... tritt die modernisierte Ausbildungsordnung für Klempner/-innen in Kraft
Der ZVSHK informiert:
Spagat zwischen Tradition und Moderne
Das Neuordnungsverfahren für den Beruf Klempner/Klempnerin stand unter keinem guten Stern. Das BMWi hatte die Absicht, künftig alle 3 ½ jährigen Berufe nur noch mit 3-jähriger Ausbildungsdauer zu erlassen. Man argumentierte im BMWi, dass es doch nicht sein könne, dass man für einen Bachelorabschluss 3 Jahre benötige, für den Ausbildungsberuf des Klempners jedoch 3 ½ Jahre.
Um diese Frage zu klären, wurde ein Gutachten vom BMWi in Auftrag gegeben. Das Gutachten sollte klären, in wie weit 3½-jährige Berufe auf 3 Jahre reduziert werden bzw. unter welchen Voraussetzungen 3½-jährige Berufe auch weiterhin verordnet werden können.
Ende 2012 wurde das Ergebnis des Gutachtens veröffentlicht. Es kam zu dem Schluss, dass 3½-jährige Berufe durchaus Sinn machen und auch weiterhin verordnet werden sollten. Insbesondere dann, wenn die Sozialpartner sich für 3½ Jahre Ausbildungsdauer aussprechen, solle das BMWi sich nicht dagegen stellen. Das BMWi lenkte daraufhin ein.
Die neue Ausbildungsordnung für den Beruf Klempner/Klempnerin wird deshalb, wie von der SHK-Organisation geplant, zum 1.8.2013 in Kraft treten. Die Ausbildungsdauer wird weiterhin bei 3½ Jahren bleiben und die Verordnung wird unbefristet verordnet. Eine Evaluierung des Berufes findet nicht statt. Eine Verringerung der Ausbildungszeit auf drei Jahre wäre zwangsläufig nur durch eine Einschränkung der Ausbildungsinhalte möglich gewesen, was gerade diesem Ausbildungsberuf extrem negative Folgen für die Wirtschaft, die Betrieb, die Mitarbeiter und für die Lehrlinge mit sich gebracht hätte. Zum Glück konnte dies in letzter Sekunde abgewendet werden.
Das neue Berufsbild des Klempners/der Klempnerin
Mit der Kehrtwende des BMWi hat das novellierte Berufsbild des Klempners, nach dem ab Herbst 2013 ausgebildet wird, deutlich an Attraktivität gewonnen. Zwar ist das Berufsbild in wesentlichen Punkten gleich geblieben, denn nach wie vor decken Klempner und Klempnerinnen Dach- und Wandflächen von Bauwerken mit Metallen und Kunststoffen ein, erstellen Anlagen zur Ableitung von Niederschlagswasser, stellen Formteile und Anschlüsse an Baukörpern sowie Abdeckungen von Mauern und Gesimsen her, insbesondere im Bereich des Denkmalschutzes. Und nach wie vor wird der Beruf an unterschiedlichen Einsatzorten ausgeübt, sowohl in der Werkstatt als auch auf der Baustelle. Dennoch sind wesentliche Änderungen in das Berufsbild und damit in die Ausbildung eingeflossen, die eindeutig neue Techniken zum Inhalt haben und für die Modernität des Berufes stehen.
Betriebliche Praxis
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat die Modernisierung des Ausbildungsberufs "Klempner/Klempnerin" im Auftrag der Bundesregierung gemeinsam mit den Sozialpartnern der IG-Metall und den Sachverständigen des ZVSHK sowie den Vertretern der Kultusministerkonferenz, die den Rahmenlehrplan der Berufsschule auf den neuen Ausbildungsrahmenplan abgestimmt haben, erarbeitet. Die Erfahrungen aus der betrieblichen/beruflichen Praxis der Ausbilder, der Berufsschullehrer sowie der Prüfer sind in der neuen Ausbildungsordnung eingeflossen. Entwicklungen wie die Anwendung nachhaltiger Energietechniken und eine verstärkte Kundenorientierung prägen die neue Ausbildungsordnung. Zudem sind der Wissensstoff umfangreicher und die zu erlernenden Techniken vielseitiger geworden. Die Änderungen bzw. Neuerungen werden nachfolgend beschrieben.
Dienstleistungsorientierung
Die Verlagerung des Schwerpunktes von rein handwerklichen zu mehr dienstleistungsorientierten Tätigkeiten (Kundenorientierung) prägen die neue Berufsausbildung im Klempnerhandwerk. Neue Techniken und Technologien (z. B. die Anwendung nachhaltiger Energietechniken) haben mittlerweile auch im Klempnerhandwerk Einzug gehalten und sind die Schrittmacher der Entwicklung. Mehr Kundennähe, mehr Kundenkommunikation, höhere Qualitätsanforderungen und der gestiegene Zeitdruck von der Auftragerteilung bis zur Übergabe an den Kunden, erforderten zusätzliche Ausbildungsinhalte. Alles ist straffer, komprimierter und aufeinander abgestimmter.
Ganz nebenbei musste auch der Umstand berücksichtigt werden, dass seit dem 1. Juli 2004 Klempner und Dachdecker handwerksrechtlich verwandt sind und somit beide Berufe auch Tätigkeiten im anderen Gewerk ausführen dürfen.
Neue Materialien und Werkstoffe
Neue Materialien und Werkstoffe bestimmen die heutigen Dach- und Fassadenkonstruktionen und müssen von den Betrieben beherrscht werden. Insbesondere die Fertigungs-, Montage- und Abdichtungstechniken haben sich stark gewandelt. Allein der Schichtenaufbau an Dach und Wand von Gebäuden hat der Entwicklung von funktionsbedingten Schichten mit Trag- und Befestigungskonstruktionen eine ganz neue Bedeutung gegeben. Dachabdichtungen aus Edelstahl sowie rollennahtgeschweißte Ausführungen sind Techniken, die inzwischen im Klempnerhandwerk selbstverständlich geworden sind. Auch der Einsatz und die Verwendung von Kunststoffen haben im Klempnerbereich fast explosionsartig zugenommen. Hier zeigen sich am deutlichsten die Veränderungen des Marktes durch technische und technologische Entwicklungen.
Erneuerbare Energien nutzen
Zwar werden nach wie vor Blitzschutzanlagen durch den Klempner eingebaut, jedoch
stellen Planung und Ausführung heutiger Blitzschutzanlagen viel höhere Anforderungen an das elektrotechnische Grundverständnis des Klempners. Auch die Abstimmung mit dem Elektrohandwerk bezüglich des gesamten Blitzschutzkonzeptes ist enger und umfassender geworden. Neben dem Blitzschutz geht der Trend zunehmende dazu über, an Dach und Fassade neuartige Belichtungs- und Belüftungssysteme sowie Energiesammler und Energieumsetzer (Solarthermie- und Photovoltaikanlagen) anzubringen. Hierfür sind neue Techniken, vor allem im Bereich der Befestigungssysteme sowie der elektrotechnischen und regelungstechnischen Anschlüsse erforderlich, die im Betrieb, der Berufsschule und der überbetrieblichen Ausbildung vermittelt werden müssen.
Futuristische Gebäude in Klempnertechnik
Auch in einem anderen Bereich sind Klempner gefordert, mit der Technik mitzugehen. Denn Architekten schaffen immer aufsehenerregendere Gebäude, bei denen die eingesetzten Metalle über ihre eigentliche Wetterschutzfunktion hinaus als gestalterisches Element eingesetzt werden. Diese futuristischen Bedachungen und Fassaden dominieren immer stärker die Funktion von Gebäuden und zwingen Klempnerbetriebe, ihre Fertigungstechnik und den Maschinenpark auf hohem technischen Niveau zu halten.
Fertigung mit CAD
In der Fertigung hat der rechnergestützte Einsatz inzwischen bei allen Betrieben Einzug gehalten und bei der Planung und Vorbereitung komplizierter und großer Objekte kann heute niemand mehr auf CAD-Einrichtungen in Vernetzung mit Produktionsmaschinen verzichten. Hierdurch wird deutlich, dass neben der wichtigen handwerklichen Fähigkeit, die der Klempner beherrschen muss, immer mehr die Bedienung technisch anspruchsvoller Maschinen den Ausbildungsalltag in den Betrieben bestimmt.
Denkmalschutz und Restaurierung
In der Instandsetzung und Restauration von Kulturobjekten, die stark zugenommen hat, insbesondere im Denkmalschutz, werden hinsichtlich der Beibehaltung von Stilrichtungen und Optik bei Gebäudefassaden zusätzliche Anforderungen an das Know-how der Klempnerbetriebe gestellt.
Neue Prüfungsform „gestreckte Gesellenprüfung“
Neben vielen technischen Inhalten, die in die Ausbildungsordnung eingeflossen sind, soll nicht vergessen werden, dass auch eine Aktualität im Prüfungsverfahren umgesetzt worden ist – die „gestreckte Gesellenprüfung“. Hierdurch soll die Selbstmotivation der Auszubildenden erhöht und dadurch bessere Ausbildungsabschlüsse erzielt werden. Die gestreckte Gesellenprüfung sieht vor, dass nach ca. 18 Monaten der 1. Teil der Gesellenprüfung durchgeführt wird und das Ergebnis des 1. Teil zu 30% in das Endergebnis der Gesellenprüfung einfließt. Wer als Lehrling also im 1. Teil bereits eine gute Note erzielt hat, wird bei der Gesellenprüfung am Ende der Ausbildung wahrscheinlich eine bessere Abschlussnote erreichen, als er dies ohne die gestreckte Prüfung erzielt hätte. Die bisherige Zwischenprüfung ist somit komplett weggefallen.
Klimaschutzziele erreichen
Um das 20-20-20 Ziel der Bundesregierung sowie der EU-Kommission zu erreichen, müssen verstärkt solche Qualifikationsanforderungen in die Ausbildung einfließen, die die Energien aus erneuerbaren Quellen zum Inhalt haben. Die EU-Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“ ist so eine Anforderung.
Das primäre Ziel der Richtlinie ist die Steigerung der Nutzung von erneuerbaren Energien. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn in jedem Mitgliedsstaat genügend qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen, um die jeweiligen erneuerbaren Anlagen und Technologien ordnungsgemäß so zu installieren, dass der problemfreie Betrieb und die größtmögliche Ausbeute an Energiegewinnung möglich ist. Ein Fehlen oder ein erheblicher Mangel solcher Fachkräfte würde die Investitionsbereitschaft der Bürger und Unternehmen nicht unerheblich beeinträchtigen. Das bedeutet, dass die erforderlichen Qualifikationen zur Installation von Anlagen zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, insbesondere von Solarwärmeanlagen und Photovoltaik¬anlagen dezidierter – d.h. mit einem entsprechenden Mehraufwand an Zeit - in der geplanten Ausbildung zu verankern sind. Sie sind zugleich ein Beitrag zur erfolgreichen Markterschließung umweltfreundlicher Technologien durch das Klempner-Handwerk.
Lüftungstechnik
In den letzten Jahren ist auch der Bereich der häuslichen Lüftungstechnik wichtiger geworden. Wenn die Energieeinsparverordnung (EnEV) immer dichtere Gebäude fordert, werden zwangsläufig auch die lüftungstechnischen Anlagen inkl. der Zwangsentlüftung einer Wohnung oder eines Gebäudes mit all ihren Formstücken (Abwicklungstechnik) an Bedeutung zunehmen. Da eine wesentliche Tätigkeit im Berufsbild des Klempners der Bau und die Montage lüftungstechnischer Einrichtungen ist, wurde dies in der neuen Ausbildung entsprechend berücksichtigt.
Dachbegrünung
Auch die in neuester Zeit immer häufiger eingesetzte Technik der Dachbegrünung stellt neue und höhere Anforderungen an Klempnerbetriebe und deren Mitarbeiter. Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, wurden zusätzlich entsprechende Qualifikationen in die Ausbildung aufgenommen. Auch hier erfordert die Abstimmung mit nach gelagerten Gewerken die Kenntnis über Schichtenfolgen und der Verarbeitung von Kunststoffmaterialien.
Markentwicklungen erkennen und reagieren
Handwerksbetriebe sind stark abhängig von der Weiterentwicklung der Wirtschaft sowie den Veränderungen des Marktes. Der technologische Fortschritt, mehr Kundennähe, der Zwang zu erhöhter Wirtschaftlichkeit, verstärkter Qualitäts- und Zeitdruck bestimmen auch die Wettbewerbsfähigkeit der Handwerksbetriebe. Der Ausbildungsablauf und die Ausbildung selbst sind fester Bestandteil handwerklicher Arbeitsprozesse. Bereits mittlere Klempnerbetriebe arbeiten inzwischen nicht mehr nur regional, sondern sind an Ausschreibungen aus ganz Europa beteiligt.
Größere Klempnerbetriebe arbeiten inzwischen sogar weltweit.
Diese zusätzlichen Qualifikationen sind für die Wettbewerbsfähigkeit der Klempner¬betriebe und damit für die Berufsfähigkeit der Auszubildenden unverzichtbar. Die Berufsausbildung in Betrieb und Berufsschule muss heute mehr denn je auf Entwicklungen und Herausforderungen des Marktes flexibel reagieren und neue Möglichkeiten berücksichtigen.
Zusammen fassend kann man sagen, dass neue Techniken, der verantwortungsvolle Umgang mit knappen Ressourcen, Umweltschutz, Kundenorientierung sowie die langfristige Einbindung von EU-Richtlinien in die Ausbildung die zusätzlichen Qualifikationen notwendig machen. Die damit einhergehende Anhebung des Qualifikationsniveaus schlägt sich aber auch in der Ausbildungszeit nieder. Es war somit völlig richtig, an der 3½-jährigen Ausbildungsdauer festzuhalten.
Quellenangabe: ZVSHK / BB / 2.7.2013