Dass die Bauzeit auf Alpengipfeln kurz ist, weiß Spenglermeister Gregor Bless. Trotzdem zögerte der Geschäftsführer der Bless AG keine Sekunde, die Eindeckung des Ski- und Gourmetrestaurants Gütsch auf dem gleichnamigen Berg auszuführen. Der Fachbetrieb aus Erstfeld im Schweizer Kanton Uri installierte ein flach geneigtes Kunststoffdach auf der Gaststätte, um sie vor dem alpinen Klima in 2360 m Höhe zu schützen. Die Eindeckung hält starken Windlasten ebenso stand wie Schneefall, Tiefsttemperaturen und einer Sonneneinstrahlung mit hohem UV-Anteil. Das Ausflugslokal oberhalb des Wintersportorts Andermatt bildet den neuen Mittelpunkt eines Skigebiets, das durch drei Seilbahnen erschlossen wurde.
Hochleistungsdach aus Kunststoff
Jenseits einer Höhe von 2300 m erweist sich das Wetter als ernstzunehmender, alles entscheidender Faktor. Der Gipfel liegt weit über der Baumgrenze, ab der nicht einmal mehr Nadelhölzer wachsen. Die Region ist schneesicher von Oktober bis April. Die Eindeckung auf dem Restaurant wurde so geplant und ausgeführt, dass sie bei maximaler Nutzungsdauer wenig Wartung erfordert. Die insgesamt 450 m² große Dachfläche gliedert sich in ihrem Grundriss in drei annähernd quadratische Teilflächen, die unterschiedlich groß sind. Der Fachbetrieb, der sich auf Gebäudehüllen, Bedachungen und Blitzschutz konzentriert, verlegte Kunststoffdichtungsbahnen der Marke Sarnafil auf dem Gebäude. Der Spenglermeister erklärt den Grund, warum diese Dichtungsbahnen des Schweizer Herstellers Sika zum Einsatz kamen: „Durch die Höhe war die Windsogfestigkeit eine Herausforderung, weil die Flachdachabdichtung ohne Beschwerungsschicht erstellt wurde. Die Dämmung und Abdichtungsfolie wurden kraftschlüssig miteinander verbunden. Zusätzlich wurde die Dämmung mittels mechanischer Befestigung mit dem Untergrund verbunden. Dazu wurden die Dämmplatten mit Dämmstoffhaltern auf das Holzelement geschraubt.“ Die Folien gibt es in drei Stärken zwischen 1,5 und 2,0 mm sowie in verschiedenen Befestigungsarten. Möglich sind sowohl die lose Verlegung, eine mechanische Befestigung als auch das vollflächige Verkleben. „Wir haben die PVC-Abdichtung G 410-18 EL Felt im Farbton Bleigrau vollflächig auf der PUR-Dämmung verklebt“, ergänzt der Fachmann. Eine Vliesbeschichtung auf der Unterseite der Bahnen sorgt dafür, dass sich das Material auch unter ungünstigen Windbedingungen zügig und sicher befestigen lässt.
Aufs Extreme vorbereitet
Eine Katastrophe wäre das Letzte, was sich Skifahrer und Ausflügler auf dem Gipfel wünschen. Das Spezialdach bietet daher Schutz vor vielen Umwelteinflüssen gleichzeitig. Die recyclebaren Kunststoffbahnen, die sich schweißen lassen, widerstehen außer Hitze und Kälte auch Hagelschlag, mechanischer Einwirkung und sogar Mikroorganismen. Jede Abdichtungsbahn besteht aus mehreren Schichten. Zwischen den Kunststofflagen aus PVC ist Glasvlies eingearbeitet, das die Formstabilität einer Bahn garantiert und Maßveränderungen verhindert. „Diese Flachdacharbeiten, die wir ausgeführt haben, sind auch unter der Bezeichnung Nacktdach bekannt“, gesteht der Geschäftsführer lächelnd ein. Die Bless AG setzte jedoch ganz auf fundiertes Spenglerhandwerk, um die Konstruktion bautechnisch gegen die Witterung zu wappnen. „Die Sika-Hochleistungs-Kunststoffabdichtung wurde auf einer 80 bis 200 mm starken PU-Dämmung verlegt“, sagt der Unternehmer. Das Team montierte ein Schneefangsystem aus 23 kastenförmigen Barrieren auf der größten Dachfläche. Diese Barrieren wurden mit Kunststoffbahnen bedeckt, damit sie optimal vor dem Wetter geschützt sind und ihre Funktion langfristig erfüllen können. Der Fachbetrieb dichtete auch die Attika, die rund um die Bedachung verläuft, mit Kunststoffbahnen ab. Die Attika und die Schneebarrieren verhindern zuverlässig, dass Dachlawinen entstehen oder herabstürzen.
Schmuckstück sammelt Regenwasser
Die drei Teilflächen neigen sich mit einem Winkel von etwa 13 Grad Richtung Gebäudemitte, genauer gesagt zu den beiden Kanten, an denen alle Dachflächen aneinandergrenzen. Sämtliche Neigungen sind bereits im Rohbau angelegt. Aufgrund des Gefälles liegt der tiefste Punkt des Daches genau im Schnittpunkt der drei Teilflächen. Dorthin fließen alle Niederschläge, bevor sie in zwei Dacheinläufe sickern, die das Team des Geschäftsführers auf der Eindeckung montierte. Durch verdeckte innen liegende Rinnen fließen die Niederschläge in die Tiefe und münden in einen formschönen Wasserfangkasten an der Außenfassade des Restaurants.
Die Spengler fertigten dieses Behältnis, das zur Sicherheit mit einem Überlauf ausgestattet ist, aus walzblankem Kupfer in der Werkstatt vor. Zwei Zierornamente in Form von Löwenköpfen sind der eigentliche Blickfang des Bauteils. Die beiden Ornamente wurden per Hand mithilfe der Treibtechnik in die Kupferprofile eingearbeitet. Dabei treffen gezielte Hammerschläge auf das Metall, das sich im kalten Zustand unter der Einwirkung des Hammers plastisch verformt und verfestigt. Durch Weichglühen und Abkühlen lässt sich die Formbarkeit beliebig oft wiederherstellen, sodass der Werkstoff erneut mit dem Hammer bearbeitet werden kann. Da die beiden Ornamente mit einer verdeckten Methode am Wasserfangkasten befestigt wurden, entfaltet die jahrhundertealte Handwerkstechnik auf den Löwenköpfen ihre Wirkung umso mehr.
Höchstmaß an Sicherheit
Das Restaurant in seiner exponierten Lage am Hang erforderte ein wirksames Blitzschutzkonzept. In direkter Nähe überragt kein Gebäude das Ausflugsziel in seiner Höhe. Um elektrische Entladungen während eines Gewitters in den Erdboden abzuleiten, installierte die Bless AG auf dem Gebäude ein Leitungssystem, an das alle Dachaufbauten angeschlossen wurden. Die höchste dieser Konstruktionen, ein massives Kupferrohr, funktioniert zugleich als Blitzfangeinrichtung. Ein kastenförmiger Rauchabzug aus Spenglerhand wurde ebenfalls an die Blitzableiter angeschlossen. Für beide Dachaufbauten konstruierte der Fachbetrieb zudem pyramidenförmige Schneestopper, die verhindern, dass hohe Schneelasten die Bauteile beschädigen oder niederreißen. Darüber hinaus montierten die Spengler einen Absturzschutz auf der Eindeckung, der die Mitarbeiter bei künftigen Inspektionen und Wartungen vor dem Abrutschen bewahrt. Der Fachbetrieb befestigte eine Seculine-Absturzsicherung inklusive Seilsystem.
Aufgrund der kurzen Bauzeit im Gebirge musste das Restaurant innerhalb der warmen Monate komplett fertiggestellt werden – vom Spatenstich bis zum Rückbau des Gerüstes. Die Koordinierung der Gewerke und die Einhaltung der Trocknungsphasen waren daher eine Herausforderung. Um die Montagezeiten zu verkürzen, kam ein Turmdrehkran zum Einsatz. Das Erdgeschoss wurde als Betonrohbau ausgeführt, das erste Stockwerk in trockener Holzbauweise mit OSB-Platten. Im ersten Stockwerk führte die Bless AG auch Fassadenarbeiten aus, indem die Spengler die Holzkonstruktion bituminös abdichteten. Außerdem montierte das Team eine Bekleidung aus Aluminiumverbundplatten für die Lüftung des Restaurants. Der Weg zum Gipfel war nicht ohne. Der Gütsch befindet sich in der Region zwischen St. Gotthard, dem Furkapass und dem Oberalppass. Vom Ort Andermatt aus, der bereits 1447 m über dem Meer liegt, gelangten die Mitarbeiter und das Baumaterial auf einem kilometerlangen Passweg zur Baustelle. „Im Schnitt arbeiteten zwei Spengler auf der Eindeckung, in Spitzenzeiten waren fünf bis sechs Mitarbeiter auf dem Berg beschäftigt“, verrät der Unternehmer. Schneefall schon im Oktober läutete schließlich das Ende der Montage ein und kündigte den Winter an, der Skifahrer und Ausflügler in die Schweizer Alpen lockt.
Bautafel
Projekt: Flachdach auf dem Gourmet- und Skirestaurant Gütsch
Bauherr: Andermatt-Sedrun Sport AG
Architektur: Studio Seilern Architects, London, Großbritannien
Planung und Bauleitung: siebzehn13 architekten, Altdorf, Schweiz
Fachbetrieb: Bless AG, Erstfeld, Schweiz
Material: Kunststoffabdichtungsbahn
Sarnafil G 410 18 EL Felt im Farbton Bleigrau; Hersteller Sika, Schweiz
Dachaufbau: Holzelement als Tragkonstruktion (bauseits), Bauzeitabdichtung EGV 3.5 flam (bauseits)
Wärmedämmung PIR-Vlies