Einzigartiger Gegensatz

Das Bauwerk mit dem elliptischen Tonnendach sorgt seit der Planungsphase für Gesprächsstoff. Die Stadtbibliothek Görlitz wurde von 2007 bis 2009 innen und außen komplett saniert. Zuvor, von 2005 bis 2007, entstand ein Erweiterungsbau für den ständig wachsenden Medienbestand. Nach der Fertigstellung ließ die Resonanz der Besucher nicht lange auf sich warten.

Wetterfestes Kunstwerk

Dass über sechs Jahre Wind und Wetter kaum Spuren hinterlassen haben, unterstreicht einmal mehr die Langlebigkeit von Metalleindeckungen. Das Tonnendach und die Fassadenbekleidung über drei Stockwerke wirken wie neu. Für die Haltbarkeit haben sich die anspruchs-vollen Materialien und Konstruktionstechniken bewährt. In Doppelstehfalztechnik verlegte die Bauklempnerei Lothar Tschierschke samtgraue, vorbewitterte Titanzinkprofile von VM-Zinc mit einer Stärke von 0,8 mm. Bereits im Werk wurden diese Profile auf ihrer Unterseite speziell gegen Korrosion beschichtet (Quartz-Zinc-Plus). Denn das nicht hinterlüftete Dach liegt auf einer vollflächigen Unterkonstruktion.

Auf dem Stahlbetongewölbe wurden Dämmstoffelemente aus Schaumglas verankert. Dieses Material isoliert nicht nur ideal gegen Hitze und Kälte, sondern ist auch wasserdicht und brennt nicht. Weil sich Schaumglas überwiegend aus recycelten Fensterscheiben herstellen lässt, schont seine Verwendung die Umwelt. Zwischen der Dämmung und den Zinkprofilen befinden sich noch eine Bitumenschweißbahn und eine Trennschicht aus Kunststoffmatten. Das Gewölbe erforderte eine ausgeklügelte Dachentwässerung. In großen Auffangkästen sammelt sich das Regen- und Schmelzwasser vom Dach und von der Fassadenfläche. Quadratisch geformte Fallrohre schließen eben mit der Fassade ab. Interessantes Detail: Überläufe kanalisieren das Wasser, damit es nicht unkontrolliert auf den Gehsteig tropft.

Beliebter Dachbereich

Dass die Bücherei den Raum unter dem Gewölbe nutzen kann, zählt zu den größten Vorteilen. Die oberen Etagen inklusive Dachbereich belegt die Kinderbibliothek. Vier Reihen spezieller Dachfenster in gewölbten Rahmen fluten die Räume mit Tageslicht. Zur Durchlüftung und gegen stauende Hitze lassen sich die unteren Fenster öffnen. Sonnenblenden schützen zusätzlich vor intensiver Einstrahlung. Licht ins Treppenhaus bringt der verglaste Giebel. Nicht nur den Jüngsten gefiel der Neubau. Innerhalb von sieben Tagen nach Eröffnung zählten die Mitarbeiter der Bibliothek Rekordwerte von 2000 Besuchern.

Tonnenform mit Seltenheitswert

Dass sich ein Dach nicht gleichmäßig rund oder flach bogenförmig, sondern wie das gestauchte Segment einer Ellipse wölbt, ist ungewöhnlich. An der Stirnseite der Bücherei wird gut sichtbar, dass die Krümmung der Zinkprofile am Scheitelpunkt des Daches den größten Wert erreicht und ein klassischer First fehlt. Fast plan dagegen sind die Profile am vertikalen Fassadenbereich. Eine markant waagerechte, hell verputzte Dachkante kontrastiert die ovale Form, den dunklen Farbton und das Material des Dachs. Diese auffällige Kante mit ihren rechtwinkligen Eckpunkten verläuft sogar um die Stirnseite des Gebäudes herum und erfüllt keine statisch tragende Funktion. Es entsteht der Eindruck, die Kante schwebe frei an der Stirnseite. Die Dachkante und die tief herabgezogene Fassadenbekleidung akzentuieren als besondere Designelemente die elliptische Form. In der hiesigen Dachlandschaft kommen Tonnendächer nicht allzu häufig vor. Auf historischer Architektur sind metallbekleidete Tonnendächer vereinzelt zu sehen. Neuere Industriegebäude haben das Tonnendach wiederentdeckt und über manche Einkaufszentren spannen sich gläserne Gewölbe. Eine vergleichbare Kombination aus Ellipsenform, Metallbekleidung und genutztem Dachraum existiert weder in der sächsischen Stadt noch in der Umgebung. Es sieht so aus, als ob das Tonnendach der Stadtbibliothek Görlitz noch einige Zeit ein Unikat bleiben könnte.

ist Inhaber des Verlags Illustrierte Welten & Informationen in Berlin.