Digitale Lösungen finden immer mehr Verwendung zur Analyse von Flachdächern, wie Stephan Muntwyler, Geschäftsführer des Unternehmens Gabs AG, in seinem Referat am Schweizer Spenglertag aufzeigen konnte. Muntwyler bot eine breite Übersicht über die Flachdach-Leckortung von der bisher gelebten Praxis über aktuelle Veränderungen bis zu modernsten Methoden. Das Hauptziel der Leckortung bleibt demnach immer dasselbe: Wassereintritt in Dachstrukturen verursacht diverse Probleme an Bauelementen wie zum Beispiel nasse Wärmedämmung, die ihren Zweck nicht mehr erfüllt. Die Folge ist beispielsweise die Schimmelpilzbildung mit negativem Einfluss auf die Innenraumqualität oder sogar einer Beeinträchtigung der Tragkonstruktion. Im Schadensfall ist die Suche undichter Bereiche oft mühsam und aufwendig. Die Flachdach-Leckortung wurde in der Vergangenheit mittels Probeöffnungen durchgeführt, um so den Schichtenaufbau und den Zustand zu ermitteln. Man erhielt dadurch einen Überblick zum Ist-Zustand aller Lagen bis unter die Dampfsperrschicht. Oft baute man entsprechende Kontrollstutzen ein. Die Nachteile dieser Verfahren: Es handelte sich um Punktaufnahmen an einem ganz bestimmten lokalen Ort. Die Qualität und Aussagefähigkeit dieser Kontrollarbeit war bislang abhängig von der Kadenz der Dachbegehung. Diese klassischen Methoden und Kontrollen waren alle passiv, es wurde kein Alarm ausgelöst.
Lebensraum Dach
Mittlerweile verändern sich Ansprüche und Anforderungen an das Bauteil Dach. In Wohnzonen werden Dächer zu grünen Dachlandschaften mit Substratinseln und Trockenholzwegen umgestaltet. Die Idee: Das Dach wird als zusätzlicher Lebensraum erschlossen. Outdoor-Living-Trends wie Außenküchen, Möbel und Lampen sind überaus beliebt. Bei Industrie- oder Gewerbebauten werden Dächer zu Technikflächen. Lüftungs- und Solaranlagen belegen die Dachflächen. Eine Kontrolle oder Instandsetzung der Abdichtung unter diesen Anlagen ist fast unmöglich, da sich diese technischen Anlagen nur mit extrem viel Aufwand demontieren lassen. Damit werden die Abdichtungen von Dächern immer unzugänglicher – die Ansprüche an die Qualität und Langlebigkeit steigen. „Ist das Dach dicht oder nicht?“ könne so zur Schicksalsfrage werden. Denn die Schadenfolgen können immens sein. „Denken Sie an Rechenräume, an Reinräume, Spitäler und Museen!“, rief Muntwyler dem Fachpublikum in Erinnerung. „Die Konsequenz daraus ist: Wir brauchen eine verlässliche Flachdachüberwachung. Hier kommt das digitale Leckortungssystem ins Spiel.“
Normen und Richtlinien
Muntwyler verwies auf die maßgebliche prSIA-Norm 271:2019 zu Abdichtungen von Hochbauten, die demnächst in der Schweiz Gültigkeit erlangen wird. Zum Zweiten erwähnte er die umfangreiche Richtlinie Flachdach-Monitoring 2019 der Internationalen Föderation des Dachdeckerhandwerks (IFD). Die Richtlinie hält Definitionen und Begriffe bereit, nennt spezifische Anforderungen, Schadenfolgeklassen, Prüfkriterien und erläutert Methoden der Datenauswertung.
Passive Leckortungssysteme
Zu unterscheiden ist zwischen passiven und aktiven Systemen. Eine passive Flachdach-Leckortung basiert auf Feuchtigkeitssensoren, die einfach und günstig in regelmäßigen Abständen in eine Dachschicht eingebaut werden können und die Zustände nass/trocken melden. Im Markt gut eingeführt sind die Hum-ID-Sensoren; via Smartphone-App lässt sich die Feuchtigkeit ganz einfach und jederzeit abfragen. Negativpunkt: Das RFID-Signal ist nicht in der Lage, Blechdächer zu durchdringen. Andere passive Meldesysteme basieren auf einem elektrisch leitenden Vlies und einem Kontrollrohr. Die Auslesung der Daten geschieht ebenfalls mit einer App.
Hybride und aktive Leckortungssysteme
Eine Alternative sind aktive oder hybride Flachdach-Leckortungssysteme. Sie können dank eigener Batterie-Energieversorgung über eine längere Zeitreihe Messdaten aufzeichnen. Entsprechende Systeme sind multifunktional, da sie gleich mehrere Parameter (Feuchtigkeit, Temperatur, Taupunkt) erfassen. Die Technologie ist komplexer, daher teurer für die Anwender. Die meisten Anbieter bieten Abomodelle für die Auswertung der gemeldeten Daten an. Als Minimalanforderung melden die verbauten Aktivsensorsen in kurzen Abständen – z. B. alle vier Stunden – den Dachzustand. Häufig wird dabei LoRa verwendet, ein proprietäres Kommunikationsprotokoll der Nachrichtentechnik, das im niedrigen Frequenzbereich mit geringem Energiebedarf sendet. Gewisse Anbieter lassen die Daten in einer Cloud sammeln.
Das Schweizer Produkt OrkaNet basiert auf einem Drahtschlaufennetz und einem elektrischen Impulsverfahren und funktioniert ohne Strom- oder Datennetzanschluss. Andere Produkte basieren auf Sensorbändern, die ein Dachhandwerker zuerst verlegen und verkabeln muss – Internetanschluss ist dabei notwendig, nicht aber die Installation eines Kontrollrohrs.
Zukunftstaugliches Geschäftsmodell
Bei der Wahl des Monitoringsystems sind die Schadenfolgeklassen zu berücksichtigen (gemäß IFD-Richtlinie). Stephan Muntwyler verweist auf neuere Erkenntnisse, die sich aus der Nutzung von Monitoringsystemen ziehen lassen. Je nach Aufbautyp (etwa PV-Anlagen) ist es möglich, dass die Dachoberfläche im Jahresverlauf nicht mehr vollständig austrocknen kann. Diesem Einfluss auf die Bauphysik eines Gebäudes wurde bislang zu wenig Beachtung geschenkt. Analog zur Autobranche bietet die Monitoring-Technologie den Spengler- und Flachdachunternehmen das Potenzial, Bauherrschaften und Real-Estate-Betreibern ein All-inclusive-Servicepaket anzubieten. Muntwyler ermunterte die Branche: „Mit diesen Technologien in Kombination mit Bezahlabos können Fachbetriebsinhaber neue Geschäftsfelder erschließen.“ 
Info
Welches System ist für das individuelle Dach geeignet?
Stephan Mutwyler empfiehlt, sich an fünf Entscheidungskriterien zu orientieren:
Muntwyler ist gelernter Spengler, dipl. Techniker HF und Executive Master of Business Administration (E-MBA). Er ist seit über 35 Jahren ausschließlich in der Gebäudehüllenbranche tätig. Sein Werdegang führte ihn über den Schweizerischen Spengler- und Installateurverband (SSIV/Suissetec) in eine Kaderfunktion bei einer führenden Spenglerei sowie in die Zulieferindustrie. Seit Oktober 2013 leitet Stephan Muntwyler die Gabs AG als Geschäftsführer. Seit 2014 arbeitet er auch im Fachbereichsvorstand des Schweizerisch-Liechtensteinischen Gebäudetechnikverbandes (Suissetec) sowie in der Fachkommission Haustechnik/Versorgung/Gebäudehülle des Schweizerischen Stahl- und Haustechnikhandelsverbandes (SSHV) mit.