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Dachentwässerung zwischen Innovation und Tradition

Vom Regen in die Traufe

Robert-Mayer-Schule, Stuttgart
Robert-Mayer-Schule, Stuttgart

Auch im Jahr 2007 birgt das traditionelle Handwerk der Klempner noch so manches Geheimnis. Ob Gewohnheit, Überlieferung oder regionale Gepflogenheiten, unterschiedlichste Arbeitsweisen führen zu verschiedenen Ergebnissen. Interessant dabei ist, dass bisher weder die ausgereiften und längst bewährten Fachregeln, noch die Vorstöße der Industrie diese Vielfalt vereinheitlichen konnten. Dadurch unterstreicht die Klempnerzunft ihre gewachsene Entwicklungsstruktur, die sich übrigens auch in den regional unterschiedlichen Berufsbezeichnungen widerspiegelt. Stolz kann die Branche darauf sein, dass auf diese Weise die Fähigkeit erhalten bleibt, selbst schwierigste Aufgaben professionell zu lösen. Selten wird dabei auf Sonderbauteile oder Spezialanfertigungen der Industrie zurückgegriffen, vielmehr entstehen anspruchsvolle Bauteile noch immer in Handarbeit. Diese Flexibilität funktioniert vor allem deshalb so gut, weil seit Jahrhunderten bekanntes Fachwissen immer wieder den modernen Herausforderungen der Architektur angepasst wurde – auch, und das ist wichtig, durch die gute Unterstützung durch die Industrie. Unterschiedlichste Anwendungsbeispiele aus dem Bereich der Dachentwässerung spiegelt dies wider.

Rinnenenden

Heute werden Rinnenendböden meist nur an schräg geschnittenen Abschlüssen handgefertigt. Schön, dass dieses Wissen noch vorhanden ist. Je nach Region kommen industriell gefertigte Rinnenendböden entweder als Falz- oder als Lötversion zum Einsatz. Anders sieht es bei vorgefertigten Rinnenwinkeln aus. Viele Kollegen schneiden diese Winkel noch immer selber an und dichten die auf Gehrung geschnittene Naht per Weich- oder Hartlot ab. Ob der Beweggrund Passgenauigkeit, Berufsstolz oder Gewohnheit ist – hier bringen unterschiedliche Sichtweisen verschiedene Ergebnisse hervor. Spätestens das Zusammenfügen der einzelnen Rinnenteile löst jedoch wahre Glaubenskriege aus (Anmerk. d. Red.: siehe auch Leserbrief von Klempnermeister Lothar Henzler in BAUMETALL 7/07 S. 7).

Der Klassiker

Die Naht eines Rinnen- oder Rohrwinkels wird meist gelötet. Bei Standard-Rinnennähten bedienen sich die Kollegen jedoch unterschiedlichster Verbindungs-Techniken. Die traditionellste Technik ist die Lötverbindung per Weichlot, mit oder ohne Zinnraupe. Über Sinn und Unsinn dieser „Klempnertiere“ wurde schon viel diskutiert und dennoch – immer wieder werden Lötnähte aufwendig mit Zinnraupen versehen. Diese Abweichung von der technisch allgemein anerkannten raupenfreien Lötvariante kann einzig mit langjähriger positiver Erfahrung beim Einsatz der Zinnraupen erklärt werden. Interessant dabei ist, dass trotz diverser Versuchsreihen und Bruchtests mit durchaus positiven Ergebnissen die Tradition der Zinnraupen erhalten bleibt.

Die Alternativen heißen „Kleben“ oder „Fügeelement“ und sind, beispielsweise bei Dachrinnen aus Aluminium oder bei der Reparatur älterer, stark oxidierter Rinnen, längst salonfähig. Vor allem die Fügeelemente werden immer weiter entwickelt und sind heute entweder als eingelegtes Dichtungsband oder als separater Dachrinnenverbinder erhältlich.

Die neueste Variante dieser Rinnenverbinder stammt von der Willing GmbH. Eine Spannautomatik sorgt für dauerhaften Anpressdruck, wobei zur Montage des Rinnenverbinders nicht einmal die Dachpfannen oder Traufprofile entfernt werden müssen. Schnelle Montage sowie die Auswahl verschiedener Größen und Metallarten runden das System ab.

Ohne zusätzliche Metall-Bauteile kommt das Rinnenverbindungs-System von M.A.S.C. aus. Mit einem speziell entwickelten Werkzeug werden zwei sickenförmige Vertiefungen am Rinnenende angebracht, die spezielle Gummidichtungen aufnehmen und dadurch für Dichtheit sorgen.

Ebenso vielfältig, wie die Möglichkeit zur Nahtverbindung, ist der Gestaltungsspielraum. Für nahezu jedes Bedachungsmaterial ist das passende Dachentwässerungszubehör erhältlich. Ob Aluminium walzblank oder farbbeschichtet, Edelstahlrinnen mit oder ohne verkupferte Oberfläche, Kupferdachrinnen mit oder ohne werkseitige Patinierung – die Vielfalt ist enorm. Selbst passende Rinnenhalter und Rohrschellen sind lieferbar, etwa als patinierter Kupferhalter, als zinkummantelter Rinnenhaken oder als Rinnen-Halter-Blende mit verschiedenen Oberflächenqualitäten.

Längst nicht so viele Meinungsverschiedenheiten gibt es bei den Rinnenkesseln. Hier haben sich, zumindest was die Standards anbelangt, industriell gefertigte Modelle zwar durchgesetzt – Sonderbauteile hingegen fertigen die Klempner noch immer mit viel Liebe selber an und schlagen somit eine Brücke zwischen Industrie und Handwerk. Dadurch besteht die Möglichkeit, auf das Leistungsspektrum der Branche hinzuweisen (Anmerk. d. Red.: siehe auch Seite 53 in der vorliegenden Ausgabe).

Schön sauber bleiben!

Speziell zum Schutz gegen atmosphärische Einflüsse und Oxidationssäure-Korrosion durch Bitumen-Abbauprodukte werden Dachrinnen mit unterschiedlichen Rinnenbeschichtungs-Systemen versehen. Hersteller, wie beispielsweise das Enke-Werk oder die Kebulin-Gesellschaft, bieten speziell für diesen Einsatzzweck entwickelte Metallschutzanstriche an.

Sind Rinnen und Rohre erst montiert, ärgern sich viele Hausbesitzer immer wieder über starken Laubbefall und dem damit verbundenen Wartungsaufwand. Auch hier gibt es unterschiedlichste Systeme. Möglichkeiten zur Laubvermeidung in Dachrinnen sind auf den Rinnen befestigte Drahtgitter, Lochstreifen oder Reinigungsöffnungen im Regenrohr. Letztere sind teilweise mit integrierten Laubfangsieben ausgestattet (Anmerk. d. Red.: siehe auch Seite 48 in der vorliegenden Ausgabe).

Diese in Fachkreisen hinreichend bekannten Bauteile lassen einen Blick auf den US-amerikanischen Markt umso spannender werden. Dort gehen unterschiedlichste Hersteller völlig andere Wege.

Beispielsweise sind „Rain-Flow“ und „Gutter Helmet“ zwei US-Systeme zur Verhinderung von Rinnenverunreinigungen. Nach dem Motto: „Wo es keinen Platz gibt, sammelt sich auch kein Schmutz an“ kann der so genannte Rain-Flow-Dachrinnenschutz eingesetzt werden. Das UV-stabile Acryl-Latex-Faser-Gewirr dieses Rinnen-Füllstoffes erinnert entfernt an Trennlagen mit Drainagefunktion. Die wasserdurchlässigen Kunstfasern werden in die Rinne eingelegt und sollen nur noch das anfallende Niederschlagswasser in die Rinne einleiten. Der Gutter-Helmet (Rinnen-Helm) ist ein in sich geschlossenes Rinnensystem. Gleich einer Rinne mit Abdeckprofil führt das System Regenwasser über spezielle Wasserabrisskanten zum Rinnenlauf. Schmutzpartikel, wie Laub oder Tannennadeln, sollen über den Dachrand nach unten transportiert werden. Andere Lösungen bietet der US-amerikanische Dachrinnen-Markt übrigens auch bei der eingangs beschriebenen Dachrinnen-Nahtproblematik. Unnötige Nähte entfallen aufgrund gezogener (das heißt rollprofilierter) Rinnen nahezu vollständig.

Exklusive Handarbeit

In puncto Exklusivität hält der US-amerikanische Markt einige Überraschungen bereit. An vielen aufwendig gestalteten Villen finden sich wunderschöne verzierte Rinnenhalter und sonstiges Entwässerungszubehör wieder. Diese Bauteile stammen entweder von Zubehörlieferanten oder werden individuell von Hand gefertigt. Hans Liebscher aus Las Vegas ist für langjährige BAUMETALL-Leser kein Unbekannter.

Er hat sich ganz dieser Herausforderung gestellt und sorgt mit gedrehten Regenrohren, aufwendigen Wasserspeiern und verzierten Rinnenhaltern immer wieder für erstaunte Gesichter unter Kollegen und Kunden. Sein wunderschönes Rinnenzubehör entsteht in Handarbeit und seine Abnehmer sind immer wieder aufs Neue begeistert. Wie in den USA haben auch auf dem europäischen Markt „handcrafted“-Klempner-Produkte einen guten Ruf. Die Kombination von bewährtem Fachwissen, traditionellen Techniken und industriellen Möglichkeiten eröffnen dem Klempner immer wieder neue Wege auf der Suche nach individuellen Lösungen.

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