Die silberne Fassade an der kristallinen Konstruktion garantiert dem Spielzeugmuseum im thüringischen Sonneberg ungeteilte Aufmerksamkeit. Weil in der Region traditionell Schiefer verarbeitet wird, versetzten die Pläne der Architekten Junk & Reich als Generalplaner den Ort und seine Besucher in helle Aufregung. Durch das Ende November 2013 fertiggestellte Bauwerk erhielt das Museum nicht nur mehr Ausstellungsfläche für seine einmalige Sammlung. Mit den barrierefreien Zugängen, einem Museumsshop und modernen sanitären Einrichtungen erfüllt der extravagante Bau auch hohe funktionelle Standards. Am Dach und entlang der Fassade erweisen sich die Details des Fachbetriebs Glückauf aus Sonneberg als echte Entdeckung.
Futuristische Hightech-Fassade
Die kompakte Geschlossenheit wirkt auf Besucher wie ein Magnet. Doch die Profile vom baden-württembergischen Hersteller Häuselmann-Metall bestehen aus Aluminium, das die Handwerker vor Ort auf der Baustelle kanteten. „So etwas finden Sie heute selten“, erinnert sich der Architekt Klaus Junk enthusiastisch. „Den Profis konnte ich eine Skizze an die Wand zeichnen, die wussten sofort, was gemeint war.“ Geliefert wurde das 1,2 mm starke Aluminiumwalzprodukt in 1000 Profilen mit 410 mm Breite und 3800 mm Länge. Dazu zwei Aluminiumcoils zu je 100 kg, ebenfalls 1,2 mm stark und 410 mm breit. Schwierigste Situationen erforderten Speziallösungen: „Die Mitarbeiter haben schräg abgelängt“, erklärt Klaus Junk „... und individuell um jede einzelne Ecke gekantet.“ Für das Beleuchtungsdesign wurden Profile ausgestanzt, damit unter der Verbindungsbrücke Licht auf den Weg scheint. Im Ergebnis entstand ein Blickfang mit Präzision bis ins Detail: Die Profile wurden nicht entlang der Waagerechten oder der Senkrechten an die Betonwand gedübelt, sondern in Winkeln zwischen 7 und 17 Grad zur lotrechten Linie. Im wilden Verband mit Schattenfuge offenbaren sich auf den zweiten Blick regelmäßige, komplexe Strukturen, die wie in schleppenden Verbänden gegeneinander versetzt und gespiegelt sind.
Mysteriöses Licht durchdringt Geschlossenheit
Für einen geheimnisvollen Lichteffekt sorgen die perforierten Profile vor den Fenstern. Dieser Effekt wechselnder Transparenz zählt zu jenen Ideen, die das Projekt von der Planung bis zur Vollendung begleitet haben. Die Größe der Lochungen wurde speziell getestet, damit die gelaserten Aluminiumelemente am Tag die Sicht von außen durch das Glas verhindern, aber die Besucher aus dem Gebäude hinausschauen können. So entzieht sich der Bau hermetisch dem Blick ins Innere. Von außen lässt sich weder die Zahl noch die Höhe der Etagen feststellen. Ab der Dämmerung und bei Dunkelheit kehrt sich der Effekt um: Die Beleuchtung der Innenräume strahlt durch die Perforation hinaus. Besucher draußen sehen, was drinnen passiert. Dabei entsteht fast der Eindruck, als ob das Metall „glüht“, was zu den äußerst eindrucksvollen Erlebnissen zählt.
Beschichtetes Farbaluminium
Durch die besondere Qualität und genormte Festigkeit erreichen die Profile eine hohe Witterungsbeständigkeit: Die Oberfläche auf der Sichtseite ist mit zwei Schichten Polyester-Nasslack überzogen, deren Stärke etwa 20–25 m beträgt. Auf der Rückseite verhindert ein etwa 3 m dicker Schutzlack, dass die Fassade korrodiert. Eine UV-beständige Folie schützt die Metalloberfläche während Umformung und Montage – die flexible Lackschicht erlaubt risslose Abkantungen bis zu 180° und begünstigt die bekanntermaßen gute Verarbeitung auf der Baustelle zusätzlich. Weil das Aluminium und die Beschichtung nicht brennen, erfüllt die Fassade hohe Brandschutzstandards. Einen Beitrag zum Umweltschutz leisten die Profile, indem sie kein Schwermetall absondern und recyclebar sind. Der originale Farbton mit seidenmattem Glanz reicht je nach Lichteinfall von fast weiß bei Sonne über zahllose Farbreflexe bis zu einem dunklen Anthrazit in der Dämmerung. Feuchte Witterung lohnt einmal mehr für einen Besuch, da sie den Metallglanz noch verstärkt.
Doppeldach aus Metall
Durch die geneigte Ebene entsteht bereits optisch ein nahtloser Übergang zwischen Fassade und Dach. Darüber hinaus wurden vergleichbare Aluprofile, die bis zur Traufe montiert sind, auch im Dachbereich verarbeitet. An Dach und Fassade weisen die 1,2-mm-Profile deutlich sichtbare Schattenfügen auf. Um die Dichtigkeit des Daches zu gewährleisten, wurden diese auf Trapezprofilen der Marke Kalzip befestigt. Die als wasserführende Schicht eingesetzten Trapeztafeln wurden über eine Unterkonstruktion auf dem Betonuntergrund verankert. Entwässert wird das raffinierte Doppeldach über eine kastenförmige Rinne Die beheizten, eigens profilierten Regenrinnen verlaufen nicht außen entlang der Fassade, sondern liegen etwas höher innerhalb der Dachfläche. Nach innen hinter die Fassade, in die Dämmebene verlegt, wurden die Fallrohre, in die das Regenwasser mündet. Den Schnee stoppt ein System aus miteinander verbundenen Rohrsegmenten in diagonal aufgerichteten Fassungen. Indem sich die Dachentwässerung dezent, vom Boden aus kaum sichtbar ins Gesamtkonzept einfügt, betont sie den geschlossenen Eindruck der Architektur.
Attraktionen beeindrucken die Sinne
Wie eine eigene Attraktion wirkt die raffinierte Statik. Nach Auskunft des Architekten sollte „ein bewusster Gegensatz“ entstehen, der nicht klarer zum historischen Museumsbau hätte ausfallen können. Seit dem Spatenstich im April 2012 genießt das Gebäude einen Seltenheitswert mit hohem Wiedererkennungseffekt. In der Geometrie des Baukörpers entdecken Besucher wenige Symmetrien, dafür umso mehr spitze und stumpfe Winkel, deren Werte die 90°-Marke deutlich überschreiten oder unterbieten. Die Spitze am höchsten Punkt des Gebäudes ragt schräg in den Himmel. Durch die geneigten Wände verbreitert sich das Gebäude mit zunehmender Etagenzahl. Der Reiz, die Grundfläche der Etagen zu variieren, besteht im Spiel mit den Naturgesetzen, ohne dass das Bauwerk seine Stabilität verliert. Über den puren Selbstzweck hinaus soll das Museum schließlich die Exponate tragen und dem Besucherstrom standhalten. Kinder spüren wohl intuitiv die anziehend scharfkantige Gestalt des Kristalls, der seinerseits einen Jahrmarkt voller Attraktionen – die Ausstellung „Thüringer Kirmes“ beherbergt.
Neben dieser Sammlung zeigt das 1901 gegründete Museum über 60 000 Spielzeuge, darunter Modellautos, -eisenbahnen und Karussells. Spielzeug aus Metall, das ebenso wie die Gebäudehülle aus Aluminium die Fantasie nicht nur der Kinder bewegt.
Bautafel
Projekt: Deutsches Spielzeugmuseum in Sonneberg
Architektur: Junk & Reich Architekten, Weimar
Fachbetrieb: Glückauf Dachdecker GmbH, Sonneberg. Ein Unternehmen für Klempnerarbeiten in Verbindung mit Dachdeckerarbeiten
Fassade und Dach: Farbbeschichtetes 1,2-mm-Aluminium von Häuselmann Metall
Henry Rasch
Henry Rasch ist Inhaber des Verlags Illustrierte Welten & Informationen in Berlin.