase und Fuchs sehe ich nicht, aber dafür einen Eisenigel am Klavier, einen übergroßen Raben und einen Libellenschwarm, der an einem riesigen Mobile im Kreis fliegt. Und wieder entdecke ich Frösche. Dieses Mal laufen sie Ski, ernten Wein oder bewachen den Eingang mit Lanze und Wappenschild. Inmitten der illustren Runde steht Ernst Gaßmann, der mich bereits erwartet. Er bittet mich herein und führt mich durch seinen rund 4000 m² großen Lustgarten. Auf einem Findling sitzend winkt uns eine bildschöne, aus Abertausenden Unterlagscheiben bestehende Meerjungfrau zu. Ein paar Schritte weiter werden wir von einem Indianer und einem gefährlich dreinschauenden Geier gemustert. Im Zentrum des Areals liegt ein großer Teich, an dessen Ufer sich übergroße Froschskulpturen anschicken, jeden Augenblick ins kühle Nass zu springen. Ich bin begeistert. Selten habe ich derart unterschiedliche Skulpturen und Objekte an einem Platz gesehen.

Streifzug durch die Klempnerwerkstatt …

Ernst Gaßmann beginnt zu erzählen, etwa vom Frosch im Arztkittel, der einen Patienten mit einer Spritze versorgt, während er hinterrücks eine Säge für die Amputation versteckt. Auch einen Frosch in roter Richterrobe habe er schon im Kundenauftrag angefertigt. Außerdem baute Gaßmann Skiläufer mit und ohne Flachmann, Fußballer beim Elfmeterschuss und unzählige Winzer beziehungsweise Weintrinker. Speziell an Jubiläen oder runden Geburtstagen stünden die Motto-Frösche aus Laudenbach im Mittelpunkt, freut sich Gaßmann, dessen Skulpturen übrigens weltweit Liebhaber finden.

Inzwischen sind wir in der Werkstatt angekommen. In Reih und Glied stehen dort Blechbearbeitungsmaschinen von Schechtl, Schlebach oder RAS. Daneben Pressen, Stanzen, Ausklinkapparate und ein Eckold-Kraftformer zum Stauchen und Strecken von Metallen und Blechbauteilen. In einem Karton entdecke ich Froschleiber, die darauf warten, zusammengesetzt zu werden. Diese Aufgabe übernimmt Werkstattmeister Bernd Fischer. Mit anhaltender Begeisterung nutzt dieser nahezu jede Arbeitspause dazu, unterschiedlichste Klempnerfrösche nach Kundenwunsch anzufertigen. Er zeichnet die entsprechenden Entwürfe, baut Prototypen und organisiert den Abtransport der Amphibien zur Verzinkerei. „Gaßmann-Frösche müssen bei Wind und Wetter im Freien stehen“, sagt er und verrät, dass die aus 1-mm-Stahlblech gefertigten Frösche nicht nur verzinkt, sondern auch allesamt von Hand patiniert werden.

Wir gehen weiter. Nur ein paar Schritte entfernt lagern unzählige Metallweintrauben, die später an ebenfalls aus Metall gefertigten Reben wachsen werden. Und natürlich fertigt das Gaßmann-Team auch Klempnerrosen aus Aluminium oder Kupfer in großen Stückzahlen an. „Die Fertigung der entsprechenden Einzelteile erfolgt immer dann, wenn sich Lücken zwischen unseren Aufträgen ergeben“, sagt Gaßmann. Dann berichtet er von einer Fassade aus Corten-Stahl, die sein Team unlängst in Lampertheim montiert habe. Und er beschreibt ein außergewöhnliches Stehfalzdach mit komplizierter Dachform, welches an einer Architektenvilla entstand. Kurz: Das zehnköpfige Gaßmann-Team ist Ansprechpartner für Klempnerarbeiten aller Art.

… und durch die Firmengeschichte

Wer Ernst Gaßmann zuhört, benötigt keine Glaskugel, um festzustellen, dass für ihn der Beruf des Klempners schon immer Berufung war. Seit über sieben Jahrzehnten verformt der begeisterte Metallbearbeiter Bleche und Profile – fertigt Lüftungskanäle und Stehfalzscharen oder Vordächer aus Kupfer, Zink und Aluminium an. Letztere präsentierte er früher gerne im rustikalen Landhausstil – etwa auf Endverbrauchermessen wie dem Mannheimer Maimarkt. Dann änderte sich die Architektur und mit ihr das Angebot des Handwerksbetriebs. „In den 1980er-Jahren entwarfen wir zum Beispiel Vordächer, die aussahen, als hätten sie eben noch im alten Griechenland gestanden“, erinnert sich der Metallprofi. Typisch Akropolis, stattete Gaßmann die kleinen Metalldächer mit hervorspringendem Attikagesims sowie entsprechenden Säulen aus und verpasste ihnen eine landestypische Lackierung in Blau und Weiß. Wieder traf er den Nerv der Zeit und fertigte zahlreiche Vordächer an. Bis heute gehört es zu Gaßmanns Stärken, Kundenwünsche zu erkennen und zu erfüllen. Neben klassischen Klempnerarbeiten an Gauben, Dächern und Fassaden betrifft das auch verschiedenartige Zier- und Kunstobjekte. Dazu zählen Brunnen, Säulen, Laternen oder die überaus erfolgreichen Max-und-Moritz-Blechskulpturen.

Urgestein und Urzeittiere

Ich hätte Ernst Gaßmanns Erzählungen noch stundenlang zuhören können. Die Geschichten aus seiner 1945 begonnenen Lehrzeit sind dabei ebenso spannend wie die Entstehungsgeschichte der beiden Dinosaurier, die das Rolltor des Fachbetriebs bewachen. Als ich das Dino-Paar samt lebensgroßem Drachen-töter entdecke, staune ich abermals. Die Proportionen der aus tausenden Metallschuppen zusammengesetzten Urzeitechsen sind formvollendet. Ihre Klauen sehen aus, als könnten sie jeden Augenblick Beute schlagen oder zumindest ungebetene Gäste vom Firmengelände fernhalten. Erst im letzten Sommer habe Ernst Gaßmann bei nahezu 30 °C und mit dem Schweißgerät bewaffnet stundenlang unter dem 6 m großen Eisensaurus gelegen, erzählt Firmenleiter Ralf Jung. Dann fährt er einen Lieferwagen zur Seite, damit ich ein schönes Abschlussfoto machen kann.

Zum Abschied erfahre ich, welches Tier als Nächstes aus Metall angefertigt werden soll: „Schon immer wollte ich eine Giraffe bauen, so 3 bis 4 m groß, damit sie auch entsprechend wirkt!“, sagt der aktive Pensionist. Es klingt, als sei mit seiner Aussage bereits eine Aufforderung für eine Reportage über die Entstehung und die Geburtsstunde des blechernen Savannenbewohners verbunden. Warum eigentlich nicht, denke ich und verlasse Gaßmanns magische Klempnerwelt. Im Rückspiegel sehe ich Max und Moritz winken. Der Schalk steht den beiden dabei ins Gesicht geschrieben und mir wird klar, dass sie es waren, die Gaßmanns Fachbetrieb in einen Jungbrunnen verwandelt haben.

Info

Online-Extra

Weitere Fotos sowie ergänzende Informationen zu diesem Beitrag finden Sie auf www.baumetall.de/extra sowie als PDF in Ernst Gaßmanns Katalog der Kunstobjekte.

Gaßmann Metallverarbeitung

Werner-von-Siemens-Straße 10

69514 Laudenbach

Telefon (0 62 01) 7 15 52

mail@metallverarbeitung-gassmann.de

www.metallverarbeitung-gassmann.de/uploads/katalog.pdf

Unruheständler aufgepasst!

Wenn auch Sie in Ihrer Freizeit ausgefallene Klempner-arbeiten ausführen, dann melden Sie sich am besten direkt in der BAUMETALL-Redaktion bei:

Andreas Buck

Klemmstraße 17

75180 Pforzheim

redaktion@baumetall.de

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