Auf einem etwas versteckten Grundstück neben dem repräsentativen Geschäfts- und Wohnhaus der Spengler- und Sanitärmeister Karl und Ernst Lüdi sollte ein neues Haus entstehen. Dabei galt es, die kleine Baufläche optimal zu nutzen. Außerdem wünschten sich die beiden „etwas Schmuckes“. Das Projekt bot für die zwei pensionierten Unternehmer mit großer Liebe zum Beruf auch die Möglichkeit, sich mit einem letzten eigenen, handwerklich herausragenden Werk von der Erwerbstätigkeit zu verabschieden. Aufgrund des Standortes und der beschränkten Zufahrt entschieden sich Karl und Ernst Lüdi für ein vorgefertigtes Systemhaus aus dem nachhaltigen Werkstoff Holz. Für die Planung und Ausführung wurde die in der Region bekannte Firma Casa-Vita / Frefel Holzbau AG aus Mollis beauftragt.
Material- und Partnerwahl
Die Planung erfolgte 2013 – 2014, die Ausführung 2014 – 2015. Der begrenzte Platz erforderte ein optimales Raumkonzept, das zugleich ansprechend wirken sollte. Für die Gebäudehülle wählte Karl Lüdi eine geschlossene Metallbekleidung ohne hervorstehende Falze. Die Außenhaut sollte den Bau umhüllen wie ein fallendes Kleid, mit flachem und doch lebhaftem Falzbild. Gewählt wurde eine Rautenbekleidung, bestehend aus etwa fünf mittelgroßen und flachen Titanzink-Elementen pro m2. Die einzelnen Rauten wurden mit Umschlägen nach vorne und nach hinten ausgestattet und bei der Montage einfach ineinander eingehängt.
Für die Dachdeckung und die Fassadenbekleidungen arbeitete Karl Lüdi eng mit den langjährigen Geschäfts- und Berufspartnern Rheinzink (Schweiz) AG und Gabs AG zusammen – insgesamt ein Dream-Team. Da Karl Lüdi keine eigenen Angestellten mehr hatte und sich 2200 Rauten auf 400 m2 nicht einfach so nebenbei verlegen lassen, stellte die Rheinzink (Schweiz) AG ihren erfahrenen Spengler-Lehrverleger Othmar Trottmann während einiger Wochen zur Verfügung. Mit der Gabs AG, führend im Spenglereihandel und der Fertigung von Profil- und Kantteilen für die gesamte Metallbranche, kam ein erfahrener Fabrikant hinzu. Die Gabs AG produzierte sämtliche Rauten wie auch alle Anschlussprofile. Auch die zur Montage erforderlichen Halbfabrikate wurde vom Spezialistenteam der Gabs AG geliefert.
Planung
Alle Details der Gebäudehülle – vom Lüftungsprofil am Fassadensockel über die eingelassenen Ortgangprofile bis zum verdeckten First – wurden gemeinsam von Karl Lüdi, Bernard Trächsel und Stephan Muntwyler entworfen, skizziert und vermaßt. Im Anschluss wurden alle Details auf dem Papier festgehalten und alle Rauten einzeln eingeteilt. Die Statik des Holzbaus wurde von der Paul Grunder AG, Ingenieur- und Planungsbüro für Holzbau in Teufen, berechnet und begleitet.
Holzrahmenbau
Im Betrieb der Casa-Vita / Frefel Holzbau AG wurden die Holzbauelemente für die Außen- und Innenwände sowie für das Dach vorgefertigt – und zwar bereits mit allen An- und Abschlüssen, damit alle Schichten der Gebäudehülle fachgerecht und funktionstüchtig an das nächste Element angeschlossen werden konnten. Das Dach und die Geschossdecken entstanden in einer Holz-Beton-Verbundbauweise. Verwendet wurden dabei Brettstapel-Massivholz-Elemente, welche die hohen Anforderungen an den Schallschutz perfekt erfüllen und die geforderten Brandschutzeigenschaften aufweisen. Die großen Lasten bei den Fenstern übernehmen Träger aus Furnierholz. Die Montage der Holzelemente dauerte nur wenige Tage. Die maßgenau vorgefertigten Holzbauteile für die beiden Dachflächen wurden in sage und schreibe zwei Tagen (natürlich bei schönem Wetter) verlegt. Kurze Montagezeiten gehören zu den wesentlichen Vorteilen der Holzbauweise mit vorgefertigten Elementen. Direkt anschließend erfolgten die Verlegung des dichten Unterdaches und der Beginn der Rautenverlegung: 2200 Stück zu zweit (manchmal zu dritt) in etwa 12 Wochen.
Dachdeckung
Rauten sind einfach eingehängt. Das heißt, sie sind im Extremwetterfall vielleicht einmal undicht, denn Regenwasser kann unter die Deckung eindringen. Aus diesem Grund wurden (entsprechend den Normen SIA 232/1 für geneigte Dächer und SIA 232/2 für wärmegedämmte Außenwände) ein dichtes Unterdach für außergewöhnliche Beanspruchung und bei den Fassaden eine Fassadenbahn eingesetzt. Auf einem Dach mit 45° Gefälle zu arbeiten, ist im Übrigen keine leichte Sache – schon gar nicht an langen und nicht immer schönen Arbeitstagen. Man beachte den Abstand zwischen der Holzlattung und die extra für die Bauphase erstellten Arbeits-Verlegehilfen unter den Füßen von Karl Lüdi (s. Bild auf Seite 63).
Fassadenbekleidung
Bekleidungen wirken in der Fläche, aber das Handwerk ist vor allem bei der Einteilung und bei den Details, den An- und Abschlüssen und Übergängen zu erkennen. Für die Hülle kam Titanzink vorbewittert zum Einsatz, in diesem Fall Rheinzink prepatina schiefergrau. Die werksmäßig erstellte Vorbewitterung verleiht von Anfang an eine schöne, einheitliche und mit einer leichten Walzstruktur gezeichnete Oberfläche in einem warmen schiefergrauen Ton. Da es sich bei der Vorbewitterung nicht um eine Beschichtung handelt, werden die elementaren Eigenschaften des Zinks in keiner Weise beeinflusst. So setzt im Laufe der Zeit die Patinabildung ein: Die Oberfläche altert auf natürliche Weise. Zink ist außerdem selbstreinigend, das heißt, die Außenhaut benötigt bezüglich der Werkstoffoberfläche keinerlei Wartung und Unterhalt. Der Werkstoff kann später einmal, nach jahrzehntelangem Einsatz, praktisch zu 100 % recycelt werden. Dies ist gelebte Nachhaltigkeit, weshalb Zink auch von der Zertifizierungsstelle IBU in Deutschland als nachhaltiger Werkstoff deklariert ist. Die feinen Titanzink-Platten liegen flach am Baukörper an, ohne Falzvorsprünge. Die kleinen Dickendifferenzen bei den Falzeinhängen entfalten attraktive, sich je nach Sonnenlage verändernde Schatteneffekte. So entsteht eine ausdrucksstarke, lebendige Fassade, die je nach Saison und Wetter völlig unterschiedlich wirkt.
Für die Fabrikation der Rauten wurde die Gabs AG beauftragt. Dazu Geschäftsführer Stephan Muntwyler: „Es war eine Freude, diesen Auftrag mit Rheinzink und Karl Lüdi auszuführen. Es ist unser Anspruch, nicht nur fertige Standard-Halbfabrikate zu vertreiben, sondern bei anspruchsvollen, individuellen und maßgefertigten Architekturbauten mit allen Metallsystemen dabei zu sein. Mit dem Kantex-Shop bieten wir jetzt sogar die Möglichkeit, individuelle Kantbleche online zu zeichnen und zu bestellen. Eine absolute Neuheit in der Schweiz.“
Das Ergebnis: ein Blickfang
Das schmucke Haus Lüdi ist ein moderner Wohnbau mit einer Titanzink-Bekleidung und einer ganz eigenen Architektursprache. Dass sich das „schwarze Haus“ in Siebnen herumgesprochen hat und sich einzelne Passanten von der Straße her das Haus mit Staunen ansehen, ist eine zusätzliche Belohnung. Ein Blick auf dieses moderne und edle Schmuckstück lohnt sich auf jeden Fall.
Autor
Bernard Trächsel
ist dipl. Spenglermeister und Fachjournalist SFJ. Er war lange als Berater bei der Rheinzink (Schweiz) AG tätig.