Im baden-württembergischen Reutlingen verursachte ein schweres Hagel-Unwetter am 28. Juli 2013 Schäden in Millionenhöhe. Hagelkörner, so groß wie Tischtennisbälle, zerstörten Tausende von Autos, Fensterscheiben, Dächer und Fassaden. Sogar verputzte Wärmedämmverbundsysteme wurden durchlöchert oder durch den Hagelschlag von ihren Anstrichen befreit, doch damit nicht genug: Beim Versuch, Balkonpflanzen, Gartenmöbel und Autos zu schützen oder schlimmere Schäden an den Dächern abzuwenden, wurden weit über hundert Personen zum Teil schwer verletzt. Allein die zentrale Notaufnahme in Reutlingen meldete 75 Verletzte (siehe Info-Kasten „Hagelmonster“). Der durch das Unwetter verursachte Gesamtschaden wird mit über 3,5 Mrd. Euro beziffert. Kurz: Es handelt sich laut Angaben der Versicherungsgesellschaften um den bislang größten Hagelschaden Deutschlands.
Auch der Hausbesitzer des hier vorgestellten Gebäudes war während des Unwetters in großer Sorge. Wie viele seiner Nachbarn hoffte auch er, dass „da oben“ alles halten würde. Bereits unmittelbar nach dem Hagelereignis stellte sich heraus, dass seine Bedenken (fast) unbegründet waren. Von optischen Mängeln abgesehen hielt seine Metalldeckung das sich darunter befindende Gebäude selbst bei schwerstem Hagelschlag trocken. Viele Gebäude in direkter Nachbarschaft sowie im weiteren Umkreis kamen nicht so glimpflich davon. Der Hagelsturm verwüstete ganze Straßenzüge, entlaubte Bäume und Sträucher, durchschlug Betondachsteine sowie Dachziegel und sorgte dafür, dass Reutlingen monatelang unter hässlichen Plastikplanen verborgen lag. Fachleute rechnen damit, dass noch etwa zehn Jahre vergehen werden, bis alle Schäden restlos beseitigt sind. Der Grund: Viele hastig ausgeführte Notreparaturen erwiesen sich als unsachgemäß und müssen in der Folge zeitnah optimiert oder gar erneut durchgeführt werden.
Das Titanzinkdach verhinderte Schlimmeres
Das architektonisch ansprechende Gebäude mit seinem tonnenförmigen Rheinzink-Metalldach hielt dem Unwetter stand. Anders formuliert könnte man auch sagen: Das Hagelmonster biss sich am Titanzinkdach die Zähne aus. Abgesehen von durch den Hageleinschlag verursachten Beulen blieb die 0,7 mm dünne Gebäudehülle in allen Bereichen funktionstüchtig. Die Oberlichter kamen beim Unwetter jedoch zu Schaden und wurden kurze Zeit später ausgetauscht beziehungsweise notdürftig ans bestehende Metalldach angedichtet. Obwohl sich die Dacheindeckung unter extremster Beanspruchung so gut bewährt hatte, entschied sich der Bauherr dafür, das Dach zu erneuern. Nicht zuletzt weil die verbeulte Fläche den hohen optischen Ansprüchen nicht mehr genügte. Dennoch soll hier ausdrücklich erwähnt werden, dass die im Umkreis mit herkömmlichen Dachziegeln oder Betondachsteinen gedeckten Dächer weitaus größere Schäden davontrugen.
Den Zuschlag für die Neueindeckung erhielt der Klempnerfachbetrieb Maurer & Kaupp GmbH & Co. KG aus Schramberg. Die Planungen für die Neueindeckung erfolgten in enger Kooperation mit den Schramberger Metalldachspezialisten sowie dem Titanzinkproduzenten aus Datteln. Die Materialwahl fiel schließlich auf Rheinzink-pre-Patina schiefergrau. Das dunkelgrau vorbewitterte Titanzink wurde mit rückseitigem Schutzlack und einer Schutzfolie an der Außenseite geliefert und auf einer strukturierten Trennlage montiert.
Professionelle Planung
Die Spiegeldeckung der im Doppelstehfalzsystem ausgeführten Dachfläche erforderte eine äußerst genaue Planung sowie eine exakte Vorfertigung der einzelnen Scharen. Dies gelang durch ein genaues Aufmaß und der Erstellung entsprechender CAD-Pläne. Als besonders anspruchsvoll entpuppte sich die vorausgegangene Erfassung der Radien und Teilflächen. Überhaupt war die umfangreiche Planung wichtige Grundlage für einen perfekten Bauablauf. Da das Gebäude auch während der Bauphase bewohnt war, musste außerdem darauf geachtet werden Wassereintritte zu vermeiden. Vorausschauendes Arbeiten war somit unabdingbar. Die Maurer & Kaupp-Profis Erwin Klaussner und Bernhard Kummer erfüllten ihre Aufgabe jedoch überaus souverän. Als leitende Obermonteure sind sie es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und die Arbeiten stets der Tagesleistung entsprechend abzustimmen. Folglich haben sie die alte Dacheindeckung immer nur soweit demontiert, wie sie am selben Tag auch wieder neu eingedeckt werden konnte.
Perfekte Umsetzung
Mit viel Geschick und Einfühlungsvermögen verliehen die Fachleute der Maurer & Kaupp GmbH & Co. KG dem ausgefallenen Gebäude einen edlen und hochwertigeren Charakter. Dabei orientierten sie sich jedoch bewusst nicht an der einfachen technischen Umsetzung der alten Dacheindeckung. Folglich distanzierten sich die Metalldachprofis davon, nahezu alle Details und Anschlüsse an Lichtkuppeln und Dachdurchführungen mit Lötnähten zu versehen. Stattdessen legten sie bei der Neueindeckung sehr großen Wert auf die saubere Detailausführung in Falztechnik. Die zahlreichen Oberlichter sowie der Schornstein wurden den Regeln der Klempnertechnik entsprechend verwahrt und eingefasst. Dazu waren jedoch mehrere Änderungen an der Unterkonstruktion nötig. Ziel war es, den Wasserablauf im Bereich der Oberlichter zu optimieren beziehungsweise überhaupt erst zu gewährleisten. Die in der ursprünglichen Ausführung vernachlässigten Sturzbekleidungen an den Fenstern wurden ebenfalls im selben Material wie das Dach bekleidet und mit Luftschlitzen versehen.
Fazit
Selbst heute, fast zwei Jahre nach dem verheerenden Hagelereignis, sind die Spuren der Verwüstung noch immer nicht restlos beseitigt. In weiten Teilen Reutlingens entdecken aufmerksame Beobachter zahlreiche beschädigte Gebäude oder Gebäudeteile. Außerdem fallen an zahlreichen Ziegeldächern unterschied-liche Farbtöne ausgewechselter Teilflächen auf. Das mit Rheinzink eingedeckte Titanzinkdach ist jedoch alles andere als ein Flickenteppich. Es überzeugt mit einer homogenen und gleichmäßig dunkelgrauen Oberfläche sowie einer perfekten Ausführung.
Obwohl das Reutlinger Hagelmonster dem ersten Metalldach hässliche Blessuren zugefügt hatte, erfüllte es seine Aufgabe souverän und schützte die wertvolle Bausubstanz sowie die Bewohner vor Schlimmerem. Kein Wunder, dass diese die Entscheidung pro Metalldach nie bereut haben. Durch die jetzt erfolgte Beseitigung des optischen Mangels und das dabei eingesetzten Spezialistenwissen sowie das neue und dunkle Titanzink der Marke Rheinzink-pre-Patina schiefergrau erstrahlt das anspruchsvolle Dach in voller Schönheit.
Bautafel
Projekt: Neueindeckung eines gebogenen Stehfalzdaches
Fachbetrieb: Maurer & Kaupp GmbH & Co. KG, Schramberg
Dachfläche: 200 m²
Metall: Rheinzink-pre-Patina schiefergrau, 0,7 mm
Unterkonstruktion: hinterlüftete Holzschalung mit Wirrfasertrennlage
Das Hagelmonster hinterlässt Spuren Klempner fordern Umdenken der Versicherungen
Durchlöcherte Fassaden und Photovoltaikanlagen, durchschlagene Dachfenster und Dachziegel sowie zerstörte Solaranlagen – die Schäden gehen in die Milliarden. Nicht nur an Gebäuden, sondern auch an Ampelanlagen und Stromleitungen sowie an tausenden Fahrzeugen hinterließ das Reutlinger Hagelereignis seine Spuren. Wie fast immer wurde der Hagel von heftigen Regenfällen begleitet, die zu Überschwemmungen auf Straßen oder in Unterführungen führten.
Besonders dramatisch waren die Wasserschäden in Gebäuden, deren Dächer, Scheiben und Fassaden zuvor vom Hagel zerschlagen wurden. Fast immer trat der Regen ungehindert ein, was insbesondere bei Wohnungen und Häusern zu drastischen Folgeschäden führte und viele Gebäude über Wochen und Monate unbewohnbar machte. Zur Verdeutlichung: Sogar nach über einem halben Jahr riss die Welle der Schadensmeldungen nicht ab.
Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund der Tatsache, dass Metalldächer nach starkem Hagel zwar Beulen aufweisen können, aber noch immer regendicht sind, ist die Vorgehensweise einiger Versicherer unverständlich. Dass verbeulte Metalldachdeckungen nicht ersetzt werden sollen, weil der Schaden nur ein optischer Mangel ist, ebenso. Die Klempnerbranche fordert daher ein Umdenken, denn Metallbedachungen sind hagelsicher – sogar dann, wenn Hagelkörner Tennisballgröße erreichen!
Anfertigen von Luftaufnahmen
Face.Buck-Pilot und Fachautor Frank Preuss fertigte die hier gezeigten Luftaufnahmen mithilfe eines sogenannten Multicopters an. Das mit einer Kamera ausgestattete, ferngesteuerte Fluggerät ist äußerst wendig und kann für unterschiedliche Aufgaben eingesetzt werden. Mithilfe modernster Lage- und Regelelektronik kann der Multicopter exakt an schwer zugänglichen Dächern oder Gebäuden manövriert und eingesetzt werden. Dabei können zum Beispiel Fotos oder Videos von verschmutzten Dachrinnen oder Rinnenkesseln aufgenommen werden. Unter der Berücksichtigung, dass zum Fluggerät Sichtkontakt bestehen muss, können auch ganze Dächer abgeflogen und auf Schäden kontrolliert werden.
Bei Kirchtürmen ergibt sich hierbei für Architekten oder Sachverständige ein großer Vorteil, denn Kosten und Zeitaufwand lassen sich extrem reduzieren. Anstatt mit einem Fernglas zu kontrollieren, ob die Sandsteinfugen oder das Dach noch intakt sind, kann dies ohne Probleme mit dem Multicopter gemacht werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob Video oder Fotomaterial benötigt wird, dies kann während des Fluges individuell ausgeführt und anschließend mit dem Bauherrn zusammen ausgewertet werden. Auch gegenüber Versicherungen kann man mit hochauflösendem Bildmaterial punkten. Für eine solche Befliegung benötigt man ungefähr zehn Tage Vorlaufzeit, um bei der zuständigen Behörde die Aufstiegserlaubnis zu beantragen. Diese gibt ein bestimmtes Zeitfenster vor, in der die Befliegung ausgeführt werden darf. Wer mehr über das Anfertigen von Luftaufnahmen erfahren möchte, sollte sich rasch zur BAUMETALL-Workshopreihe im Museum anmelden.
Im Rahmen der Face.Buck-Flugschule vermittelt Frank Preuss, wie mithilfe einer ferngesteuerten Drohne beeindruckende Videos und Fotos entstehen. Nach einer theoretischen Einführung nehmen die Teilnehmer den Steuerknüppel selbst in die Hand. Der erfahrene Drohnen-Pilot zeigt den Workshopteilnehmern dann, worauf es bei der Gebäudebefliegung ankommt, und er verspricht, dass dank moderner Technik auch Anfänger ein Erfolgserlebnis haben werden.
Termin: Freitag, 25. September 2015, 10.00 Uhr
Referent: Frank Preuss
Ort: Europäisches Klempner- und Kupfer- schmiedemuseum, Karlstadt