Fugenabdichtungen an Dach und Fassade müssen extremen witterungsbedingten und bauphysikalischen Belastungen standhalten. Kommt es an der sensiblen Nahtstelle zwischen zwei Bauteilen zu Undichtigkeiten, kann Feuchtigkeit eindringen und die Bausubstanz massiv schädigen. Wer einen lange wartungsfreien Fugenverschluss erzielen will, greift daher immer öfter zu Bleiwolle als Dichtungsmaterial. Bleiwolle eignet sich nicht nur für historische, sondern auch für moderne Gebäude, also für alle Objekte, bei denen Wert auf nachhaltige Lösungen gelegt wird. Generationen von Handwerkern schätzen Blei für seine extreme Haltbarkeit und einzigartige Kaltformbarkeit. Mit Walzblei lassen sich individuelle und langlebige Eindeckungen erzielen. In Form von Bleiwolle passt sich Blei jeder Fugengröße optimal an und lässt sich gerade in schwer zugänglichen Bereichen ausgezeichnet verarbeiten.
Was ist Bleiwolle?
„Bleiwolle besteht aus dünnen Bleifäden“, erklärt Jürgen Seifert, Anwendungstechniker beim Krefelder Hersteller Röhr + Stolberg. „Es gibt die feinere, gedüste Variante mit einem Durchmesser von ca. 0,4 mm, bei der die Fäden eng ineinander greifen. Gedüste Bleiwolle eignet sich besonders gut für kleine Fugen. Die Fäden der gröberen, geschabten Bleiwolle haben einen Durchmesser von 1,5 bis 2 mm und eignen sich eher für größere Fugen. Welche Qualität verarbeitet wird, hängt aber letztlich von den persönlichen Vorlieben jedes Handwerkers ab. Mit beiden Durchmessern lassen sich gleichwertig gute Ergebnisse erzielen.“
Die richtige Verarbeitung
Um eine langlebige Fuge zu erhalten, muss die Bleiwolle fachgerecht verarbeitet werden. Zunächst sollte geprüft werden, ob die Fugenkanten und der Fugenmörtel des betreffenden Mauerwerks ausreichend stabil sind. Das Mauerwerk kann sonst brechen und der Fugenmörtel nach hinten gedrückt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Fugentiefe: Als Faustformel für eine stabile Verbindung gilt, dass eine verstemmte Mauerwerksfuge immer doppelt so tief wie breit sein sollte. Sie sollte jedoch mindestens 25 mm tief sein. Im nächsten Schritt gilt es, die erforderliche Menge Bleiwolle vorab gründlich zu kalkulieren, da die Fuge stets aus einem Strang verlegt werden sollte. Nachträglich eingebrachtes Material verbindet sich nur schwer mit einer darunter liegenden bereits verstemmten Schicht und kann nach einiger Zeit wieder herausfallen. Für eine Fuge von 1 m Länge, 1,5 cm Breite und 3 cm Tiefe werden ca. 2 kg Bleiwolle benötigt.
Für das Einbringen in die Fuge wird die erforderliche Menge zu einem Strang in der richtigen Dicke geformt, in die Fuge eingelegt und anschließend verstemmt. Geeignete Werkzeuge für das Verstemmen sind Hammer und stumpfe Meißel, Stemm- oder Setzeisen. Beim Verstemmen ist es das Ziel, die Fäden zu einer kompakten Sperrschicht zu verdichten, nicht diese zu zerstören. Abschließend wird die Fugenoberfläche mit einem stumpfen Meißel geglättet und überstehendes Füllmaterial mit einem Schabeisen entfernt. Das Ergebnis ist eine dezente, glatte Metallfuge.
Bei richtiger Verarbeitung kann so eine sehr stabile Fuge mit einer hohen Dichte von ca. 11 kg/dm³ erzielt werden. Die Besonderheit: Da das Material grundsätzlich formbar bleibt, passt es sich den Bewegungen der umgebenden Werkstoffe an. Anders als Fugen aus zementären oder synthetischen Dichtstoffen ist eine Fuge aus Blei zudem feuchtigkeits- und UV-stabil. Blei ist nicht nur mit Mauerwerk, sondern auch mit anderen gängigen Baumetallen wie Aluminium, Kupfer, Titanzink und nichtrostendem Stahl kompatibel.
Mit Bleiwolle gegen Mauerwerksschäden
Gerade an kritischen Bauteilen wie geneigten Flächen, Gesimsen oder Anschlussstellen ist ein sicherer Verschluss nur mit Bleiwolle langfristig gewährleistet. Bei der Sanierung des Südturms des Magdeburger Doms entschied man sich daher kürzlich für eine Fugensanierung mit Bleiwolle von Röhr + Stolberg. Undichtigkeiten der Mauerwerksfugen an der ältesten gotischen Kathedrale Deutschlands hatten bereits zu erheblichen Schäden an der gesamten Fassade geführt. Die Fugen waren in den vorangegangenen Jahrhunderten größtenteils mit Mörtel verschlossen worden, der an vielen Stellen bereits stark verwittert war. Durch die offenen Fugen konnte besonders an witterungsexponierten Lagen Wasser in den weichen Sandstein eindringen. In Frostperioden war es dadurch zu erheblichen Gesteinsabsprengungen gekommen, die nicht nur das Gebäude selbst, sondern auch Passanten gefährdeten. Nach Abschluss der Sanierung im Jahr 2012 sorgen heute 500 m Fugen aus Bleiwolle dafür, dass das Wahrzeichen an der Elbe langfristig für alle Witterungsbedingungen gewappnet ist.
Autor
Inga Richrath
ist bei der Röhr + Stolberg GmbH für die Bereiche Marketing und PR verantwortlich.
BAUMETALL-Workshop-Reihe im Museum
Nur noch wenige Plätze frei!
Workshop-Nr. 3: Der erfahrene Walzblei-Anwendungstechniker Jürgen Seifert vermittelt die fachgerechte Verarbeitung von Bleiwolle.
- Wann? Freitag, 10. April 2015 ab 10:00 Uhr
- Wo? Europäisches Klempner- und Kupferschmiedemuseum, Karlstadt