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Ausbildung CH:

Grenzenlos. Zukunftsweisend. Optimal

Bevor ich mich Anfang Juli 2023 auf den Weg ins Kompetenzzentrum für die Gebäudetechnikberufe in der Ostschweiz mache, werfe ich einen Blick auf die Internetseite der Bildungseinrichtung. „Wir leben Nachhaltigkeit und Leidenschaft für unsere Berufe“ ist dort zu lesen und weiter: „Wir pflegen eine offene Kommunikationskultur und nehmen eine Vorbildfunktion untereinander wahr.“ Das macht neugierig, denn schließlich bin ich nicht allzu häufig zu Gast in Schweizer Bildungseinrichtungen, die sich auf die überbetriebliche Ausbildung spezialisiert haben. Das Gebäudetechnik Zentrum Ostschweiz GZO ist eine Stiftung innerhalb der Gebäudetechnikbranche aus den Suissetec-Sektionen St. Gallen, Appenzellischer GTV, Sargans/Werdenberg/Liechtenstein sowie Thurgau und letztlich dem Suissetec-Zentralverband. Das GZO und die vier Gebäudetechnik-Kurskommissionen Spengler, Sanitär, Heizung und Gebäudetechnikplaner werden durch die Geschäftsleitung und den Geschäftsführer Christian Kraus geführt. Für die praktischen Unterweisungen in den Bereichen sind spezialisierte Trainer – sogenannte Instruktoren – verantwortlich. Auszubildende Spengler werden am GZO seit rund vier Jahren von Chefinstruktor Marco Looser unterrichtet.

Bessere Ausbildung durch Spezialisierung

So weit die theoretische Vorbereitung, denke ich und mache mich auf den Weg. Als der Bodensee in Sichtweite kommt, erinnere ich mich an meine Ausbildung in den 1980er-Jahren an der Berufsschule in Friedrichshafen. Eine überbetriebliche Fachausbildung gab es damals ebenso wenig wie eine speziell für Spengler eingerichtete Schulungswerkstatt. Stattdessen wurden wir zusammen mit Karosserieklempnern und Schiffsbauern unterrichtet. Wir lernten Autogenschweißen und eine der ältesten Techniken zur Verbindung zweier Werkstoffe kennen – das Vernieten mittels Vollnieten. Bördeln, Schweifen, Löten und Falzen wurden ausnahmslos im Ausbildungsbetrieb vermittelt. Grundlegende Änderungen ergaben sich (zumindest in Baden-Württemberg) erst 1992 mit der Gründung der Landesfachklasse für Klempnerlehrlinge an der Robert-Bosch-Schule in Ulm.

Zum Glück hat sich seither viel geändert – wurde die Ausbildung an aktuelle Bedürfnisse und entsprechende technische Entwicklungen angepasst. Eine hervorragende Maßnahme sind ergänzend zur Regelausbildung eingeführte, überbetrieblich organisierte Ausbildungskurse. Die als ÜLU oder ÜBA bekannten Maßnahmen vermitteln beispielsweise Fachkenntnisse zur manuellen und maschinellen Verarbeitung von Blechen an schwierigen Detailpunkten oder zur Verarbeitung von Flachdachsystemen. Umso neugieriger bin ich auf den Entwicklungsstand des Schweizer Bildungswesens für Spengler am GZO, wo ebenfalls überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen durchgeführt werden.

Marco Looser erklärt BAUMETALL-Chefredakteur Andreas Buck die Scanfunktion des digitalen GZO-Bildungssystems

Bild: BAUMETALL

Marco Looser erklärt BAUMETALL-Chefredakteur Andreas Buck die Scanfunktion des digitalen GZO-Bildungssystems

Gebäudetechnik Zentrum Ostschweiz mit Wow-Effekt

Zunächst vermittelt die Spenglerwerkstatt des GZO den Eindruck einer ganz normalen Berufsschulwerkstatt. Die Arbeitsplätze an den Werkbänken sind zweckmäßig ausgestattet. Flankiert werden sie von zahlreichen Dachmodellen aus Holz. Nur eines davon ist mit verschiedenen Metallelementen und Dachziegeln ausgestattet. Direkt daneben befindet sich ein Flachdachmodell mit Folienabdichtung, Attikaabdeckung und Blitz­schutz­einrichtung. Bei genauerem Hinsehen werden zahlreiche QR-Codes sichtbar. „Die QR-Codes können von unseren Lernenden gescannt werden“, erklärt Instruktor Marco Looser: „Sie informieren über die exakte Bezeichnung entsprechender Detailpunkte sowie über das benötigte Werkzeug. Außerdem können unsere Azubis per QR-Code CAD-Details abrufen und nachschauen, wie beispielsweise der Übergang einer Schornsteinverwahrung am Brustblech auszusehen hat.“ Ich staune. Sehe mir den mit Metall bekleideten Schornstein des Modells genauer an und entdecke außer den QR-Codes auch zwei geschwungene Pfeile aus blau lackiertem Metall. „Sie verdeutlichen, wie die Belüftungsebene konstruiert wird“, erklärt Looser. Wow, denke ich. Hier wird an alles gedacht! Mein erster Eindruck hat sich längst bestätigt und ganz offensichtlich stehe ich einem Ausbilder gegenüber, der nichts dem Zufall überlässt.

Hightech und Digitalisierung

Tradition trifft Moderne: Neben den Rohrstangen befindet sich eine Jorns-Biegemaschine in einer speziellen Kurzversion

Bild: BAUMETALL

Tradition trifft Moderne: Neben den Rohrstangen befindet sich eine Jorns-Biegemaschine in einer speziellen Kurzversion

Als ich die für Schulungszwecke in einer Kurzversion bereitgestellte Biegemaschine der Marke Jorns entdecke. Auch hier befindet sich ein QR-Code, der das Aufrufen aller relevanten Informationen ermöglicht. ­Neben der Maschinensteuerung wird auch das durchgängige und spenglertaugliche Programm Bendex vorgestellt. „Unsere Lernenden können Bendex direkt auf ihrem Smartphone benutzen. Sie lernen somit nicht nur den Umgang mit moderner Technik kennen, sondern erfahren auch, wie einfach und effektiv Bendex im Spengleralltag eingesetzt werden kann“, sagt Looser und zeigt mir einen riesigen Flachbildschirm an der Stelle, wo ich eigentlich eine Tafel erwartet hätte. „Von hier aus trainieren wir das Programmieren unterschiedlicher Profile, erstellen Arbeitspapiere und bereiten die Fertigung der Metallelemente vor“, erklärt Looser und ergänzt: „Danach erfolgen Fertigung und Montage der Profile an diversen Dach- oder Fassadenmodellen. Das ist je nach Kurs unterschiedlich. Und natürlich lernen unsere Azubis nicht nur das Herstellen der Profile, sondern auch das Einmessen und Montieren unterschiedlicher Fassaden­unterkonstruktionen bzw. das Setzen von Haltern und Konsolen.“ Mir fällt auf, dass der GZO-Chefinstruktor großen Wert darauf legt, alle Trainingsaufgaben weitestgehend an echte Baustellensituationen anzupassen. Dazu werden im GZO ausschließlich Werkzeuge, Maschinen und Hilfsmittel verwendet, die in den Betrieben auch auf den Baustellen zum Einsatz kommen.

Skillspark und Trainingsbereich Flachdach

Skillspark: Ein Azubi installiert eine Verwahrung zur Montage einer PV-Indach-Anlage

GZO / M. Looser

Skillspark: Ein Azubi installiert eine Verwahrung zur Montage einer PV-Indach-Anlage

Als Nächstes betreten wir den Skillspark im Erdgeschoss, wo großzügig gestaltete Dachmodelle oder besser gesagt regelrechte Holzhäuser in Reih und Glied aufgebaut sind. Vorschriftsmäßig eingerüstet beherbergen sie in ihrem Inneren Übungsstationen für auszubildende Heizungsbauer, Sanitärinstallateure oder Gebäudetechnikplaner. Die speziell für Spengler konzipierten Dachflächen erlauben unter anderem das Trainieren echter Montagesituationen. Die Auszubildenden lernen dort, wie Photovoltaikmodule, Einfassungsprofile und Dachziegel montiert werden und worauf an entsprechenden Anschlussdetails geachtet werden sollte. Dazu Instruktor Looser: „Hier lernen die Azubis der unterschiedlichen Berufe, wie moderne Gebäudetechnikkomponenten Hand in Hand installiert werden. Und weil Sicherheit bei uns immer großgeschrieben wird, schulen wir ausschließlich auf vorschriftsmäßig aufgebauten Gerüsten samt aller erforderlichen Auf- und Zugänge. Darüber hinaus gehört zum GZO-Training neben der Montage von Metallprofilen und Abdichtungssystemen auch die Schulung im Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung.“ Wie das konkret aussieht, präsentiert Looser auf dem ­Flachdach des GZO-Gebäudes. Dort sind eigens für Schulungszwecke zahlreiche Sicherheitskomponenten verbaut. Beispielsweise werden Auszubildende unter realen Baustellenbedingungen über die Handhabung von Auffangsystemen mit mitlaufendem Auffanggerät einschließlich beweglicher Führung und horizontaler Anschlageinrichtung informiert.

Praktische Erfahrung trifft zukunftsweisende Technik

Marco Looser zeigt Luigi Greco, wie Auszubildende am GZO im Umgang mit dem Bendex-Programm unterrichtet werden

Bild: BAUMETALL

Marco Looser zeigt Luigi Greco, wie Auszubildende am GZO im Umgang mit dem Bendex-Programm unterrichtet werden

Marco Looser ist gelernter Spengler/Dachdecker. Der 30-jährige Fachmann verfügt über umfassende praktische Erfahrungen in den Bereichen Metall- und Flachdach sowie zur Projektierung, Konstruktion und Realisierung von Metallfassaden. Ein weiteres Fachgebiet Loosers ist der Blitzschutz, der in der Schweiz ebenfalls in den Aufgabenbereich zahl­reicher Spenglerfachbetriebe fällt. Nach seiner Weiterbildung zum Spenglerpolier absolvierte der begeisterte Handwerker und junge Familien­vater eine pädagogische Ausbildung. „Das war eine der Grundvoraussetzungen zum Start der Ausbildertätigkeit hier am GZO“, so Looser, der seit rund vier Jahren als GZO-Instruktor tätig ist. Dann zieht er zahlreiche Ausbildungsordner aus einem Regal, die zu jeder erdenklichen Ausbildungssituation passende CAD-Zeichnungen beinhalten. Die Qualität der CAD-Darstellungen ist auffallend hochwertig. Die präsentierten Abbildungen zeigen nicht nur die erforderlichen Profile und Anschlussdetails, sondern auch die zur Anfertigung benötigten Werkzeuge und Maschinen. Außerdem sind die an den eingangs geschilderten Trainingsmodellen und Maschinen platzierten QR-Codes vorhanden. „Diese Ordner sind eigentlich nur zur schnellen Präsentation wie jetzt gerade entstanden“, sagt Looser. „Die Auszubildenden arbeiten nahezu papierlos. Sie verwenden das digital hinterlegte Unterrichtsmaterial aus diesen Ordnern, indem sie im Bedarfsfall per QR-Code darauf zugreifen oder entsprechende CAD-Dateien auf der suissetec EDUbase herunterladen.“ Auf Nachfrage erfahre ich, dass auch das im Absatz „Hightech und Digitalisierung“ erwähnte Bendex-Programm in den Ordnern umfassend aufgeführt wird. Darüber hinaus kann Bendex von allen Azubis verwendet werden – übrigens nicht nur am GZO, sondern schweizweit auch an weiteren Ausbildungszentren. „Das ist uns extrem wichtig“, versichert Looser. „Auf diese Weise lernen die Auszubildenden unseren Beruf von seiner modernen Seite kennen. Zusammen mit der zeitgemäßen Ausbildung am GZO, dem Einsatz digitaler Lehrmittel und der Ausbildung in den Fachbetrieben entsteht ein vielschichtiges Bildungsangebot, das den Beruf des Spenglers fortschrittlich repräsentiert.“

Ausbildungsordner: Sogar Grundkenntnisse wie das Bördeln werden mit CAD-Zeichnungen dargestellt

Bild: BAUMETALL

Ausbildungsordner: Sogar Grundkenntnisse wie das Bördeln werden mit CAD-Zeichnungen dargestellt

Ich komme nicht umhin, die Ordner genauer zu betrachten. Einerseits weil ich (im Gegensatz zu den Lehrlingen) keinen Zugang zur Digitalversion erhalte. Andererseits weil die Abbildungen und Informationen Suchtpotenzial haben. Ob bei Grundkenntnissen wie dem Schweifen oder bei den Informationen zur Herstellung komplexer Schornsteinverwahrungen – die Grafiken sind erstklassig. Und damit nicht genug: Nahezu alle Darstellungen stammen von ein und derselben Person – dem vor mir stehenden Chefinstruktor Marco Looser, den ich postwendend zu seiner Leistung beglückwünsche!

Dankeschön. Auf Wiedersehen!

Als ich auf dem Rückweg zur BAUMETALL-Redaktion Friedrichshafen passiere, denke ich noch einmal kurz an meine Ausbildung zurück – vergleiche sie mit dem Ausbildungsstand von 2023 und speziell mit dem hohen Niveau am GZO in St. Gallen. Ich stelle fest: In 40 Jahren hat sich viel getan. Mit dem Blick auf die weiter voranschreitende Digitalisierung und den Einsatz künstlicher Intelligenz im Handwerk bleibt es weiterhin spannend.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass der BAUMETALL-Besuch des Gebäudetechnik Zentrums Ostschweiz GZO auf Initiative von Luigi Greco zustande kam. Der Spezialist für durchgängige und spenglertaugliche Digitalisierungssysteme ist Geschäftsführer der Gesacon GmbH – einem Unternehmen, das sich auf modulare und integrierbare Softwarelösungen zur Herstellung von Biegeteilen und Zubehör konzentriert. Greco unterstützt ebenso wie Looser das BAUMETALL-Informationsangebot BM digital.

Übrigens: Das nächste Treffen des BM-digital-Anwendernetzwerks findet am 29. September 2023 in Luxemburg im Fachbetrieb Ferisol statt. Mit von der Partie sind dann neben Luigi Greco auch Marco Looser und weitere innovative Handwerker, die schon heute gespannt sind, einen Blick in das Herz des Fachbetriebs von Michael Kirchen zu werfen. 

INFO

Praxisnahe Ausbildung und Anwendernetzwerk

Suissetec-Trainingsmodell
Marco Looser ist Chefinstruktor Spengler am Gebäudetechnik Zentrum Ostschweiz GZO. Er engagiert sich leidenschaftlich für die Weiterentwicklung des Spenglerberufes bzw. der Spenglerausbildung.

Als Mitglied der Prüfungskommission ist er maßgeblich in die Ausarbeitung der Schweizer Abschlussprüfungen involviert. In diesem Zusammenhang hat Looser vor zweieinhalb Jahren für den schweizerischen Zentralverband suissetec das neue Spenglermodell ausgearbeitet. Das Trainings- und Prüfungsmodell ist in fast allen ÜK-Ausbildungszentren der Schweiz sowie an zahlreichen Gewerbeschulen im Einsatz. Es trägt damit maßgeblich dazu bei, dass alle Auszubildenden der Schweiz auf der gleichen Grundlage und in Zusammenarbeit mit Schule, ÜK und Betrieb ausgebildet werden können. Die in diesem Beitrag erwähnten CAD-Kursunterlagen sind samt entsprechenden Details ebenfalls auf das Spenglermodell abgestimmt. Darüber hinaus bildet das Spenglermodell in den kommenden Jahren die Grundlage für die Abschlussprüfungen der Schweizer Spenglerausbildung.

BM-digital-Anwendernetzwerk
Die Kollegen des BM-digital-Anwendernetzwerks treffen sich am 29. September 2023 in Luxemburg im Fachbetrieb Ferisol. Neben interessanten Informationen rund um die Digitalisierung von Spenglerfachbetrieben erfahren die Teilnehmer, wie ein papierloses Büro funktioniert und wie entsprechende Produktionsabläufe organisiert werden können. Anmeldungen bzw. Bewerbungen zur Teilnahme sind ausschließlich per E-Mail möglich.

redaktion@baumetall.de

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