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Kommentar

Wer nichts mehr weiß, malt einen Kreis

Extrem modern Laute und wenig fundierte Diskussionen sind weitverbreitet. Viel zu oft sind sie von Emotionen getrieben und lassen rationale Argumente in den Hintergrund treten. Das gilt leider auch für Streitgespräche im Kollegenkreis der Klempner. Auch hier scheint sich zu etablieren, was im Jahr 2016 mit dem überraschenden Wahlsieg Donald Trumps gesellschaftsfähig wurde: das ungefilterte Herausposaunen von Halbwissen oder per Bauchgefühl getroffener Einschätzungen.

Schwarz & Weiß Ursächlich dafür sind oft eigene negative Erfahrungen. Das wird am Beispiel der sich zuspitzenden Situation auf dem Ausbildungsmarkt besonders deutlich. Geht hier etwa das Interesse zukünftiger Bewerber zurück, erfolgt postwendend die Schuldumkehr. Argumente wie „die können nicht mal mehr Kopfrechnen, geschweige denn einen Besen bedienen“ verhindern dabei dringend erforderliche Selbstreflexion. Oder anders formuliert: Anstatt über den angeblich nicht zu gebrauchenden Nachwuchs zu sinnieren, sollte dringend hinterfragt werden, warum sich die Dinge ändern und ob das bei den Kollegen in anderen Fachbetrieben auch so ist.

Jetzt wird’s bunt Mit einer pauschalen Schuldzuweisung an den „minderqualifizierten“ Nachwuchs werden zahlreiche Farbnuancen nicht beachtet. Dabei prägt gerade die Vielfalt die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt besonders. Das komplexe Zusammenspiel diverser Faktoren geht weit über individuelle Fähigkeiten hinaus. Veränderungen im Bildungssystem, die Digitalisierung und der Wandel der Arbeitswelt rütteln sowohl an den Anforderungen an Auszubildende als auch an den Erwartungen in den Unternehmen. Wer die Situation besser verstehen möchte, sollte die Perspektive wechseln. Wie erleben junge Menschen den Berufseinstieg heute? Und was erwarten sie von ihrem zukünftigen Arbeitgeber? Fragen wie diese verdeutlichen, dass es hier nicht um ein Schwarz-Weiß-Bild geht, sondern um ein vielschichtiges Zusammenspiel von Faktoren. Augenscheinlich profitieren Unternehmer, die in der Lage sind, ihre eigenen Strukturen und Erwartungen anzupassen.

Es geht rund Welchen Anteil trägt die Ausbildungssituation an der eingangs geschilderten Misere? Und was können Ausbildungsbetriebe und Schulen konkret veranlassen, um für junge Talente attraktiv zu sein? Genau das wollte BAUMETALL von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, in Erfahrung bringen, und wissen Sie was? Ihre Antworten sind nicht nur überraschend, sondern sie belegen auch, dass die Ausbildungsqualität hierzulande viel besser ist als ihr derzeitiger Ruf. Und noch etwas fällt auf: Die Parallelen zur Situation in den 1980er-Jahren sind verblüffend. Auch damals hatten viele Unternehmen Schwierigkeiten Auszubildende zu finden, beklagten die Namensgebung als Hauptursache und schimpften über die Industrie, die massenweise Personal abgreife. Ist es möglich, dass wir uns seitdem im Hamsterrad drehen? Oder wie heißt es so schön: Wer nichts mehr weiß, der male einen Kreis. Diese alte Grafikerregel scheint auch heute noch Gültigkeit zu haben.

Herzlichst Ihr

Klempnermeister Andreas Buck
(Chefredakteur)