Steil ist geil

19.08.2019 | Veröffentlicht in Ausgabe 05-2019

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Einfach, funktional und stilvoll wirkt das Gründerzentrum Farmville in Portugal mit den schlichten, geometrischen Baukörpern
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</p> - © Ricardo Oliveira Alves — © Ricardo Oliveira Alves

Einfach, funktional und stilvoll wirkt das Gründerzentrum Farmville in Portugal mit den schlichten, geometrischen Baukörpern

Funktionalität muss nicht flach sein Mit Satteldächern knüpfen Architekten an historische Baustile an, wenn sie Objekte planen, die im Verbund mit alten Gebäuden entstehen oder an diese erinnern sollen. So gewinnen auch Zweck- und Gewerbebauten einen gewissen rustikalen Charme

Weder ein Gründerzentrum noch eine Maschinenhalle muss gesichtslos, nüchtern und langweilig aussehen. Der Gewerbestandort Farmville in Portugal und das Bildungszentrum Forthside in Schottland greifen in ihren Neubauten landes- und epochentypische Architektur auf und kombinieren sie mit modernen Materialien. Zentrales Stilmerkmal ist dabei das Steildach. In beiden Projekten kam Zink zum Einsatz. Taufpatin für Farmville in der portugiesischen Gemeinde Paredes war die gleichnamige App, mit der 82 Millionen Nutzer bereits täglich Landwirt spielen. Hier gilt: nomen est omen, denn die lokale landwirtschaftliche Genossenschaft ist Teil eines Programms, das Designer und anderes Gewerbe aufs Land zurückholen und kreatives Unternehmertum unterstützen möchte. Zu diesem Zweck wurde das Gründerzentrum von der Gemeinde und der Genossenschaft initiiert.

Scheunen und Kornspeicher im modernen Gewand

Hinter dem äußerlich schlichten Auftritt steht ein ehrgeiziges Programm, das Design und Landwirtschaft zusammenführt und der Wirtschaft von morgen den Boden bereiten soll. Der moderne und funktionale Charakter der vier Gebäude betont diese Absicht. Das im Wettbewerb Archizinc mit einem Prädikat für Firmenstandorte ausgezeichnete Ensemble beherbergt neben der Geschäftsstelle der landwirtschaftlichen Genossenschaft einen Markt für Bioprodukte, Büros für Start-ups, Künstlerresidenzen und ein Produktionsatelier.

Den Zuschlag für Planung und Durchführung erhielt das junge Architekturbüro And-Ré aus Porto, weil der Entwurf an die Architektur der Palheiros und Espigueiros, die regionaltypischen portugiesischen Scheunen und Weizenspeicher, anlehnte. Da das Initialprogramm eine begrenzte Lebensdauer hat und die Gebäude auch nach dessen Ablauf weiter genutzt werden sollen, wurden sie als Rahmen für eine flexible Nutzung konzipiert. Im Inneren wurde auf dauerhafte, fixe Strukturen verzichtet zugunsten strukturell unabhängiger Stahlrahmen-Module, die sich individuell an wechselnde Bedürfnisse anpassen lassen.

Verschiedene Nutzungszwecke unter einem Hut

Als statisches Gegenstück zum dynamischen Innenleben und als bleibender gemeinsamer Nenner spannt sich die Zinkbekleidung jeweils über das ganze Gebäude und vereint die einzelnen Provisorien unter einem beständigen Dach. Der jederzeit mögliche Nutzungswechsel verändert das äußere Erscheinungsbild nicht.

Als Kontrast zu den großzügigen, lichtdurchlässigen Glasfronten an den Giebelseiten wirken die Gebäudeseiten auffallend geschlossen, insbesondere wenn die Schiebeläden, die im selben Design mit senkrecht verlaufenden Falzen wie die Fassade gehalten sind, die Fenster verschließen. Insgesamt wurden 4000 m² Quartz-Zinc von VMZinc verlegt, an Dächern und Fassaden gleichermaßen in Stehfalzdeckung.

Im Stil alter Eisenbahnarchitektur

Einen Preis für nachhaltiges Bauen errang das National Building Conservation Centre in Stirling, Schottland. Im Mittelpunkt dieses Projekts stand eine verlassene Maschinenhalle im Stadtteil Forthside in Stirling. Forthside war früher ein 10 ha großes Gelände, das über ein Jahrhundert lang als Militärstützpunkt gedient hatte. Nach dem Verkauf des Grundstücks in den 1990er-Jahren wurden die Gebäude um die Maschinenhalle herum geräumt, wobei die Halle selbst sowie einige weitere Schlüsselgebäude erhalten blieben. Für eine Umnutzung wurde die Halle erweitert und beherbergt nun das National Building Conservation Centre, ein Forschungs- und Bildungszentrum für Schottlands kulturelles Erbe mit einem Fokus auf digitale Medien und 3D-Visualisierung.

Der Entwurf ist stark von der viktorianischen Eisenbahnarchitektur beeinflusst. Um die erforderliche Grundfläche zu erreichen, wurden im Osten und Westen der Halle neue Gebäude errichtet. Dieser modulare Ansatz war in der historischen Eisenbahnarchitektur üblich: Ein einmal entworfener Hallentyp wurde einfach so lange aneinandergereiht, bis die benötigte räumliche Kapazität erreicht war. Die eigentümliche Formgebung der neuen Hallen mit gleichsam abgeschnittenen Seiten beruht auf der Tatsache, dass die Bauplätze für einzelne Gebäude auf dem Eisenbahngelände recht willkürliche Abmessungen aufwiesen. Die Form des Bauplatzes bestimmte die Maße des Baukörpers, wobei ein Standardgrundriss einfach entlang der Kanten des Bauplatzes beschnitten wurde.

Ganz wie früher: schlichte Eleganz

Damit die ursprüngliche Maschinenhalle und die benachbarten Erweiterungsbauten eine Einheit bilden, sind sie durch schmale Zwischentrakte miteinander verbunden. Ein Auditorium und der Empfangsbereich sind in überdachten Boxen innerhalb der Hallen untergebracht. Genauso wie früher versucht wurde, funktionale Eisenbahngebäude zwar einfach, aber dennoch elegant zu gestalten, verfolgten die Architekten von Historic Environment Scotland (HES) bei diesem Projekt das gleiche Ziel einer formschönen Schlichtheit.

Um die zeitgenössische Verwendung traditioneller und ökologischer Materialien wie Zink, Holz, Lehmputz und Schafwolle zu demonstrieren, wurden das Auditorium und die Empfangsbox mit wiederverwendetem Holz bekleidet und möglichst viele naturbelassene Materialien eingesetzt. Damit die Materialien auch in der Zukunft weitgehend recycelbar sind, wurden nur in wenigen Fällen beschichtete Oberflächen verbaut. Bei der Gebäudehülle aus Anthra-Zink kamen verschiedene Verlegetechniken zum Einsatz: Mit Stehfalz auf den Dächern und Flatlock-Profilen an den Fassaden ahmten die Architekten die Bekleidung historischer Triebwerkshallen nach, wobei die Metallbekleidung des Daches nahtlos in die Fassadenbekleidung übergeht.