Auf diesen BAUMETALL-Treff hatte ich mich besonders gefreut. Einerseits weil ich unsere Diskussion zum Thema „Profil-Vielfalt“ mit großer Spannung erwartet hatte – andererseits weil ich bekanntlich sehr gerne über den Tellerrand blicke. Ein Besuch des BAUMETALL-Treffs beim Maschinenhersteller Schechtl im bayerischen Edling schien dazu perfekt geeignet. Schließlich können Klempner bei derartigen Exkursionen immer etwas dazulernen. Interessant ist beispielsweise, wie in Industrieunternehmen der Materialfluss oder die Lagerhaltung optimiert werden. Gastgeberin Maria Schechtl ließ es dabei aber nicht bewenden. Gemeinsam mit ihrem Team hatte sie ein perfektes Informationsfeuerwerk vorbereitet. Dabei ist der Begriff Feuerwerk durchaus wörtlich zu nehmen, denn zum Beginn des umfassenden Tagesprogramms wurde tatsächlich eine gewaltige Info-Rakete abgefeuert …
Können Raketenforscher auch Klempner beflügeln?
Den Startknopf drückte Christian Bredlow. Er referierte über die voranschreitende Digitalisierung und versicherte, dass diese auch vor dem Handwerk nicht Halt machen wird, im Gegenteil! Doch welche Veränderungen bringt die Digitalisierung mit sich? Was von einigen Kollegen bereits vage vermutet wurde, brachte Christian Bredlow (Vortragsprofi und Geschäftsführer der Digital Mindset GmbH) auf den Punkt. Seine durchaus leicht nachzuvollziehende These lautete: „Die Welt ist in Bewegung – bewegen Sie sich mit!“ Mit seinem Impulsvortrag „Bei der Digitalisierung ist es wie bei der Musik“ sorgte er für überraschte Gesichter. Christian Bredlow veranschaulichte anhand zahlreicher Beispiele, dass sich nahezu alle Wirtschaftsprozesse durch die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten gravierend ändern werden. So sei es bis vor kurzem noch undenkbar gewesen, dass Softwareprofis Autos oder Raketen bauen würden. Laut Bredlow belehren uns die Erfolge von Tesla oder SpaceX jedoch eines Besseren.
Der Blick in die Zukunft ist glücklicherweise niemals verbindlich. Dennoch sind Handwerker gut beraten, jetzt die Weichen Richtung Zukunft zu stellen, so der Branchenkenner. Mit dem Satz „Kümmern Sie sich um Ihre Zukunft, bevor ein vielleicht noch unbekannter Quereinsteiger Ihr Geschäft übernimmt“ provozierte er seine Zuhörer. Ob sich die neue Konkurrenz in Form von 3D-Druckern oder anderen Techniken entwickelt, bleibt jedoch abzuwarten. Dass sich der Arbeitsmarkt verändern wird, ist indes sicher. Dazu Bredlow: „Mit der Digitalisierung ist es wie mit der Musik. Nur weil Sie gerne Brian Adams hören, muss dessen Musik nicht zwangsläufig auch Ihren Kindern gefallen. Und wenn Ihre Eltern früher die Musik der Flippers gehört haben und Sie diese grausam fanden, werden Sie mir Recht geben, wenn ich sage, dass Brian Adams heute die neuen Flippers sind.“ Ich muss gestehen: Christian Bredlow hat bei mir und den meisten anwesenden Baumetallern genau das erreicht, was auf seiner Lieblingspostkarte steht: „Eigentlich müssten wir sofort ...“ Denn alternative Raketenforscher sind gefährlich!
Profilworkshop und Schechtl 4.0
Spätestens bei der sich anschließenden Werksbesichtigung wurde klar, dass bei Schechtl die Zukunft bereits begonnen hat. Wo früher eine Maschine nach der anderen an festen Stationen montiert wurde, laufen heute Schwenkbiegemaschinen und Tafelscheren im Fertigungstakt vom Band. Um über entsprechende Möglichkeiten mit den beeindruckten Baumetallern zu sprechen, hatten die Teams von Schechtl und Sema genau dort, wo sonst fertiggestellte Maschinen verladen werden, eine Diskussionsplattform aufgebaut. Christoph Jakobs führte durch den sich anschließenden Workshop. Er machte unter anderem darauf aufmerksam, dass die erste CNC-gesteuerte Maschine bei Schechtl 1986 eingeführt wurde. Nach einem kurzen Rückblick leitete er die Diskussion geschickt in die Zukunft und traf mit dem Thema „Von der Profilvorbereitung bis zum fertigen Profil“ den Nerv der Gäste. Laut Jakobs ist die Zeit der Anfertigung unzähliger Musterprofile bis zum Start der Produktion definitiv vorbei. Heute übernimmt die Profilsimulation die Aufgabe klassischer Testbüge. Die mobile Eingabe sowie den Datenaustausch mit Maschinen unterschiedlicher Hersteller realisiert Schechtl per s-touch-connect. Die Profil-Planung wird dadurch ebenso zum Kinderspiel wie die Profilverwaltung und die Produktion.
Ein weiteres Feature ist die Steuerung der Maschinen mit einer einzigen Software. Dazu berichtete Patrick Niemeyer von Sema, was die aktuelle Programmversion von Sema inzwischen leistet. Außerdem sollen zukünftig nicht nur Schwenkbiegemaschinen, sondern auch Anlagen zum Längs- und Querteilen sowie Profiliermaschinen angesteuert werden können.
Baumetaller sind Praktiker
Michael Messerschmidt, Michael Kirchen und Volker Reinhardt bereicherten die Diskussion mit praktischen Anregungen. Sie stellen bei der Profilplanung immer das spezifische Bauprojekt in den Vordergrund. Entsprechend wichtig ist den innovativen Klempnern die Darstellung der Projekte in 3-D. Matthias Engel wünscht sich indes eine Optimierung beim Aufmaß vor Ort – etwa eine Fotofunktion, die entsprechend bemaßt werden kann. Laut Engel geht es hauptsächlich darum, die Maßerfassung nicht doppelt vornehmen zu müssen. Dazu wünscht er sich einen praxistauglichen, elektronischen bzw. digitalen Zettel mit Notizblockfunktion. Dass ausgerechnet Michael Kirchen in seinem Luxemburger Unternehmen auf Papier nicht verzichtet, erstaunt. Schließlich zählt er zu den Vorreitern des digitalen Klempnerbetriebes.
Christoph Jakobs weist an dieser Stelle nochmals auf die Optimierung des Datenflusses im Fachbetrieb hin. Dieser zöge sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche und würde zukünftig immer wichtiger. Die große Herausforderung für Schechtl sowie die Mitarbeiter in den Klempnerbetrieben bestünde darin, neue Möglichkeiten so einzusetzen, dass möglichst alle Mitarbeiter einen entsprechenden Nutzen hätten.
Eine Frage bleibt!
Warum wollen fast alle Monteure und Facharbeiter selbst messen, ihr Profil persönlich anfertigen und die Montage ebenso erledigen? Der BAUMETALL-Treff ist bekannt dafür, dass genau in solchen Situationen Diskussionen entstehen, die bis spät in die Nacht andauern. Das Schechtl-Team bot genau dazu den passenden Rahmen. Der Zwischenstand lässt sich wie folgt beschreiben: Klempnerfachbetriebe agieren je nach Geschäftsmodell und Tätigkeitsschwerpunkt höchst unterschiedlich. Entsprechend verschieden sind auch die technischen Vorgehensweisen …
Die Baumetaller bedanken sich auf diesem Wege herzlich für die gastfreundliche und fachliche Unterstützung. Und gerade weil nicht alle Fragen zur Digitalisierung im Klempnerfachbetrieb beantwortet werden konnten, wird ihnen der folgende Satz sicher in Erinnerung bleiben: „Eigentlich müssten wir sofort…“.