Dekoratives Spenglerhandwerk im Innenbereich lockert und wertet unseren Wettbewerb auf, zeigt es doch, wie vielfältig Dünnblech eingesetzt werden kann. Entscheidend sind zuerst immer die Idee, dann die Fähigkeit und die Bereitschaft, es zu tun. Im Gebäudeinnern stehen nicht Regen und Wind im Vordergrund, sondern Glanz und Makellosigkeit im Aussehen.
Die Brauhaus Sternen AG mit Sitz in Frauenfeld eröffnete 2014 ein Restaurant in der Winterthurer Altstadt, das „Brauhaus am Neumarkt“. Bei der Gestaltung des Innenraumes orientierte sich die Hamburger Designerin Gunvor Lundgard am typischen Charakter eines auf den Kopf gestellten Kupferbraukessels. Kurz nachdem die Hamburger Designerin ihr Projekt vorgestellt hatte, dinierte der Bauleiter des Brauhauses Sternen AG zufällig im Restaurant „Union Dinner“ in Basel. Der Innenraum dieses Restaurants war von der Firma Betschart F. + Söhne AG mit Kupfer verkleidet worden. Der Architekt des Brauhauses am Neumarkt Christoph Janiesch kontaktierte daraufhin den Illgauer Gebäudehüllen-Spezialisten – der Beginn eines spannenden Spengler-Projektes …
Visualisierung zeigt die Schwierigkeiten
Kurz darauf erfolgte die erste Visualisierung des Architekten. Dabei wurden die Knackpunkte des Projektes bereits deutlich ersichtlich. Gefordert war eine etwa 1 m breite Decken-Wandbekleidung in Kupfer, mit runden Übergängen und Seitenabschlüssen, alles bündig, ohne sichtbare Befestigungspunkte, stumpf aneinandergestoßen, die Teile ohne Querstöße an einem Stück gefertigt mit möglichst wenig Verwerfungen. Ihm wurde schnell klar: Ein derart spezielles Projekt verlangt nach speziellen Arbeitsmethoden, die über die gängigen Alltagstechniken der Spenglerei hinausgehen. Eine hochstehende Herausforderung. Der Ehrgeiz von Peter Betschart, Spenglermeister und Geschäftsleiter der Betschart F. + Söhne AG, war geweckt.
Zusammen mit dem Angebot an die Bauherrschaft lieferte Peter Betschart aus eigenem Antrieb ein Modell der Kupferbekleidung samt Unterkonstruktion. Das Modell überzeugte und der Zuschlag erfolgte. Um den Zeitplan und die erforderliche Qualität einzuhalten, wurden alle Blechteile in der Werkstatt angefertigt. Ziel war es, die fertigen Elemente vor Ort nur noch aufzuhängen und zu justieren. Zum Einsatz kam mit Blick auf traditionelle Braukessel walzblankes 1-mm-Kupfer blank.
Unterkonstruktion aus Aluminium
Aufgrund der langen Lieferzeiten der Kupferplatten wurden die Unterkonstruktionsteile komplett vorgefertigt, sodass am Schluss nur noch die Kupferelemente montiert werden mussten. Die Fertigung der Unterkonstruktion (UK) erfolgte in Handarbeit, ohne CNC-Maschinen oder Laserschneider. Beim Stanzen, Fräsen, Schneiden und Schleifen von Hand war höchste Präzision gefragt. Toleranzen konnten nicht akzeptiert werden. Die einzelnen UK-Teile erhielten ein zusätzliches Querprofil zur Befestigung der Beleuchtung. Gleichzeitig musste die UK auch dem Schreiner dienen, der den oberen Abschluss der Kupferelemente mit Holz zu verkleiden hatte.
Formgebung und Montage
Eine weitere Herausforderung stellte das Rundbiegen der Kupferplatten dar. Je genauer die Teile profiliert wurden, desto weniger Spannung entstand und desto besser konnten Unebenheiten ausgemerzt werden. Die Rundungen wurden darum durch sogenanntes Steppen und nicht durch Runden erstellt. Diese Technik ermöglichte zudem, am oberen Elementende einen Abzug zur Versteifung zu integrieren. Aufgrund der Blechlängen wurde diese Arbeit extern in Auftrag gegeben. Der untere, große Radius der Kupferplatten wurde hingegen mit einer Vierwalzenmaschine gerundet. Nach Variantenprüfungen erfolgte die Montage der Kupferplatten mittels Klebetechnik unter Verwendung von doppelseitigen Metallklebebändern 4646-F (Acrylschaum) des Herstellers 3M. Diese übernehmen bei seriöser Verarbeitung eine Zuglast von 7 kg/cm². Bei der Montage erreicht die Haftkraft etwa 60 %, die restlichen 40 % der Klebekraft bauen sich während weiterer 24 Stunden auf. Abschliessend folgte vor Ort die Lackierung durch den Winterthurer Lackierbetrieb Thaler AG mit geeignetem Klarlack.
Kommentar der VDSS-Jury
Die VDSS-Juroren sind begeistert. Die Innenraum-bekleidung ist liebhaberisch ausgeführt, intelligent gelöst, und unglaublich sauber und präzise umgesetzt. Alle Rundungen und Seitenabschlüsse der Bauteile sind harmonisch und makellos. Da hat ein junger Spenglermeister sein Können bewiesen und seine Arbeit mit Erfolg abgeschlossen. Das ist eine einmalige Berufsgeschichte – fast wie in einem Roman. Symbolisch prämiert die Jury diese schöne Präsentation mit dem verbalen Prix Interieur. Bravo!
Bautafel
Objekt:Brauhaus am Neumarkt, 8400 Winterthur
Bauherr: Brauhaus Sternen AG, Frauenfeld
Architektur:Christoph Janiesch, Hamburg
Design:Gunvor Lundgard, Hamburg
Fachbetrieb: Betschart F. + Söhne AG, Spenglermeister Peter Betschart, Illgau
Konstruktion: Stabile Unterkonstruktion und Dekor-Bekleidung
Werkstoff: Kupfer blank, 1,0 mm, nach Produktion poliert und lackiert
Der Verein diplomierter Spenglermeister der Schweiz (VDSS) führt im 3-Jahresrhythmus den nationalen Wettbewerb „Goldene Spenglerarbeit“ durch. Das hier vorgestellte Objekt wurde vom Fachbetrieb Betschart F. + Söhne AG im schweizerischen Illgau ausgeführt.