Für Außenstehende sind interne Querverbindungen und die Strukturen der organisierten Schweizer Spengler nur schwer durchschaubar. Die Suissetec agiert als offizielles Verbandsorgan und Wirtschaftsverband eng verwoben mit dem 500 Mitglieder starken Verein diplomierter Schweizer Spenglermeister (VDSS) sowie mit hochkarätigen Industrievertretern. Auch die Unternehmer machen sich stark und pflegen ein beeindruckendes Netzwerk – sogar über die Landesgrenzen hinweg…
Herausragend sind Veranstaltungen oder Branchentreffen wie die im September 2010 abgehaltene Branchen-Exkursion. Als Gastgeber und Initiatoren informierten die Soba Inter AG und die Rheinzink (Schweiz) AG eine Delegation fachkundiger Spengler aus Österreich und der Schweiz. Auf dem zweitägigen Fachprogramm standen unter anderem Besichtigungen bekannter Schweizer Unternehmen, beeindruckende Fachreferate sowie Vor-Ort-Termine an eben solchen Spengler-Projekten. Neben den Besuchen der Fabrikations- und Spenglerfachbetriebe Schoop in Baden Dättwil und der Waga Spenglertechnik AG in Sirnach, bot die Veranstaltung ein spannendes Fachreferat zum Thema „Schadensursachen am Metalldach“. Außerdem erfuhren die Teilnehmer bei einer Werksführung, wie die Tec-Joint AG Dehnungsausgleicher und Fugenbänder produziert.
Fachinformationen und Problembetrachtung
Aus beiden Ländern nutzten sowohl offizielle Branchenvertreter als auch erfolgreiche Unternehmer die Chance, entsprechende Fachinformation zu erhalten. Eines der Highlights setzte VDSS-Vizepräsident Claudio Cristina. Das Mitglied des Fachvorstandes Spenglerei/Gebäudehülle des schweizerisch-lichtensteinischen Gebäudetechnikverbandes und Leiter der Anwendungstechnik der bei Rheinzink (Schweiz) AG ist diplomierter Spenglermeister und ein Garant für erstklassige Fachreferate.
Mit dem Thema „Das Metalldach: Problemstellungen aus der Schweiz“ sorgte Claudio Cristina für erstaunte Gesichter. Die provokante Frage „Sind Falzdächer wirklich dicht?“ sowie seine Schilderungen zu Trennlagen, Schneebelastungen, Flatter- und Ausdehnungsgeräuschen oder Traufkapillar-Effekten beeindruckten. Bewusst provozierend schilderte der Herzblutspengler aktuelle Schadens- und Problemfälle. Beispielsweise zeigte er auf, dass funktionierende Unterdächer nicht nur wichtig, sondern bei gewissen, grenzwertigen Konstruktionen auch zwingend nötig sind. Er unterstrich in diesem Zusammenhang, dass über 90 % der ihm bekannten Problemfälle klar auf Ausführungsfehler zurückgeführt werden können. Ferner wies er darauf hin, dass unerwünschte Feuchtigkeit primär von außen, sowie vereinzelt auch bauphysikalisch verursacht, von innen unter die Metalldeckung gelangen kann.
Adäquate Trennlagen sind wichtig
Mühsam ist in diesem Zusammenhang vor allem, Bauherren und Architekten zu vermitteln, dass Falzdächer nicht wasser-, sondern regendicht sind. Umso wichtiger ist der fachgerechte Einbau geeigneter Unterdachkonstruktionen und Trennlagen. Auch die Beachtung der Mindestdachneigung spielt eine entscheidende Rolle. Sie sollte im Zweifelsfalle über der Mindestneigung von 3° liegen. Mit erhobenem Zeigefinger wies Claudio Cristina auf die topografischen und die klimatischen Bedingungen in der Schweiz hin und betonte, besonders bei Bauvorhaben in berg- oder schneereichen Regionen größte Sorgfalt bei der Ausführung von Stehfalzdächern walten zu lassen.
Traufausbildung sicher gestalten
In der Schweiz werden zur Ausführung sicherer Traufdetails verjüngte Traufbohlen, angereifte Einhangnasen und offene Traufeinfalzungen angewandt. Besonders effektiv sind kapillarbrechende Maßnahmen, etwa bewusst platzierte Freiräume nach der Traufbohle. Übrigens erzielen Rückkantungen an Einlaufprofilen nicht zwingend die gewünschten Effekte: Schneelasten, die am Traufbereich vermehrt auftreten, drücken Rückkantungen und Wasserfalze nach nur einer Wintersaison zu und machen diese Maßnahmen somit unbrauchbar. Dieser negative Effekt nimmt sogar deutlich zu, wenn Schneefanganlagen nicht auf der gesamten Dachfläche verteilt, sondern nur am Traufbereich platziert werden.
Kollegen im Gespräch
Die zweitägige Veranstaltung blieb bei den Teilnehmern in bester Erinnerung. Nicht zuletzt, weil die gute Organisation der Veranstaltung sowie das kurzweilige Abendprogramm abwechslungsreich und informativ zugleich gestaltet war. Mit dem Versprechen, die nächste Veranstaltung dieser Art in Österreich zu organisieren, verabschiedeten sich die Kollegen voneinander.
Es bleibt zu hoffen, dass Branchengespräche dieser Art Schule machen werden und vermehrt dazu beitragen, dass die Klempnernetzwerke in Zukunft noch engmaschiger werden.
INFO
Schweiz aktuell
Claudio Cristina informierte die Teilnehmer über den aktuellen Stand branchenübergreifender Fachgespräche. So diskutieren die Schweizer Spengler derzeit mit den dortigen Holzverarbeitern und Zimmerern darüber, ob Holzschalungen zukünftig in den Abmessungen 27 x 120 mm ausgeführt werden sollen. Auch fordern die eidgenössischen Kollegen, den Einsatz von Rillennägeln (in Bergregionen von Schrauben) zur Schalungsbefestigung in die Spengler-Fachregeln aufzunehmen.
Eine weitere Empfehlung der Branchenkommission befasst sich mit dem sogenannten Clip-Relief und verfolgt das Ziel, das optimierte Stehfalzprofil vermehrt einzusetzen.
INFO
Gemeinsam stärker sein – Anmerkungen des ZVSHK sowie der BAUMETALL-Redaktion:
Problemlösungen können an topografische Bedingungen angepasst werden. Was sich in Bergregionen bestens bewährt, scheint für das Flachland ohnehin geeignet zu sein. Zugegeben: Spengler aus der Schweiz und aus Österreich lösen Probleme unter Umständen anders als Klempner in Hamburg. Dennoch können sie allemal voneinander lernen. Außerdem sind zahlreiche Ausführungsdetails weltweit identisch.
Spätestens seit dem BAUMETALL-XXL-Treffen 2008 ruft die Branche vermehrt nach einer praxistauglichen Möglichkeit zum grenzübergreifenden Erfahrungsaustausch. Inzwischen ist einiges geschehen: Beispielsweise verdeutlichte der ZVSHK als Organisator des erfolgreichen Deutschen Klempnertages 2010, sowie die dort zu hörenden Gastredner aus der Schweiz und aus Südtirol, dass sich die Branche neu positioniert. Die aktuelle Stellungnahme des ZVSHK unterstreicht dies zudem:
Länderübergreifender Klempner-Erfahrungsaustausch
Anregungen aus dem Kreis der Teilnehmer des Klempnertages, der Bundesfachgruppe Klempner und des Baumetall-Chefredakteurs Andreas Buck aufgreifend, wird sich der ZVSHK um eine Intensivierung des länderübergreifenden Kontaktes mit den Verbänden des Klempner- und Spenglerhandwerks in Österreich, der Schweiz und Südtirol bemühen. Der ZVSHK schlägt einen Erfahrungsaustausch im kleinen Kreis vor, ähnlich dem jährlichen Treffen der SHK-Verbände aus Österreich, der Schweiz, Südtirol und Deutschland.
Im Vordergrund soll dabei der Dialog über aktuelle Entwicklungen im Bereich des Klempnerhandwerks insbesondere in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht stehen. Aber auch Fragen der Ausbildung und des Images des Klempner-/Spenglerhandwerks sollen thematisiert werden.
So soll auch eine größere Beteiligung von Betrieben aus diesen Ländern am traditionellen Klempnertag vorbereitet werden, traditionell alle zwei Jahre vom ZVSHK organisiert und einer der größten Veranstaltungen dieser Art in den deutschsprachigen Ländern. Diese hervorragende Plattform zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch gilt es zu stärken. Elmar Esser, Hauptgeschäftsführer des ZVSHK, erklärte hierzu: „Intensive Kontakte über die Grenzen hinweg sind heute auf individueller Ebene keine Seltenheit mehr. Mit einem regelmäßigen Treffen der Verbandsspitzen können die Kontakte in die Nachbarländer weiter zum Wohle der Betriebe verbessert werden. Wir versprechen uns hierdurch auch einen noch stärkeren Zuspruch zum Klempnertag aus dem deutschsprachigen Ausland.“